Menschen sind beim Shopping stark emotionsgetrieben
Wer am Black Friday in einen Laden geht oder sich auf Onlineshops herumtreibt, kauft mit grosser Wahrscheinlichkeit auch etwas ein. Denn Menschen reagieren bei Schnäppchen oft irrational. Aber warum fallen wir auf die Tricks der Shops rein? Zwei Fachpersonen geben Antwort.
Das Tablet für unschlagbare 89,90 Franken, die Jacke zum halben Preis oder das letzte verfügbare Rudergerät fürs Wohnzimmer mit 20 Prozent Rabatt. Wenn wir solche Angebote sehen, dann setzt unser Verstand aus. Dass das Tablet nicht mit dem Betriebssystem unseres Handys kompatibel ist, wir schon zehn Jacken im Schrank haben und gar nie Sport treiben, merken wir oftmals erst, wenn wir bereits zugeschlagen haben.
Rote Zeichen mit dem Wort «Rabatt» oder durchgestrichene Preise entfachen in uns eine Art Jagdtrieb. «Wir haben das Gefühl, etwas ‹zu gewinnen› und eine Gelegenheit ergreifen zu können, die ‹nie wieder› kommt», erklärt Professorin Anna Knutti, die an der Berner Fachhochschule Wirtschaft im Bereich Marketing & Konsumentenverhalten forscht.
Zeitdruck und Knappheit
Die Shops machen sich dies zu nutze. Der Black Friday, der nur einmal im Jahr stattfindet, öffnet ein knappes Zeitfenster. Selbst wenn er auf eine ganze Woche – die sogenannte Black Week – ausgeweitet wird. «Es wird kommuniziert, dass die Angebote nur genau dann verfügbar sind. Damit wird eine gewissen Dringlichkeit erzeugt, dass man unbedingt zugreifen sollte», so Knutti.
Nebst der zeitlichen Begrenzung stellen die Anbietenden zudem künstliche Knappheit her, indem sie das Angebot begrenzen. «Gerne wird angezeigt, wie viele Produkte von dem gewünschten Objekt noch auf Lager sind. Auch dies ist ein probates Mittel, um Zeitdruck zu erzeugen und Knappheit zu suggerieren, damit wir uns schnell entscheiden», sagt Knutti.
Die Forschung habe ausserdem gezeigt, dass Menschen unter Zeitdruck seltener Käufe aufschieben oder sich noch einmal überlegen, ob sie etwas tatsächlich brauchen, so die Expertin.
Shoppingverhalten beginnt schon in der Kindheit
Der Neuromarketingexperte Philipp Zutt erklärt diesen Mechanismus damit, dass unser Gehirn eine sogenannte Verlustaversion hat, wir also Verluste möglichst vermeiden wollen. Sprich: Wenn morgen etwas nicht mehr zum gleich günstigen Preis zu haben ist, wollen wir es heute.
Können wir also gar nichts dafür, wenn wir am Black Friday zu Schnäppchenjäger:innen werden? Laut Zutt tatsächlich nur bedingt: «Wir sind stark emotionsgesteuert. Etwa 80 Prozent in jedem Entscheid, den wir treffen, ist Emotion.» Und dabei werde auch nicht zwischen verschiedenen Gütern unterschieden. Unsere Entscheidungen seien bei einem Genussmittel wie Schokolade genauso emotionsgetrieben wie beim vermeintlich sehr rationalen Hauskauf.
Doch laut Zutt sind dennoch nicht alle Menschen gleich anfällig für die Tricks der Händler. «Es hängt auch davon ab, ob wir schon in der Kindheit gelernt haben, auf Dinge zu warten», so Zutt.
Als Beispiel nennt er das berühmte Marshmallow-Experiment, einen Test zur Impulskontrolle bei Kindern. Dort wurde einer Gruppe Vier- bis Sechsjähriger ein Marshmallow in die Hand gedrückt mit dem Versprechen, sie bekämen noch ein zweites Marshmallow, wenn sie das erste 20 Minuten lang nicht anrührten. Manche Kinder hielten durch, andere naschten die Süssigkeit bereits sofort nach Beginn der Zeitspanne.
Ein weiterer Faktor sei auch die Gewohnheit, sich von solchen Angeboten anziehen zu lassen. Denn manche Menschen würden sich schlicht nicht auf die Rabattschlacht einlassen.
Listen anfertigen und beobachten
Auch wenn vieles auf emotionaler Ebene gesteuert wird, kann man sich laut Anna Knutti vor Fehlkäufen schützen. So könne man etwa im Vorfeld Listen anfertigen mit Dingen, die man wirklich brauche und sich auch ein Budget setzen.
«Zudem lohnt es sich, sich mit Kaufpsychologie auseinanderzusetzen. Wenn man die Muster kennt, kann man besser mit ihnen umgehen und sich effektiv dagegen wehren», so die Expertin. Schliesslich seien Erwachsene mündige Menschen und sollten mit Verstand einkaufen. (Tabea von Ow/AWP)