Kleine Nische, stolzer Absatz

Fisch Meier Direkt positioniert Saab mit Dialogmarketing als absolute Nischenmarke

Fisch Meier Direkt positioniert Saab mit Dialogmarketing als absolute Nischenmarkevon luca aloisiNur 7 Prozent der Schweizer Bevölkerung kennt Saab. Damit hat sich der schwedische Autobauer zwar abgefunden, setzt jetzt aber mit der DM-Agentur Fisch Meier Direkt auf eine neue Kommunikationstaktik. Klar ausgerichtet auf das potenzielle Segment wird Dialogmarketing zur wichtigsten Waffe gegen die Konkurrenz.
Angesichts der verschiedenen prämierten Kampagnen, die McCann-Erickson, Genf, für Saab Schweiz gestaltet hatte, und der seit einigen Jahren überdurchschnittlichen Verkaufsraten war die Verwunderung in der Werbebranche durchaus begründet, als im vergangenen Sommer der schwedische Autohersteller beschloss, seinen Kommunikationsetat ohne Pitch von der Hausagentur des Mutterhauses General Motors (GM) abzuziehen. Da die Genfer auch die GM-Schwester Opel betreut, lag die Vermutung nahe, dass man sich wegen Konkurrenzausschlusses von McCann-Erickson trennte.
Aber der Entscheid, die Kommunikation der Adliswiler Direktmarketingagentur Fisch Meier Direkt anzuvertrauen, hatte andere Gründe und wurde nicht bei General Motors vorgespurt, sondern schon 1998 im Saab-Hauptsitz. Damals übertrugen die Schweden den Kommunikationsetat der Stockholmer Agentur Lowe Brindfors. Nach einer Zeit der Bewusstseins- und Strategiefindung wurden die zentralisierten Marketinganstrengungen auch in der Schweiz durch ein föderalistisches Modell ersetzt, das auf die lokalen Marktsituationen besser eingehen sollte.
Dass die Adliswiler DM-Spezialisten bis vor kurzem zum Lowe-Lintas-Netz gehörten, war bei der Evaluation nicht entscheidend, denn sonst stünde jetzt Arno Gunsch, Marketing Manager von Saab, schon wieder vor einem Agenturwechsel. Publicis, die kürzlich Fisch Meier Direkt übernommen hat, wirbt nämlich für Renault.
Arno Gunsch, der vor knapp einem Jahr von BMW zu Saab wechselte, war sich der Herausforderung bewusst: Die ungestützte Markt-Awareness von 7 Prozent mit dem klassischen Verständnis für Marketingkommunikationslösungen gegenüber Mainstream-Premiumbrands aufzubauen ist beinahe unmöglich im Hinblick auf das bescheidene Werbebudget. Gunsch bildlich: «Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen.» Weiterhin wird Saab die für eine Marke nötige Öffentlichkeit durch Basiskommunikation in den Massenmedien beibehalten. Doch eine andere Budgetaufteilung – vor allem in die direkte Kommunikation – sollte die Wirtschaftlichkeit aufpolieren.
Hochtouriger Werbemotor lief lange nur im Leerlauf
Ein Blick zurück und über die Landesgrenze verdeutlicht das Dilemma: In Deutschland betrug der Werbeaufwand von Saab 1998 2775 D-Mark pro abgesetztes Auto – fast viermal so viel wie der Durchschnitt aller Marken. Völlig absurd, den Markt weiterhin auf jene Weise zu beackern. Der Werbemotor lief zwar hochtourig – aber im Leerlauf, denn die Wirkung war unterproportional.
In der Schweiz, wo das Kommunikationsbudget im vergangenen Jahr mit rund 4 Millionen Franken zu Buche schlug, blätterte die Marke für jede verkaufte Einheit rund 1800 Franken hin. Nicht nur das deutete darauf hin, dass die neue, zusätzlich auf Dialogmarketing basierende Taktik erste Wirkung zeitigte.
Auch im Schweizer Automarkt stand Saab im Jahr 2000 auf der Gewinnerseite: Derweil die gesamten Neuzulassungen laut Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure (VSAI) um 0,8 Prozent zurückgingen, stiegen die Verkäufe von Saab-Autos um 2,5 Prozent. Selbst der Rückruf von 130000 95er-Modellen wegen elektronischer Mängel konnte der anziehenden Nachfrage nichts anhaben.
Der Kontakt beginnt beim latenten Interesse an Saab
Diese günstige Entwicklung lässt fast vergessen, «dass Saab bezüglich Share of Voice im Vergleich zu den direkten Konkurrenten Audi, BMW, Mercedes und Volvo weit zurückliegt», so Gilbert Fisch, Mitinhaber und Geschäftsführer von Fisch Meier Direkt. Deshalb will man mit den vorhandenen Mitteln noch effizienter umgehen: Einerseits die Kampa-gnen auf die speziellen Kundensegmente zuschneiden und entsprechend platzieren, um die Markenbekanntheit und -treue zu stützen oder aufzubauen, und andererseits, um durch ein früh einsetzendes Dialogmarketing bei potenziellen Kunden ein gutes Gefühl im Bauch auszulösen.
Diese emotionale Ansprache soll behutsam mit einem wohl dosierten Argumentarium aufmunitioniert werden, das jeder Kritik Stand hält. Fortan wird der Dialog mit Interessenten so geführt, wie man ihn mit bestehenden Kunden führt, lautet die Devise. Als erstes Produkt im Rahmen dieser neuen Ausrichtung entstand das schlichte Welcome Package 2000, das sich nicht einfach aufreissen lässt. Die ausgefallene Direct Mail setzt beim Adressierten schon ein stärkeres Interesse an der Marke voraus, denn: Um die Schachtel zu öffnen, benötigt man einen Schraubenzieher.
Mit der neuen Kommunikationspolitik strebt Arno Gunsch ein hoch gestecktes Ziel an: Mittelfristig will er die 6000-Einheiten-Marke erreichen. Sein Handicap liegt aber in der kleinen Modellpalette von zwei Linien, die sich optisch sehr gleichen. Gunsch selbstkritisch: «Es ist klar, dass man mit zwei Linien nie den gleichen Absatz generieren kann wie Mitbewerber, die sieben oder acht haben.» Dieser Umstand gereicht der Marke aber auch zum Vorteil, indem die gegebene Grösse einen anderen Marketingapproach anbietet.
Saab will sich in einer noch
engeren Nische positionieren
Da die breitenwirksamen Werbekanäle für die Zukunft nicht der einzig richtige Transmissionsriemen für Saabs Botschaft waren, vollzog man einen Stilwechsel. «Wir haben uns damit abgefunden, dass wir in der Massenkommunikation im Bereich der Wahrnehmung an gewisse Grenzen stossen. Von dieser Ebene haben wir uns verabschiedet, um stattdessen verstärkt das Bewusstsein einer Nischenmarke zu pflegen», sagt Gunsch. Das führt dazu, dass nicht die breite Masse anvisiert wird, sondern die begrenzte Gruppe Interessierter, die von der ersten Kontaktaufnahme an betreut wird. Wo diese Leute überproportional vertreten sind und welche psychologischen Ausprägungen sie haben – progressiv, nach innen gerichtet, höhere Bildung und Einkommensklasse, kulturinteressiert –, ist dem Marketing Manager bekannt. Deshalb will er auf dem Fadenkreuz von DemoScope diesen Markt präziser als bisher abstecken.
Gegenüber diesem will sich Saab klarer als Nischenmarke von der Konkurrenz abgrenzen. «Aspekte, die Saab auszeichnen wie die Innovation, welche die Marke verkörpert, der ganze skandinavische Hintergrund, die einfachen, klaren Linien und der Sicherheitsstandard sind Themen, die mit der generischen Marketingkommunikation und im harten Umfeld mit unserem Budget anders nicht zu vermitteln sind», ist Marketing Manager Gunsch überzeugt.
Um dieses Defizit wettzumachen, suchte Saab Schweiz deshalb eine Agentur, die das Kernbusiness des Customer Relationship Management (CRM) kennt. Dieses will Gunsch durch ein Customer and Leads Management im fokussierten Segment erweitern. Sobald sich also jemand für die Marke interessiert, soll sie oder er auf einen Dialogzeitraum potenziert werden, um die Entscheidungsgrundlage aufzubauen. Einer Informationsflut setze man den potenziellen Kunden dadurch nicht aus, versichert Fisch, da dieser die weitere Bearbeitung selber bestimmt.
Andere Kommunikation für
unterschiedliche Bekanntheit
Aus der Einschränkung im Zielpublikum und Mediamix leitet Fisch Meier Direkt seit dem letzten Sommer die Werbeanstrengungen ab, die von der strategischen Markenführungskampagne – bis vor kurzem in Schweden gestaltet und koordiniert – bis zur Modellwerbung reichen und zum grössten Teil in Adliswil konzipiert werden.
Dass sogar die Brandleadingumsetzungen bei Fischs Team angesiedelt sind, entstand aus der Situation, dass Saab in Skandinavien wie auch in den USA oder in England ganz andere Grundvoraussetzungen hat: bis zu 70 Prozent Bekanntheitsgrad und bis zu 20 Prozent Marktanteil. Dort macht der bekannte «Versus»-Approach der klassischen Werbung, in der sehr viel Stil und wenig Auto zu sehen ist, auch Sinn. In der Schweiz kann die Position zum Top of Mind damit nicht erreicht werden.
«Daher machen wir einen Spagat», sagt Gilbert Fisch. «Zwischen strategischer und taktischer Kommunikation konzentrieren wir uns aber vor allem auf den letzteren Bereich.» Dort sieht er das bessere Wirkungspotenzial pro investierten Franken. Zwar soll weiterhin auf den vier Markenpfeilern Kontrolle, Leistung, Sicherheit und Design aufgebaut werden. Neu will man sich jedoch von der elitär zurückhaltenden Kommunikation abwenden und die rund 50 Händler dazu führen, bewusster den Dialog zur potenziellen Kundschaft aufzunehmen. «Zuvorkommend, aber nicht pushy», wie sich Fisch ausdrückt. Das sei bei weitem einfacher, als wenn man ein Händlernetz von über 100 Garagen hat. So ergibt sich eine Dialogqualität, die bei Saab-Interessenten ein gutes Gefühl hervorruft.
Die beste Voraussetzung, um auch technische Merkmale wie den Turbolader näher zu bringen. Denn gerade solche lassen sich verbal kaum erklären, «das ist ein Empfindungselement, das wir als Komponente im Dialog viel besser präsentieren können», sagt Fisch und setzt zu einem nur allzu wahren Schlusswort an: «Ein einziger schlechter Verkäufer kann Ihnen selbst die schönste Multimillionenkampagne kaputt machen.»

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