Gislerprotokoll Stereotypen-Analyse 2024: Repräsentation hadert

Die vierte Stereotypen-Analyse des Vereins Gislerprotokoll zeigt: Die Anzahl an Geschlechter-Stereotypen in der Schweizer Werbung ist erstmals deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig gibt es bei der Repräsentation von Diversität noch Aufholbedarf.

Der bewusste Umgang mit Geschlechterrollen in der Werbung nimmt zu, wie die aktuelle Stereotypen-Analyse 2024 des Vereins Gislerprotokoll zeigt. In den 300 untersuchten Werbespots kamen in nur 16 Prozent stereotype männliche oder weibliche Rollenbilder vor. Das ist ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren. Nina Bieli, Präsidentin des Gislerprotokolls, sieht darin eine positive Entwicklung: «Was wir dieses Jahr viel öfter gesehen haben, ist, dass Unternehmen und Agenturen zwar immer noch hier und da mit Stereotypen arbeiten – also zum Beispiel mit einem Experten, der dem Publikum etwas erklärt –, der Einsatz aber stärker reflektiert wird und bewusster erfolgt.»

Auffällig ist, dass traditionelle Rollenzuweisungen zunehmend durchbrochen werden. So hält sich die Anzahl an Spots mit fürsorglichen männlich oder weiblich gelesenen Personen mittlerweile die Waage (10 vs. 12 Spots), und auch Expertinnen werden häufiger gezeigt (15 Spots, Experten: 22). Einzig im Genre «Humor» bleibt das Bild unverändert: Männlich gelesene Personen dominieren weiterhin humorvolle Werberollen, während nur zwei Spots eine lustige weiblich gelesene Hauptfigur zeigen.

«Wir freuen uns über diese positive Entwicklung. Männlich und weiblich gelesenen Personen werden mehr Facetten zugesprochen, die Werbung wird vielfältiger in Bezug auf Geschlechterrollen. Das unterstreicht auch nochmal die Botschaft, die das Gislerprotokoll seit Beginn an vertritt: Es geht uns nicht darum, den Einsatz von Stereotypen zu verbieten, sondern darum, dass wir uns als Branche bewusstwerden, welche unhinterfragten Gender-Vorstellungen wir mit unserer Arbeit immer wieder reproduzieren. Und diese dann weniger häufig und wenn, dann reflektierter einsetzen – was oft bedeutet, dass ein Stereotyp auch gleich gebrochen wird. Unser propagiertes Ziel, der ‹Klischeeknick›, wird also immer häufiger Realität und das dank unseren über 200 fantastischen Mitgliedern», so Nina Bieli.

Diversität in der Werbung: Fortschritte, aber kein Durchbruch

Neben Gender-Stereotypen analysierte das Gislerprotokoll auch andere Dimensionen der Repräsentation. Homosexuelle Paare wurden in 10 Prozent der Spots mit Paarsituationen gezeigt, was Angaben zufolge in etwa dem statistischen Anteil in der Bevölkerung entspricht. Ganz anders sieht es bei genderqueeren Personen aus: Sie kamen nur in zwei Spots vor, obwohl sich einer Studie zufolge rund 13 Prozent der Schweizer Bevölkerung als Teil der LGBTQ+-Community identifizieren.

Auch nicht-weisse Personen sind laut Analyse in der Werbung nach wie vor unterrepräsentiert. Zwar kamen sie in 52 der analysierten Spots (17 Prozent) vor, in Hauptrollen jedoch nur in 21 Fällen. Allerdings spielten sie häufiger auch ohne Promi-Status oder Themenbezug – wie zum Beispiel Entwicklungshilfe – ausserhalb eine Hauptrolle. Ältere Menschen hingegen sind sowohl quantitativ als auch qualitativ gut vertreten: In 15 Prozent der Spots wurden über 70-Jährige gezeigt, oft als vitale und am Leben interessierte Personen.

Langsame, aber konstante Veränderungen

Verglichen mit den Vorjahresergebnissen zeichnet sich eine schrittweise Verbesserung ab. 2023 enthielten noch rund 50 Prozent der untersuchten Werbespots stereotype Darstellungen, 2024 sind es nur noch 16 Prozent. Besonders auffällig ist der Rückgang des sogenannten «Topfpflanzentests» – also der rein dekorativen Darstellung von Frauen oder Minderheiten. Dieser wurde im Vorjahr noch bei 30 Spots angewendet, 2024 sank der Wert weiter.

Trotz dieser Fortschritte bleibt Luft nach oben. Die Werbung wird vielfältiger, doch echte Gleichstellung und Repräsentation sind noch nicht erreicht. Während Geschlechterrollen zunehmend durchbrochen werden, hinkt die Darstellung anderer gesellschaftlicher Gruppen hinterher. Gislerprotokoll-Präsidentin Nina Bieli fasst zusammen: «Viele Unternehmen setzen facettenreichere Kommunikation um – in Bezug auf Gender-Stereotype, aber auch auf weitere Diversity-Dimensionen. Trotzdem muss und darf noch etwas passieren.»

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