«Mediaplanning im klassischen Sinne ist tot»

CRM Am Mittwoch, 11. Juni fand das Swiss CRM Forum in Zürich statt. Christoph Oggenfuss* sprach mit Keynoter Gerd Leonhard über die Zukunft des Marketings, den Einfluss der Digitalisierung und wie sich die Marketer optimal darauf einstellen können.
Gerd_Lennhard
Gerd Leonhard ist Futurist, Keynote-Speaker, Autor und CEO von The Future Agency.Die Rekordteilnehmerzahl am diesjährigen Swiss CRM Forum hat deutlich gemacht – CRM ist bei den Unternehmen wieder hoch im Kurs. Nicht wirklich erstaunlich wenn man bedenkt, dass auf Grund von Themen wie Konsolidierung, Margenverengung und Digitalisierung die Wettbewerbsintensität für alle Marktteilnehmer zunimmt. Wie sollen da die Erträge gehalten oder sogar gesteigert werden beziehungsweise wie soll die Profitabilität gesichert werden?CRM kann Teil der Antwort sein. Eine Sicht die auch von der aktuellsten internationalen CEO-Studie von Gartner bestätigt wird. Gerd Leonhard – der renommierte Futurist – ist jedoch nicht angetreten, um Rezepte zu geben. Vielmehr hat er über die Zukunft des Marketings und den Einfluss der künstlichen Intelligenz gesprochen.Chritoph Oggenfuss* traf Gerd Leonhard nach seiner Keynote und stellte ihm einige Fragen.Gerd Leonhard ist «always on» die Mantra für das Marketing der Zukunft?LEONHARD «Always on wird so selbstverständlich wie das Fliessen von Wasser oder Strom in unserem Umfeld. Eine wichtige Präzisierung ist aber zu machen. «Always on» heisst jederzeit «können» aber nicht jederzeit «müssen». Diese Wahlfreiheit bleibt uns noch erhalten – wenn auch nicht in beliebigem Umfang. Sich von der Online-Welt frei zu sagen bedeutet auch zunehmend sich selbst gesellschaftlich auszugrenzen.»Die digitale Technik schleicht sich unauffällig in unser Leben ein. Interessant dabei ist, dass die Amerikaner (geprägt durch das Silicon Valley) mit einem anders geprägten Mindset als die Europäer unterwegs sind: Ihrer Wahrnehmung nach gibt es für jede eine technische Antwort. Gerd Leonhard erlebt diesbezüglich die Europäer menschenzentrierter und damit weniger absolutistisch technikgläubig und meint das sei auch gut so.Wo schlägt die disruptive Kraft von «digital» im Marketing vor allem zu?LEONHARD «Mediaplanning im klassischen Sinne ist tot. Die digitale Effizienz und Kraft entsteht im Zusammenspiel der verschiedenen Elemente. Von Online zu Offline, von Pull zu Push etc. Nachdem die Musik- und Verlagsindustrie durch die Digitalisierung brutal hart getroffen wurden steht auch dem (klassischen) Marketing ein Tal der Tränen bevor. Natürlich ist zu hoffen, dass sich das Marketing nicht so kalt erwischen lässt wie die beiden erwähnten Branchen.»Welches sind die Überlebensfähigkeiten der Marketer der kommenden Jahre?LEONHARD «Aus meiner Sicht sind als Erstes die organisatorisch-funktionalen Silos in den Unternehmen aufzubrechen. Ich spreche hier zum Beispiel von Kommunikation, Marketing, IT. Das Denken in Industrien muss ersetzt werden durch ein Denken in Argumenten. Mehr «Foresight» praktizieren, d.h. dem Kunden immer ein bis zwei Schritte voraus sein – antizipieren können.»Zudem ist dem Trendexperten wichtig, dass die anstehende Komplexität besser gehandhabt wird – er spricht dabei von «pattern recognition÷. Auch ein Gespür für das Finden attraktiver Nischen erachtet Leonhard als vital.Als internationaler Experte bitte ich Sie den schweizerischen Marketeers drei wichtige Dinge für die nahe Zukunft zuzurufen.LEONHARD – «Pflegt den kollektiven (schweizerischen) Gedanken weiter aber bringt ihn in die Balance mit dem individuellen Benefit!»(Öko- & Ego-System) – «Geht im Interesse der Sache Konflikte ein!» (Konstruktive Streitkultur) -«Die neuen Antworten sind in unserer fragmentierten Welt weder mit Ja/Nein noch mit Rezepten zu geben. Viel häufiger wird die Antwort sein: „It depends“ – es kommt darauf an. Also sucht nicht Rezepte sondern passende Antworten. Geht Risiken ein und arbeitet mehr prototyping-mässig.»Ganz nach dem Motto: done is better than perfect.

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