«Printmedien profitieren vom Internetboom»
Professor Heinz Bonfadelli über die Zukunft der Schweizer Printmedien
Professor Heinz Bonfadelli über die Zukunft der Schweizer PrintmedienWer nur gerade die Auflagenzahlen eines Jahres anschaut, verliert schnell den Blick fürs Ganze. Im Interview mit der WerbeWoche stellt deshalb Heinz Bonfadelli, Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich, die aktuellen Zahlen in einen grösseren Zusammenhang.Welche Entwicklung nimmt die Presse über einen längeren Zeitraum gesehen?
Heinz Bonfadelli: Gemäss den Zahlen aus den USA und Deutschland ist bei den Leserzahlen ein Rückgang feststellbar, was in der Schweiz noch nicht so stark sichtbar ist. Am stärksten kommt dies bei den jüngeren Leuten zum Ausdruck. Die Gründe dafür sind der Informationsüberfluss und die zunehmende Mobilität, womit die lokale Integration nachlässt.
Handelt es sich um einen Rückgang oder um eine stärkere Segmentierung?
Bonfadelli: Beides. Der Trend geht weg von der Massen- zur Individualkommunikation. Zwar nehmen die Specialinteresttitel stark zu, die Publikumszeitschriften und Boulevardtitel verbuchen aber seit längerem Rückgänge. Ein anderer Trend: Die Titel unterliegen immer kürzeren Produktezyklen, sie müssen nach kurzer Zeit geliftet oder sogar neu positioniert werden. Auch entstehen und verschwinden einige schneller.
Im Inseratemarkt verliert Print an die elektronischen Medien. Ist das Ausmass des Verlustes gerechtfertigt gemessen an der Treue der Printnutzer?
Bonfadelli: 1997 hatte Print in der Schweiz noch einen Anteil von etwa 74 Prozent am gesamten Werbevolumen, in Europa liegt dieser Wert unter 60 Prozent. Der TV-Bereich dagegen lag damals in der Schweiz bei knapp 10 Prozent, in Europa jedoch über 30 Prozent. Da besteht bei uns noch ein Nachholbedarf. Allerdings wurde diese Entwicklung bisher zu optimistisch eingeschätzt, siehe TV 3 oder RTL/Pro7-Fenster. Aber die beiden Medien sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Mit TV-Werbung kann man wohl eine Marke oder ein Produkt positionieren, vertiefende Informationen kann man jedoch nur mit Print kommunizieren. Das wird oft zu wenig gesehen.
Welche Rolle spielt das Internet?
Bonfadelli: Längerfristig wird sicher ein Teil der Werbung ins Internet umgelagert. Oder anders gesagt: Man hat derzeit oft stagnierende Werbebudgets bei den klassischen Medien, weil mehr Geld in die interaktiven Plattformen gesteckt wird. Wobei ja noch unklar ist, wie effektiv Werbung auf dem Internet überhaupt ist. Kommt dazu, dass man auf Printwerbung zurückgreifen muss, wenn man eine Homepage bekannt machen will. Daher haben die Printmedien sogar vom Internetboom profitiert, was man ja nicht erwartet hat.
Warum läuft der Kioskverkauf harzig?
Bonfadelli: In der Deutschschweiz sind die Tageszeitungen – mit Ausnahme von Blick und Sonntagszeitungen – zu 70 bis 80 Prozent abonniert. Das nimmt noch zu, nicht zuletzt weil die Frühzustellung verbessert wurde. Mit den neuen Pendlerzeitungen könnte zudem zumindest im Grossraum Zürich manch einer auf den Gang zum Kiosk verzichten. Die Verlage sagen zwar das Gegenteil, aber ihre Zahlen nehme ich nicht zum vollen Nennwert.
Wie wird sich der Wechsel vom K1- auf den LpA-Wert (Leser pro Ausgabe) in der Wemf-Leserstudie auf das Image der Printmedien auswirken?
Bonfadelli: Als Mitglied der Wemf-Forschungskommission bin ich da natürlich etwas befangen. Aber sicher ist es notwendig, dass man auf eine härtere Währung umsteigt, weil es im TV-Bereich mit Telecontrol längst eine härtere Währung gibt. Andererseits sind die Verlage etwas verunsichert, weil sie nicht wissen, wie stark die Zahlen nach unten gehen. Kommt dazu, dass nicht alle Titel im gleichen Ausmass von den Rückgängen betroffen sein werden. Man hat ja schon immer gewusst, dass bei einem relativ weichen Wert wie dem K1-Wert Titel, die weniger bekannt sind oder seltener erscheinen, in der Erinnerung benachteiligt sind, andererseits bestimmte Prestigetitel auch profitieren. Interview: Markus Knöpfli
Heinz Bonfadelli: Gemäss den Zahlen aus den USA und Deutschland ist bei den Leserzahlen ein Rückgang feststellbar, was in der Schweiz noch nicht so stark sichtbar ist. Am stärksten kommt dies bei den jüngeren Leuten zum Ausdruck. Die Gründe dafür sind der Informationsüberfluss und die zunehmende Mobilität, womit die lokale Integration nachlässt.
Handelt es sich um einen Rückgang oder um eine stärkere Segmentierung?
Bonfadelli: Beides. Der Trend geht weg von der Massen- zur Individualkommunikation. Zwar nehmen die Specialinteresttitel stark zu, die Publikumszeitschriften und Boulevardtitel verbuchen aber seit längerem Rückgänge. Ein anderer Trend: Die Titel unterliegen immer kürzeren Produktezyklen, sie müssen nach kurzer Zeit geliftet oder sogar neu positioniert werden. Auch entstehen und verschwinden einige schneller.
Im Inseratemarkt verliert Print an die elektronischen Medien. Ist das Ausmass des Verlustes gerechtfertigt gemessen an der Treue der Printnutzer?
Bonfadelli: 1997 hatte Print in der Schweiz noch einen Anteil von etwa 74 Prozent am gesamten Werbevolumen, in Europa liegt dieser Wert unter 60 Prozent. Der TV-Bereich dagegen lag damals in der Schweiz bei knapp 10 Prozent, in Europa jedoch über 30 Prozent. Da besteht bei uns noch ein Nachholbedarf. Allerdings wurde diese Entwicklung bisher zu optimistisch eingeschätzt, siehe TV 3 oder RTL/Pro7-Fenster. Aber die beiden Medien sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Mit TV-Werbung kann man wohl eine Marke oder ein Produkt positionieren, vertiefende Informationen kann man jedoch nur mit Print kommunizieren. Das wird oft zu wenig gesehen.
Welche Rolle spielt das Internet?
Bonfadelli: Längerfristig wird sicher ein Teil der Werbung ins Internet umgelagert. Oder anders gesagt: Man hat derzeit oft stagnierende Werbebudgets bei den klassischen Medien, weil mehr Geld in die interaktiven Plattformen gesteckt wird. Wobei ja noch unklar ist, wie effektiv Werbung auf dem Internet überhaupt ist. Kommt dazu, dass man auf Printwerbung zurückgreifen muss, wenn man eine Homepage bekannt machen will. Daher haben die Printmedien sogar vom Internetboom profitiert, was man ja nicht erwartet hat.
Warum läuft der Kioskverkauf harzig?
Bonfadelli: In der Deutschschweiz sind die Tageszeitungen – mit Ausnahme von Blick und Sonntagszeitungen – zu 70 bis 80 Prozent abonniert. Das nimmt noch zu, nicht zuletzt weil die Frühzustellung verbessert wurde. Mit den neuen Pendlerzeitungen könnte zudem zumindest im Grossraum Zürich manch einer auf den Gang zum Kiosk verzichten. Die Verlage sagen zwar das Gegenteil, aber ihre Zahlen nehme ich nicht zum vollen Nennwert.
Wie wird sich der Wechsel vom K1- auf den LpA-Wert (Leser pro Ausgabe) in der Wemf-Leserstudie auf das Image der Printmedien auswirken?
Bonfadelli: Als Mitglied der Wemf-Forschungskommission bin ich da natürlich etwas befangen. Aber sicher ist es notwendig, dass man auf eine härtere Währung umsteigt, weil es im TV-Bereich mit Telecontrol längst eine härtere Währung gibt. Andererseits sind die Verlage etwas verunsichert, weil sie nicht wissen, wie stark die Zahlen nach unten gehen. Kommt dazu, dass nicht alle Titel im gleichen Ausmass von den Rückgängen betroffen sein werden. Man hat ja schon immer gewusst, dass bei einem relativ weichen Wert wie dem K1-Wert Titel, die weniger bekannt sind oder seltener erscheinen, in der Erinnerung benachteiligt sind, andererseits bestimmte Prestigetitel auch profitieren. Interview: Markus Knöpfli