Das Problem mit der Intelligenz

Künstliche Intelligenz ist gefährlich. Nicht weil sie künstlich, sondern weil sie intelligent ist. Ein Kommentar von Simon Rehsche, Co-Founder und Partner bei Neu Creative Agency.

Simon Rehsche, Co-Founder und Partner bei Neu Creative Agency

Die Kreativbranche erlebt mit dem Einzug von KI ihre Disruption. Das ist aufregend, spannend, inspirierend. Und birgt tiefgehende Gefahren. Besänftigende Plattitüden wie «es gehen keine Arbeitsplätze verloren, sondern es entstehen einfach neue» oder «wir werden uns in Zukunft stärker auf das konzentrieren, was uns erfüllt» besänftigen auch nach tausendfacher Wiederholung nur bedingt – weil sie Ausdruck einer zu einseitigen Sicht sind.

Fragen wie «Sind Berufsbilder, ist unser Geschäftsmodell bedroht?» oder «Verdrängen uns andere Player?» sind zwar wichtig. Ebenso wichtig und wahrscheinlich viel prägender für die Lebenswelt von uns allen, ist aber ein anderer Aspekt:

Je verbreiteter künstliche Intelligenz in unserem Leben wird, je direkter künstliche Intelligenz ganz allgemein unsere Lebenswelt prägt, desto intelligenter wird diese Welt. Das tönt ja erst mal gut. Aber was bedeutet es für die Einflüsse, die uns Menschen inspirieren und prägen, wenn sie immer stärker, ja maximal, oder irgendwann nur noch intelligent sind? Wenn es nur noch intelligenten Humor, intelligente Kunst, intelligente Werbung gibt?

Es heisst Kreativbranche, nicht Intelligenzbranche

«Intelligent» wird in nahezu allen Lebensbereichen als Synonym von «gut» verwendet. Kein Wunder: Intelligenz ist z.B. über alle Berufe, auch die der Kreativbranche, der beste Prädiktor beruflichen Erfolgs. Eine intelligente Strategie eine gute Strategie, eine intelligente Entscheidung ist eine gute Entscheidung. Intelligenz ist auch eine notwendige Bedingung für Kreativität. Aber eben keine hinreichende. Mit der Verfügbarkeit von KI-Tools wird die Intelligenz als prägende Kraft immer dominanter und gerne mit Kreativität verwechselt – auch in unserer Branche, denn intelligente sind von kreativen Ideen oft schwer unterscheidbar. Eines sollte uns aber immer bewusst sein: KI-Tools heissen mit gutem Grund KI und nicht KK-Tools. Ob künstlich oder menschlich: Intelligenz wendet Regeln an, Kreativität bricht sie und findet neue.

Der Moment für Purpose ist jetzt

Intelligenz ist verlockend. Sie ist linear, nachvollziehbar, risikolos. Sie optimiert, ist effizient. Im Einzelnen genau das, wonach man, gerade in unserer risikoaffinen Kultur, strebt. Aber: Intelligenz kann auch schrecklich langweilen. Sie läuft aalglatt durch, polarisiert nicht, sie provoziert nicht, sie macht keine Fehler. Was im wirtschaftlichen Kontext zur Maximierung ökonomischen Erfolgs richtig ist, ist im Ganzen für unsere Lebenswelt nicht nur nicht wünschenswert: Die Vorstellung einer Welt, in der wir bei allem und immer intelligent handeln und in der Folge auch nur intelligenten Einflüssen ausgesetzt sind, ist ein Downer. Nachdem unsere Branche den Begriff «Purpose» die letzten Jahre mit Hygienefaktoren wie Inclusion und Nachhaltigkeit verwechselt hat, ist es jetzt der beste Moment, sich auf echten Purpose zu besinnen. Den Purpose der Kreativität. Und damit den Antrieb, unsere Welt vor langweiliger, aalglatter Perfektion, Repetition und vor Langeweile zu bewahren. Das gelingt nur, wenn wir Kreativität nicht mit Intelligenz verwechseln. Nicht nur – aber auch bei der Nutzung von KI.

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