«Die Konkurrenz ist zu gross»
Roger Blum, Professor für Medienwissenschaft, über die Gründe, weshalb die Weltwoche serbelt
Roger Blum, Professor für Medienwissenschaft, über die Gründe, weshalb die Weltwoche serbeltDrei Schweizer Grossverlage sind angeblich daran interessiert, die Weltwoche der Basler Mediengruppe abzukaufen. Macht das Sinn? Roger Blum, Leiter des Instituts für Medienwissenschaft an der Universität Bern, sieht jedenfalls rot für das Blatt, zumindest wenn sein heutiges Konzept bestehen bleibt.Herr Blum, wie beurteilen Sie das aktuelle Image der Weltwoche?
Roger Blum: Man muss immer unterscheiden zwischen Image und konkreter Wahrnehmung. Das Image ist uneingeschränkt gut, die Zeitung hat einen guten Namen. Allerdings erkennt ein Teil des Publikums wohl nicht, was die Weltwoche derzeit publizistisch will, weil es viele Wechsel gegeben hat und in den letzen zehn bis 20 Jahren unterschiedliche Konzepte bestanden.
Hat sich das Image wesentlich verändert?
Blum: Bei der Gründung war die Weltwoche neben der Nation eine der Zeitungen, die sich stark gegen den Nationalsozialismus engagierten und einen parteipolitisch unabhängigen und teilweise auch nonkonformen Journalismus betrieben und sich als «blaue Presse» von den vorherrschenden Parteiblättern und den wenigen, eher unpolitischen Generalanzeigern wie Tages-Anzeiger oder Tribune de Genève abhoben. So hat sich die Weltwoche rasch den Ruf erworben, ein Blatt zu sein, das beachtet werden muss. Heute ist die Weltwoche aber nicht mehr das einzige Blatt mit dieser Position. Sowohl Print- als auch elektronische Medien haben sich ihr im journalistischen Stil und in den Ressourcen genähert. Zudem braucht eine kritische Position nicht mehr so viel Mut wie zur Zeit der äusseren Bedrohung. Das verändert zwar für diese Art nicht das Image, aber die Position im Markt, weil viele andere dasselbe Konzept anwenden.
Droht die Weltwoche also unterzugehen?
Blum: Tendenziell schon, denn eigentlich wurde sie in allen Teilen von anderen kopiert. Allerdings gab es auch Phasen, in denen die Weltwoche bloss wiederkäute, was andere schon gebracht hatten. Unter Chefredaktor Fredy Gsteiger versucht die Weltwoche aber, ihre Rolle als Wochenzeitung maximal auszuschöpfen – durch andere Fragestellungen, Interpretationen und Informationen. So macht sie nach wie vor Nummern, die überraschen, weil sie Themen anders anpackt als andere Medien. Doch die einst krasse Differenz zwischen Tages- und Wochenzeitung – hier Aktualität, dort Hintergrund – gibt es nicht mehr, da viele Tageszeitungen den Hintergrund längst täglich liefern.
Hat die Weltwoche überhaupt noch eine Chance?
Blum: Diese nimmt laufend ab. Vom Publikum her gesehen gibt es grundsätzlich zwei Gruppen, die die Weltwoche lesen könnten: erstens die Informationshungrigen, etwa andere Medienschaffende und die politische, kulturelle und wirtschaftliche Elite. Das reicht aber nicht, um die Weltwoche zu tragen. Zweitens jene Leute, die in ihrer Region die Tagesinformationen aus Medien beziehen, die kaum überregionale, wirtschaftliche und kulturelle Informationen liefern und deren Eigenleistungen sich ausschliesslich auf das Lokale beziehen. Sie profitieren von einer Wochenzeitung mit Hintergrund. Je mehr aber die Pressekonzentration fortschreitet und auch dem Publikum in Randregionen Tageszeitungen mit mehr Hintergrundinformation beschert, umso mehr schwinden diese Weltwoche-Leser.
Warum ist es der BMG bisher während Jahren nicht gelungen, die Weltwoche auf Vordermann zu bringen?
Blum: Weil es auch niemand anderem gelungen wäre. Denn der Zug für solche Titel ist nun einmal am Abfahren: Vom journalistischen Konzept her ist die Konkurrenz einfach zu gross.
Das Gerücht, dass die Weltwoche verkauft werden sollte, ist nicht neu. Ist heute aber die Situation für die Basler Mediengruppe (BMG) anders?
Blum: Da gibt es zwei Entwicklungen, die wahrscheinlich in die gleiche Richtung zielen: Einerseits wurde das Blatt mit Gsteiger wieder profilierter. Nicht von null auf 100, aber vielleicht von 50 auf 75. Vermutlich ging nun die BMG davon aus, dass sich auch die Kostenkurve ähnlich entwickeln würde, was aber ungenügend der Fall war. Jetzt stellt sich die Frage, ob die BMG bereit ist, einen solchen Titel nochmals zehn Jahre durchzufüttern oder das Steuer herumzuwerfen und aus dem Titel etwas ganz anderes zu machen oder den Titel zu verkaufen, falls ihn noch jemand will.
Angeblich sind NZZ, Tamedia und Ringier am Kauf der Weltwoche interessiert. Was lockt die drei angesichts des hohen Defizits? Sind sie vom Prestige der Weltwoche geblendet?
Blum: Wenn jemand aus der Weltwoche etwas Neues machen will, dann ist ein eingeführter Titel samt Abostamm und Kundendatei sicher eine Starthilfe.
Interview: Markus Knöpfli
Roger Blum: Man muss immer unterscheiden zwischen Image und konkreter Wahrnehmung. Das Image ist uneingeschränkt gut, die Zeitung hat einen guten Namen. Allerdings erkennt ein Teil des Publikums wohl nicht, was die Weltwoche derzeit publizistisch will, weil es viele Wechsel gegeben hat und in den letzen zehn bis 20 Jahren unterschiedliche Konzepte bestanden.
Hat sich das Image wesentlich verändert?
Blum: Bei der Gründung war die Weltwoche neben der Nation eine der Zeitungen, die sich stark gegen den Nationalsozialismus engagierten und einen parteipolitisch unabhängigen und teilweise auch nonkonformen Journalismus betrieben und sich als «blaue Presse» von den vorherrschenden Parteiblättern und den wenigen, eher unpolitischen Generalanzeigern wie Tages-Anzeiger oder Tribune de Genève abhoben. So hat sich die Weltwoche rasch den Ruf erworben, ein Blatt zu sein, das beachtet werden muss. Heute ist die Weltwoche aber nicht mehr das einzige Blatt mit dieser Position. Sowohl Print- als auch elektronische Medien haben sich ihr im journalistischen Stil und in den Ressourcen genähert. Zudem braucht eine kritische Position nicht mehr so viel Mut wie zur Zeit der äusseren Bedrohung. Das verändert zwar für diese Art nicht das Image, aber die Position im Markt, weil viele andere dasselbe Konzept anwenden.
Droht die Weltwoche also unterzugehen?
Blum: Tendenziell schon, denn eigentlich wurde sie in allen Teilen von anderen kopiert. Allerdings gab es auch Phasen, in denen die Weltwoche bloss wiederkäute, was andere schon gebracht hatten. Unter Chefredaktor Fredy Gsteiger versucht die Weltwoche aber, ihre Rolle als Wochenzeitung maximal auszuschöpfen – durch andere Fragestellungen, Interpretationen und Informationen. So macht sie nach wie vor Nummern, die überraschen, weil sie Themen anders anpackt als andere Medien. Doch die einst krasse Differenz zwischen Tages- und Wochenzeitung – hier Aktualität, dort Hintergrund – gibt es nicht mehr, da viele Tageszeitungen den Hintergrund längst täglich liefern.
Hat die Weltwoche überhaupt noch eine Chance?
Blum: Diese nimmt laufend ab. Vom Publikum her gesehen gibt es grundsätzlich zwei Gruppen, die die Weltwoche lesen könnten: erstens die Informationshungrigen, etwa andere Medienschaffende und die politische, kulturelle und wirtschaftliche Elite. Das reicht aber nicht, um die Weltwoche zu tragen. Zweitens jene Leute, die in ihrer Region die Tagesinformationen aus Medien beziehen, die kaum überregionale, wirtschaftliche und kulturelle Informationen liefern und deren Eigenleistungen sich ausschliesslich auf das Lokale beziehen. Sie profitieren von einer Wochenzeitung mit Hintergrund. Je mehr aber die Pressekonzentration fortschreitet und auch dem Publikum in Randregionen Tageszeitungen mit mehr Hintergrundinformation beschert, umso mehr schwinden diese Weltwoche-Leser.
Warum ist es der BMG bisher während Jahren nicht gelungen, die Weltwoche auf Vordermann zu bringen?
Blum: Weil es auch niemand anderem gelungen wäre. Denn der Zug für solche Titel ist nun einmal am Abfahren: Vom journalistischen Konzept her ist die Konkurrenz einfach zu gross.
Das Gerücht, dass die Weltwoche verkauft werden sollte, ist nicht neu. Ist heute aber die Situation für die Basler Mediengruppe (BMG) anders?
Blum: Da gibt es zwei Entwicklungen, die wahrscheinlich in die gleiche Richtung zielen: Einerseits wurde das Blatt mit Gsteiger wieder profilierter. Nicht von null auf 100, aber vielleicht von 50 auf 75. Vermutlich ging nun die BMG davon aus, dass sich auch die Kostenkurve ähnlich entwickeln würde, was aber ungenügend der Fall war. Jetzt stellt sich die Frage, ob die BMG bereit ist, einen solchen Titel nochmals zehn Jahre durchzufüttern oder das Steuer herumzuwerfen und aus dem Titel etwas ganz anderes zu machen oder den Titel zu verkaufen, falls ihn noch jemand will.
Angeblich sind NZZ, Tamedia und Ringier am Kauf der Weltwoche interessiert. Was lockt die drei angesichts des hohen Defizits? Sind sie vom Prestige der Weltwoche geblendet?
Blum: Wenn jemand aus der Weltwoche etwas Neues machen will, dann ist ein eingeführter Titel samt Abostamm und Kundendatei sicher eine Starthilfe.
Interview: Markus Knöpfli