Usability statt Narzissmus
Design im kommerziellen Internet steht immer mehr im Dienst der Benützerführung
Design im kommerziellen Internet steht immer mehr im Dienst der BenützerführungVon Clemens HörlerEine möglichst flippige Website genügt längst nicht mehr für den kommerziellen Erfolg im Internet. Wer die Besucher mehr verwirrt als informiert, riskiert sie zu verlieren. Die Webdesigner stehen vor der Herausforderung, kreativ und originell zu sein, ohne den User zu überfordern.
Wenn in Mailand dürre Models in Kleidern, die an zerrupfte Regenschirme erinnern, über den Laufsteg staksen, feiert man die Modezaren für ihren Einfallsreichtum. Alltagstauglich sind ihre Kunstwerke aber kaum, dazu müssten sie eine Spur bequemer sein und beispielsweise die Benützung einer Strassenbahn erlauben.
Ähnlich verhält es sich mit dem Webdesign: An den Designwettbewerben gewinnen zumeist farbige, poppige Sites, die in vielen Fällen um des sexy Designs willen gestaltet wurden und aufzeigen, was man mit der heutigen Technologie denn so alles machen kann. Websites, die sich durch ein besonders übersichtliches Design und effiziente Benützerführung auszeichnen, sahnen an Designwettbewerben selten ab, nicht zuletzt deshalb, weil wohl niemand auf die Idee käme, zum Beispiel Amazon.com an einem solchen ins Rennen zu schicken.
Für kommerzielle Websites sind es nicht die Schönheitspreise, die zählen, sondern die Rentabilität des Internetauftritts. Untersuchungen zeigen, dass viele Konsumenten, kommen sie nicht sofort zum gewünschten Ziel, die Website verlassen und es bei der Konkurrenz versuchen. Mit jedem (unnötigen) Klick steigt die Chance, dass der Konsument die Website vorzeitig verlässt. Klick und tschüss.
Der Spagat zwischen Design und Benützerfreundlichkeit
«Designen Sie für die Leute und nicht für sich selbst.» So predigt Webguru Jakob Nielsen schon seit Jahren und fordert mehr Usability im Web. Etwas provokativ hebt er die äusserst spartanisch gestaltete Suchseite Google.com aufs Designpodest und schickt blinkblitzpopup.com auf die Strafbank.
Dass die stets angestrebte Unverwechselbarkeit nicht mehr auf Kosten der Benützerführung geschehen darf, wird immer mehr Websitebetreibern klar: Wildwestdesign, Navigationsmenüs nach dem Wundertütenprinzip, unpassende und Zeit raubende Flash-Filmchen wuchern auf den grossen Internetsites bereits spärlicher. Vor allem auf E-Commercesites, in Portalen, Suchdiensten, auf Newsseiten und vielen Corporate Sites sind Schlichtheit und Benutzerfreundlichkeit Trumpf, zumindest mehr als auch schon. «Unsere Kunden wollen oft gar nicht mehr das verrückteste Design, sondern setzen auf Bewährtes; dafür recherchieren sie auch selbst im Netz und bringen sogar eigene Vorschläge», erzählt Markus Hasler, Art Director
beim Zürcher Internetdienstleister Update AG.
Die Kundinnen und Kunden sind also mündiger geworden und lassen sich nicht mehr von gewissen Webagenturen über den Tisch ziehen, die in erster Linie cooles Design im Kopf haben, das vor allem die Designer befriedigt. Vielleicht liegt das auch daran, dass viele Entscheidungsträger inzwischen selbst Internetnutzer sind und sich schon über lange Ladezeiten oder Navigationsirrgärten geärgert haben.
Dennoch gibt es immer noch relativ wenig Firmen, welche die Benutzerfreundlichkeit ihrer Site so ernst nehmen, dass sie aufwändige Usabilitytests durchführen lassen. Viele begnügen sich mit heuristischen Tests: Spezialisten, die nicht direkt am Projekt beteiligt waren, prüfen eine Website nach bewährten Standards und suchen nach den offensichtlichsten Fehlern.
Nicht alles neu erfinden – auch Bewährtes zahlt sich aus
Labortests sind vielen Auftraggebern zu teuer oder zu zeitaufwändig. Bei solchen Tests muss eine Gruppe von Testpersonen aus der Zielgruppe der jeweiligen Site unter Beobachtung eines Testleiters (und einer Videokamera) bestimmte Aufgaben erfüllen, etwa ein bestimmtes Produkt bestellen. Wer es ganz raffiniert mag, kann auch mit Spezialbrillen (Eyemarkrecorder) die genauen Augenbewegungen der Testpersonen bei der Benützung der Website aufzeichnen lassen.
Grosse E-Commerce-Firmen wie Amazon nehmen die Nutzerforschung sehr ernst, wovon auch andere profitieren: Navigations- und Designelemente, die sich bei den Branchenleadern bewährt haben, werden kopiert. Schliesslich muss ja das Rad nicht für jede Website neu erfunden werden. So schätzt es das Gewohnheitstier Mensch unter Umständen, wenn es sich auch auf einer Website, die er zum ersten Mal besucht, gleich heimisch fühlt, das heisst, mit bekannten Navigationselementen operieren kann und nicht erst neue Verkehrsregeln lernen muss.
Neue Herausforderungen
für Webdesigner
Dass das Webdesign tendenziell stärker und häufiger als früher im Dienst der Benützerfreundlichkeit steht, bedeutet aber nicht, dass die Webdesigner sich nicht mehr kreativ entfalten können und zwangsläufig am kommerziellen Einheitsbrei ersticken müssen. Denn Benützerfreundlichkeit und schönes Design schliessen sich gegenseitig ja nicht aus. Schliesslich können auch strassenbahntaugliche Kleider schön designt sein.
Zudem geben neue Technologien immer wieder neue Impulse. Flash zum Beispiel bietet ganz neue Möglichkeiten, dynamische Prozesse mit Schnittstellen zu Datenbanken in die Websites einzubinden. Auch personalisierbare Sites, wachsende Bandbreiten und neue, kleinere Endgeräte stellten die Designer auch bisher ständig vor neue Herausforderungen.
Für Webdesigner mit hohen künstlerischen Ansprüchen mag es zudem ein Trost sein, dass es auch in Zukunft noch Websites geben wird, die mit unkonventioneller Gestaltung verblüffen und verwirren oder gar an der Nase herumführen. Dies gilt vor allem für Internetauftritte von Kunstinstitutionen und anderen Unternehmen mit künstlerischem Anspruch, aber auch für Markenwebsites und trendige Shops, bei denen Spass und Kundenbindung und nicht sachliche Information oder der rasche Verkaufsabschluss im Vordergrund stehen. Zumal doch auch der Spieltrieb der Funuser im Web befriedigt werden will.
Wenn in Mailand dürre Models in Kleidern, die an zerrupfte Regenschirme erinnern, über den Laufsteg staksen, feiert man die Modezaren für ihren Einfallsreichtum. Alltagstauglich sind ihre Kunstwerke aber kaum, dazu müssten sie eine Spur bequemer sein und beispielsweise die Benützung einer Strassenbahn erlauben.
Ähnlich verhält es sich mit dem Webdesign: An den Designwettbewerben gewinnen zumeist farbige, poppige Sites, die in vielen Fällen um des sexy Designs willen gestaltet wurden und aufzeigen, was man mit der heutigen Technologie denn so alles machen kann. Websites, die sich durch ein besonders übersichtliches Design und effiziente Benützerführung auszeichnen, sahnen an Designwettbewerben selten ab, nicht zuletzt deshalb, weil wohl niemand auf die Idee käme, zum Beispiel Amazon.com an einem solchen ins Rennen zu schicken.
Für kommerzielle Websites sind es nicht die Schönheitspreise, die zählen, sondern die Rentabilität des Internetauftritts. Untersuchungen zeigen, dass viele Konsumenten, kommen sie nicht sofort zum gewünschten Ziel, die Website verlassen und es bei der Konkurrenz versuchen. Mit jedem (unnötigen) Klick steigt die Chance, dass der Konsument die Website vorzeitig verlässt. Klick und tschüss.
Der Spagat zwischen Design und Benützerfreundlichkeit
«Designen Sie für die Leute und nicht für sich selbst.» So predigt Webguru Jakob Nielsen schon seit Jahren und fordert mehr Usability im Web. Etwas provokativ hebt er die äusserst spartanisch gestaltete Suchseite Google.com aufs Designpodest und schickt blinkblitzpopup.com auf die Strafbank.
Dass die stets angestrebte Unverwechselbarkeit nicht mehr auf Kosten der Benützerführung geschehen darf, wird immer mehr Websitebetreibern klar: Wildwestdesign, Navigationsmenüs nach dem Wundertütenprinzip, unpassende und Zeit raubende Flash-Filmchen wuchern auf den grossen Internetsites bereits spärlicher. Vor allem auf E-Commercesites, in Portalen, Suchdiensten, auf Newsseiten und vielen Corporate Sites sind Schlichtheit und Benutzerfreundlichkeit Trumpf, zumindest mehr als auch schon. «Unsere Kunden wollen oft gar nicht mehr das verrückteste Design, sondern setzen auf Bewährtes; dafür recherchieren sie auch selbst im Netz und bringen sogar eigene Vorschläge», erzählt Markus Hasler, Art Director
beim Zürcher Internetdienstleister Update AG.
Die Kundinnen und Kunden sind also mündiger geworden und lassen sich nicht mehr von gewissen Webagenturen über den Tisch ziehen, die in erster Linie cooles Design im Kopf haben, das vor allem die Designer befriedigt. Vielleicht liegt das auch daran, dass viele Entscheidungsträger inzwischen selbst Internetnutzer sind und sich schon über lange Ladezeiten oder Navigationsirrgärten geärgert haben.
Dennoch gibt es immer noch relativ wenig Firmen, welche die Benutzerfreundlichkeit ihrer Site so ernst nehmen, dass sie aufwändige Usabilitytests durchführen lassen. Viele begnügen sich mit heuristischen Tests: Spezialisten, die nicht direkt am Projekt beteiligt waren, prüfen eine Website nach bewährten Standards und suchen nach den offensichtlichsten Fehlern.
Nicht alles neu erfinden – auch Bewährtes zahlt sich aus
Labortests sind vielen Auftraggebern zu teuer oder zu zeitaufwändig. Bei solchen Tests muss eine Gruppe von Testpersonen aus der Zielgruppe der jeweiligen Site unter Beobachtung eines Testleiters (und einer Videokamera) bestimmte Aufgaben erfüllen, etwa ein bestimmtes Produkt bestellen. Wer es ganz raffiniert mag, kann auch mit Spezialbrillen (Eyemarkrecorder) die genauen Augenbewegungen der Testpersonen bei der Benützung der Website aufzeichnen lassen.
Grosse E-Commerce-Firmen wie Amazon nehmen die Nutzerforschung sehr ernst, wovon auch andere profitieren: Navigations- und Designelemente, die sich bei den Branchenleadern bewährt haben, werden kopiert. Schliesslich muss ja das Rad nicht für jede Website neu erfunden werden. So schätzt es das Gewohnheitstier Mensch unter Umständen, wenn es sich auch auf einer Website, die er zum ersten Mal besucht, gleich heimisch fühlt, das heisst, mit bekannten Navigationselementen operieren kann und nicht erst neue Verkehrsregeln lernen muss.
Neue Herausforderungen
für Webdesigner
Dass das Webdesign tendenziell stärker und häufiger als früher im Dienst der Benützerfreundlichkeit steht, bedeutet aber nicht, dass die Webdesigner sich nicht mehr kreativ entfalten können und zwangsläufig am kommerziellen Einheitsbrei ersticken müssen. Denn Benützerfreundlichkeit und schönes Design schliessen sich gegenseitig ja nicht aus. Schliesslich können auch strassenbahntaugliche Kleider schön designt sein.
Zudem geben neue Technologien immer wieder neue Impulse. Flash zum Beispiel bietet ganz neue Möglichkeiten, dynamische Prozesse mit Schnittstellen zu Datenbanken in die Websites einzubinden. Auch personalisierbare Sites, wachsende Bandbreiten und neue, kleinere Endgeräte stellten die Designer auch bisher ständig vor neue Herausforderungen.
Für Webdesigner mit hohen künstlerischen Ansprüchen mag es zudem ein Trost sein, dass es auch in Zukunft noch Websites geben wird, die mit unkonventioneller Gestaltung verblüffen und verwirren oder gar an der Nase herumführen. Dies gilt vor allem für Internetauftritte von Kunstinstitutionen und anderen Unternehmen mit künstlerischem Anspruch, aber auch für Markenwebsites und trendige Shops, bei denen Spass und Kundenbindung und nicht sachliche Information oder der rasche Verkaufsabschluss im Vordergrund stehen. Zumal doch auch der Spieltrieb der Funuser im Web befriedigt werden will.