«Ich hoffe auf eine Versachlichung»

Wochenpresse Nach dem Rücktritt von Chefredaktor Roger Köppel ist die Zukunft der Weltwoche offen. Verlagsleiterin Uli Rubner über Nachfolge, Erfolgszahlen und parteipolitische Zuschreibungen.

Wochenpresse Nach dem Rücktritt von Chefredaktor Roger Köppel ist die Zukunft der Weltwoche offen. Verlagsleiterin Uli Rubner über Nachfolge, Erfolgszahlen und parteipolitische Zuschreibungen.WW Spekuliert wird über Roger Köppels Wechsel zu Springer bereits seit letztem Sommer. Frau Rubner, was hat der Verlag getan, um seinen publizistischen Turnaround-Manager zu halten?Uli Rubner Ich persönlich nichts. Ich nehme solche Branchengerüchte aber auch längst nicht mehr so ernst wie früher. Trotzdem war mir klar, dass er einem Ruf nach Deutschland früher oder später folgen würde.
Nun ists eher früher als später so weit gekommen. Angesichts des Facts-Relaunchs und rückläufiger Auflage ein ziemlich unglückliches
Timing für die Weltwoche.
Ein Chefredaktorenwechsel birgt immer gewisse Risiken. Dieser Abgang eröffnet aber auch neue Chancen. Viele Abbestellungen der Weltwoche erfolgten auf Grund ihrer vermeintlichen SVP-Positionierung. Solche Zuschreibungen sind eng mit der Person Köppels verbunden. Mit dessen Weggang dürfen wir darauf hoffen, dass sich die Beurteilung der Leistung und Ausrichtung der Weltwoche wieder versachlicht.
Springer schreibt in seiner Pressemitteilung, Köppel habe «das Profil der Weltwoche entscheidend geschärft». Profiliert hat er aber vor allem auch sich selbst. Ist diese nun zweieinhalb Jahre währende Symbiose zwischen neuem Chef und alter Autorenzeitung schadlos wieder auflösbar?
Eine solche Identifikation kann sehr fruchtbar sein – allerdings nur, solange sie nicht von aussen parteipolitisch festgeschrieben wird. Wäre etwa eine Geschichte über die Ausländerstatistik, wie sie die letzte SonntagsZeitung publizierte, in der Weltwoche gestanden, hätte man sich kollektiv und reflexartig über üble SVP-Propaganda empört. Insofern kann es auch von Vorteil sein, wenn Köppel, der mittlerweile für viele zur Reizfigur geworden ist, aus dem Spiel ausscheidet. Denn wie immer die Nachfolge geregelt wird: Sie birgt die Chance einer Versachlichung der Diskussion. Was nicht heisst, dass sich die Weltwoche mit dem Chefredaktor auch von ihrer liberal-bürgerlichen Positionierung verabschieden wird.
Durch sein unkritisches Interview mit Silvia Blocher hat Köppel den
politischen Bogen für viele Leser und Kollegen jedoch definitiv überspannt.
Okay, auch mir war diese Story ein bisschen too much. Wie viele andere habe ich ihn das auch wissen lassen. Und inzwischen sieht er Art und Zeitpunkt dieses Interviews ja auch ein wenig selbstkritisch.
Die neuerliche Erosion im Lesermarkt begann allerdings schon letzten Sommer, weit vor der expliziten Wahlempfehlung. Warum ist der Wundertüten-Nimbus des neuen Weltwoche-Magazins so schnell verblasst?
Nach dem Formatwechsel hatten wir eine dicke Schnupperabodecke, die mit der Zeit natürlich etwas abgeschmolzen ist. In der Folge ging es hauptsächlich darum, Festabokündigungen mit Neuzugängen zu kompensieren. Nach einem langen Aufwärtstrend seit dem Relaunch konnten wir ab Herbst nicht mehr die erhofften Wachstumsraten erzielen.
Mit dem Kioskverkauf provokativer Blocher-Nummern konnten Sie die Abo-Scharte also nicht auswetzen.
Rund um die Bundesratswahl haben doch alle Titel mit Blocher aufgemacht und so ihren Absatz angekurbelt. Dennoch lief der Abverkauf letzten Herbst generell gut, aber nicht glänzend. Die Sparsamkeit der Kioskkunden bekamen alle zu spüren, vom Blick bis zur Weltwoche.
Wird die Weltwoche heuer wieder einmal sechsstellig beglaubigen können?
Dafür wird es noch nicht ganz reichen. Die aktuelle Auflage liegt aber deutlich über den 91000 Exemplaren, die wir vergangenes Jahr
erreichten. Sie dürfen zudem nicht vergessen, dass die Wemf 2001 noch 85000 Exemplare gemessen hat, also dass wir schon einen grossen Sprung gemacht haben. Trotzdem werden wir uns hüten, zu euphorisch zu beglaubigen.
Die SonntagsZeitung schliesst in ihrer aktuellen Ausgabe vom Verkaufsrückgang auf einen Reichweitenverlust.
Zu Recht?
Das ist falsch und irreführend. Auflage- und Leserzahlen werden oft in einen Topf geworfen. Dabei geht es um Kennzahlen, die korrelieren können, aber keineswegs müssen. Am 1. April steht die Abobeglaubigung an, und dort werden wir zu den Gewinnern gehören. Bis zu den neuen Leserzahlen hingegen müssen auch wir uns bis im Herbst gedulden.
Als weiteren Grund für den vermeintlichen Knick in der Leserschaftsentwicklung führt der gleiche Artikel weniger Pick-ups, das heisst rückläufige Leser-pro-Ausgabe-Werte an.
Auch das ist technisch nicht korrekt. Richtig ist, dass nach dem Formatwechsel sowohl die Auflage wie auch die Reichweite gestiegen sind. Als Magazin verkauft sich die Weltwoche also nicht nur besser, sondern wird zudem von mehr Menschen gelesen. Auf diesen Doppeleffekt haben wir im Vorfeld des Relaunchs natürlich gehofft und gebaut.
Wer entscheidet über die Nachfolge von Roger Köppel?
Letztlich unser CEO Filippo Leutenegger zusammen mit dem Verwaltungsrat.
Die einzige Grundmaxime, zu der Köppel sich öffentlich bekennt, ist jene
der Kostenwahrheit. Kommt ein publizistischer Kopf mit Hang zur Budgetdehnung wie etwa Roger de Weck also von vornherein nicht in Frage?
Zu konkreten Namen kann ich mich in meiner Funktion nicht äussern. Aber keine Frage, anfangs brauchten wir einen journalistischen Messias vom Schlage Roger Köppels, der auf Grund seiner anerkannten Stärken wie Originalität und Mut eine riesige Erwartung aus- und einlösen konnte. Ohne eine solche Persönlichkeit hätten wir den Turnaround nicht geschafft. Der Nachfolger kann auf dem Erreichten aufbauen und profitiert vom Image eines Winnertitels. Seine Aufgabe ist einfacher.
Interview:
Im schwarzen BereichWie CEO Filippo Leutenegger bei einem Mediengespräch bekannt gab, erzielte der Jean Frey Verlag (Weltwoche, Beobachter, Bilanz, TR7) 2003 einen Gewinn nach Steuern von «gut 10 Millionen Franken». Dies bei einem Umsatz von fast 100 Millionen Franken und einem Betriebsergebnis von knapp 10 Millionen Franken. Beim letzten Jahresabschluss der Vorbesitzerin Basler Zeitung Medien Mitte 2002 resultierte noch ein
Verlust von 12 Millionen Franken.
Zu verdanken hat Leutenegger diesen Turnaround laut eigenen
Angaben zu knapp zwei Dritteln den rigiden Sparmassnahmen im Druck-, Personal- und IT-Bereich. Den Rest steuerten die gestiegenen Inserate- und Vertriebserträge der Weltwoche, das «super laufende» TR7 und die wachsende Abonnentenzahl des «nach wie vor hochrentablen» Beobachters bei. Zugleich dementierte der CEO alle Gerüchte um einen bevorstehenden Verkauf der Jean Frey und kündigte die baldige Schaffung einer verlagsinternen Ombudsstelle an. (oc)
Mit dem Silvia-Blocher-Interview manövrierte sich die Weltwoche ins SVP-Zwielicht.
Weltwoche-Verlagsleiterin Uli Rubner.
Oliver Classen

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