Helm auf!

Schwarzer Humor muss nicht unbedingt böse sein.

Schwarzer Humor muss nicht unbedingt böse sein. Jedenfalls wirkt diese Schildkröte liebevoll beschützt und entrinnt dem möglichen Schicksal, platt gefahren zu werden. Warum? Weil sie dank ihres Velohelms sicher zum nächsten Salatblatt kriecht. Und weil sie sich an die Suva-Warnung «Bei jedem Tempo Helm tragen. Auch auf kurzen Strecken.» hält. Entwickelt wurde das Sujet bei McCann-Erickson. Als Tierschützer outeten sich Claude Catsky (CD), Charles Blunier (AD) und Roger Keller (Beratung).Cannes integriert Direct-Lions ins Festival. Das Werbefestival von Cannes verzichtet nun doch auf eine eigene Veranstaltung für den neu geschaffenen Direktmarketingwettbewerb. Der Direct Mail Award und die Cyber Lions werden ins Werbefestival vom 14. bis 22. Juni integriert und am Vorabend der Abschlussgala verliehen.
Theater I: L’ombelico del mondo. Bauchnabel scheinen die werberische Kreativität ganz speziell zu inspirieren: Nach JvM/Limmat für Panasonic und Glamour Engineering für die Mittelland Zeitung stellt nun auch Bonaparte für das Theater an der Winkelwiese einen Nabel in den Mittelpunkt der Kommunikation. Allerdings hat das Team um CD Guillaume Borel Mutter Natur ein bisschen nachgeholfen und mit ein paar Kunstgriffen einen orientalischen Halbmond-Nabel aufs Papier gezaubert. Anlass der Nabelschau ist die Schweizer Premiere des Stücks «Die Arabische Nacht» von Roland Schimmelpfennig.
Panoramic entlässt Mediaagentur R. J. Palmer. Die angeschlagene US-Agenturgruppe Panoramic Communications, die seit vergangenem Jahr mehrheitlich der PubliGroupe gehört, trennt sich von ihrer Mediaspezialistin R. J. Palmer. Panoramic hatte Palmer laut einem Bericht von Advertising Age vor drei Jahren übernommen. Nun kauft sich die Agentur für eine nicht genannte Bargeldsumme wieder frei. Mit Billings von 553 Millionen Dollar ist R. J. Palmer die Nummer 17 im US-Mediaranking von Advertising Age. Sie trug fast die Hälfte zu den Gesamtbillings von Panoramic bei. Wie dem Geschäftsbericht 2001 zu entnehmen ist, will PubliGroupe die defizitäre Panoramic-Gruppe wieder abstossen.
WOZ hat neue Zielgruppe. Bei Prellungen, Stauchungen, Quetschungen empfiehlt ein Polizist in voller Demo-Montur «Original Dr. Andres Wallwurz Salbe». Erschienen ist die Anzeige in der WoZ. Hm? Lesen Polizisten mit Vorliebe jetzt die WoZ, und sollen sie dort erfahren, mit welcher Salbe sie ihre 1.-Mai-Prellungen pflegen können? Oder ist die WoZ das ideale Medium, wenn ein Werbetreibender ohne viel Streuverlust die Mitglieder des Schwarzen Blocks erreichen will? Das demonstrative Inserat ist aufgefallen. Auffallend ist natürlich auch, dass die Agentur Advico Young & Rubicam, die dieses Wurz-Inserat exklusiv in der WoZ geschaltet hat, zurzeit auch eine Kampagne für die nicht gerade reiche Wochenzeitung machen darf.
Drei Agenturen bilden Content Company. Drei Agenturen aus dem Raum Zürich bieten unter der Marke Content Company gemeinsam Kommunikationsdienstleistungen an: die Web- und Kommunikationsagentur Update AG, Zürich, die Werbe- und Designagentur Brönnimann & Berchtold, Dietikon, und die Konzept-, Text- und Redaktionsagentur Heini Lüthy Kommunikation, ebenfalls Zürich. Die Angebotspalette reicht von Publishing über Werbung und Branding bis zu Weblösungen. Der Schwerpunkt liegt bei der journalistischen Erstellung von Inhalten und deren mediengerechter Umsetzung in Print- oder elektronischer Form. Die Content Company ist eine «virtuelle Firma», in der die drei Partner ihre Selbstständigkeit behalten.
Theater II: K(l)eine Panne. Ein Foto des Schauspielhauses vor bedrohlichem Gewitterhimmel ziert seit Tagen diverse APG-Plakatstellen. Was bei Tag wie ein Teaser anmutet, offenbart sich im Dunkel der Nacht: das H der Aufschrift «Schauspielhaus» leuchtet als einzige Letter nicht. «Schauspiel aus» – kein Streich der Zürcher SVP, sondern eine neue Imagekampagne aus dem Hause Publicis. Der Auftritt soll mehr Besucher ins defizitäre Zürcher Schauspielhaus locken und das Theater an sich populärer machen. Als Mittel zum Zweck wird neben den Plakaten ein von Wirz & Fraefel produzierter Kino-Spot eingesetzt, der ebenfalls die «kleine» Leuchtschrift-Panne dramatisiert.
Kleiner Grabgesang auf AIDA

Konjunktur ist vor allem Psychologie, denn letztlich bewirken die Ängste und Hoffnungen der Menschen die wirtschaftlichen Schwankungen. Verständlich, dass kurz nach den Anschlägen vom 11. September der damalige New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani die Amerikaner eindringlich daran erinnerte, das Geldausgeben nicht zu vergessen. In einem Fernsehinterview Ende September bemühte sich der amerikanische Vizepräsident gar nicht erst um Zurückhaltung in seiner Wortwahl. Er hoffe, sagte Dick Cheney, die Amerikaner würden «den Terroristen die Finger in die Augen bohren» indem sie Aktien kauften, ihre Einkäufe in gewohnter Weise erledigten und sich nicht von ihrer Lebensweise abbringen liessen.
Die Appelle und Werbebotschaften – auch wenn sie mit patriotischen Reizen garniert wurden – fruchteten wenig. Mit der Devise «Kauft unser Land aus der Krise» konnten die US-Bürger nicht viel anfangen. Was Wunder, denn die Konzepte hinter diesen Denkmodellen wurden empirisch längst widerlegt: Konsumenten ticken anders, als die Stufenmodelle der Werbewirkungsforschung suggerieren. Denn diese werden der Komplexität sozialer Kommunikationsprozesse nicht gerecht. Der Konsument entscheidet selbst, ob eine Werbebotschaft für ihn relevant ist. Wenn er nicht will, kann sich die Werbung noch so abmühen: Sie verpufft ohne jede Wirkung. Letztlich bestimmen die Ereignisse im Leben der Menschen, ob sie bereit sind, die Kauf-mich-Botschaften zu hören und zu lesen. Die Götterdämmerung hat die Stufenmodelle längst erfasst:
Einen Abgesang auf die AIDA-Formel und neue Erkenntnisse aus der Wirkungsforschung finden Sie ab Seite 16. Samuel Helbling, Chefredaktor

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