Kooperation statt Konzentration

Print Bevor es sich publizistisch bewähren kann, muss das «Berner Modell» ökonomisch bestehen. Einer Ausweitung des regionalen Werbemarkts bedarf es dazu nicht, glauben die neuen Bund-Vermarktungspartner Espace Media und Publicitas.

Print Bevor es sich publizistisch bewähren kann, muss das «Berner Modell» ökonomisch bestehen. Einer Ausweitung des regionalen Werbemarkts bedarf es dazu nicht, glauben die neuen Bund-Vermarktungspartner Espace Media und Publicitas.Unterschriftsreif war die Berner Variante des Stuttgarter Modells – zwei Zeitungen, die sich im Lesermarkt konkurrenzieren, fusionieren im Druck, Vertrieb und Inserategeschäft – bereits zwei Mal, zuletzt im November 1994. Seinerzeit scheiterte der Deal zwischen der damaligen Bund-Besitzerin Ringier und der Herausgeberin der Berner Zeitung (BZ) an zweierlei: den fehlenden Rücklagen der aufstrebenden Bund-Konkurrentin und deren damit verbundene Angst, das ehrwürdige Zentralorgan des Berner Patriziats selber beerdigen zu müssen und sich damit im Heimmarkt wider Willen einflussreiche Feinde zu schaffen.Achteinhalb Jahre später scheint diese Furcht verflogen. Hauptgrund dürfte die Finanzkraft der sich inzwischen zur erstaunlich krisenresistenten Espace Media Groupe (Gewinn 2002: 22,6 Millionen Franken) gemauserten BZ-Herausgeberin, aber wohl auch eine Schnäppchenofferte der rezessionsgebeutelten NZZ-Gruppe sein. Letztere war 1994 für die Berner in die Bresche gesprungen und überlässt ihnen nun die Hälfte ihrer 80-prozentigen Mehrheit am Bund. Die restlichen 20 Prozent hält weiterhin die Publicitas. Als Aktionärin und Inseratevermittlerin hat diese ein doppeltes Interesse an einer schnellen Gesundung des serbelnden Hauptstadtblatts, das ab Anfang 2004 nur mehr als Teil der BZ-Gesamtausgabe vermarktet wird – pikanterweise im Schulterschluss der «P» mit ihrer Ex-Lieblingsfeindin BZ.
Publicitas-Chef Otto Meier verspricht sich von dieser Entspannung indes keine Ausweitung des regionalen Werbemarkts. «Ein solcher Effekt würde mich zwar freuen, aber auch etwas wundern. Nach unserer Erfahrung braucht es für eine maximale Marktausschöpfung neben der publizistischen auch die ökonomische Konkurrenz.» Einfluss auf den Erfolg der neuen, mit 230000 Exemplaren erheblich auflage- und somit reichweitenstärkeren BZ-Gesamtausgabe kann die «P» einzig via Inseratepreispolitik üben. Und auch dies nur konsultativ: Das letzte Wort hat hier wie in allen übrigen Geschäften der Bund Verlags AG die Espace Media Groupe.
Auch deren CEO Polo Stäheli rechnet nicht mit einer Vergrösserung des Anzeigenvolumens per 2004, wenn die Bund-Integration abgeschlossen und operativ ist. Gegenüber der Werbewoche gibt er sich aber überzeugt, mit der erweiterten BZ-Gesamtausgabe insbesondere der nationalen Werbewirtschaft «ein unwiderstehliches Angebot» zu machen. «Gut 40 Prozent mehr Auflage für einen Aufpreis von maximal 30 Prozent», fasst Stäheli den Vorteil seines «nachhaltigen Geschäftsmodells» zusammen, das zur Finanzierung zweier Vollredaktionen alte Kosten reduzieren und zugleich neue Erträge einspielen soll – und muss.
Als Berechnungsgrundlage für den angekündigten Break-even im 2006 diente Stäheli, der «skeptisch» in die Verhandlungen mit der NZZ ging und alles haarklein durchkalkuliert haben will, der Netto-Netto-Ertrag, den der Bund im ersten Halbjahr 2003 national und lokal noch realisieren konnte. Auch Meier hält dies für «die einzig realistische, weil aktuelle Basis zur Einhaltung des Versprechens, anderthalb Zeitungen das Überleben zu sichern».
Auch «P» streicht Stellen
Für die beiden Verkaufsorganisationen lautet die Aufgabe nun Synergien nutzen. Im Gegensatz zur Espace Media hat die Publicitas bereits Know-how bei solchen Schnittstellenoptimierungen. Bei der Entstehung des Eigenregie-Titels Aargauer Zeitung (AZ) hat man laut Meier
eine ähnliche Übung veranstaltet. Und zwar mit grossem Erfolg, wie die AZ bestätigt. «Das damalige Sparpotenzial konnten wir voll ausschöpfen», meint Verleger Peter Wanner auf Anfrage. Und möchte bei der Gelegenheit klarstellen, dass er den Bund zu keinem Zeitpunkt übernehmen wollte, sondern lediglich eine Offerte für die Lieferung des AZ-Mantelteils einreichte. «Den Anstoss dazu gaben unsere Solothurner Partner bei Vogt-Schild, die den Bund gerne in ihrem Subiger Druckzentrum gedruckt hätten», so Wanner.
Für die Berner «P»-Filiale rechnet Meier mit einer Restrukturierungsphase von drei Monaten und einem Abbau von «einigen Stellen». Ursache dafür sei das Verschwinden des bislang von seiner Organisation exklusiv vermarkteten Bund vom Anzeigenmarkt. Beim Traditionstitel selbst, der als publizistische Marke weiter existiert, werden im Verlagsbereich bis Jahresende sämtliche 25 Stellen gestrichen.
Mutiert kommerziell zur BZ-Beilage: Der Bund.
Oliver Classen

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