Kleingeld bitte in den Müll

Publicis will mit einer Guerillakampagne das Zahlungssystem Cash populär machen

Publicis will mit einer Guerillakampagne das Zahlungssystem Cash populär machenVon Luca AloisiFünf Jahre ist das elektronische Zahlungssystem Cash schon alt. Trotz hoher Dichte der EC-Karten leidet das System an mangelnder Akzeptanz und Bekanntheit. Mit der Expo.02 und einer kapillar gestreuten Publicis-Kampagne soll sich das nun ändern.
Ursprünglich sollte Cash – ein Produkt der Schweizer Banken und der Schweizerischen Post, das von Europay vermarktet wird – als exklusives Expo-Zahlungsmittel eingesetzt werden. Doch dann wurde die geplante Monopolstellung, die eine ultimative Marktdurchdringung für das bargeldlose Bezahlen ohne PIN-Code hätte sein können, wieder fallen gelassen.
Dem Kurswechsel der Organisatoren hatte sich die kommunikative Begleitung anzupassen, sagt David Jäger, Projektleiter bei Europay. So wie sich die Ausgangslage präsentierte, musste der Kleinste unter den 12 offiziellen Expo.02-Partnern sein relativ bescheidenes Budget umso effizienter einsetzen, um im medialen Expo-Hype aufzufallen und um die quantitativen wie qualitativen Ziele zu erreichen.
Jäger verschweigt denn auch nicht, dass die nachhaltige Etablierung im Markt bargeldloser Zahlungsmittel von vielen Faktoren abhängt und dass der Positionierungsauftritt mit der Expo als Kommunikationsplattform für Cash fast existenziell ist. «Dieses ist ein sehr massgebendes halbes Jahr im Lebenszyklus des Zahlungsmittels», verdeutlicht Jäger. Nach «nicht sehr befriedigenden» ersten Jahren befinde sich Cash noch in der Entwicklungsphase, weshalb man jetzt auf einen nachhaltigen Effekt hofft. Mit einer auffälligen Guerillakampagne allein sei es nicht getan. Zur Erklärung des Zahlungsmittels ist deshalb nebst der Basiskampagne, Information, Partneraktivitäten und PR auch ein dominanter personeller Auftritt vor Ort unabdingbar.
Eine «werbefreie» Expo.02 erfordert spezielle Kampagnen
Beim Pitch um die Kommunikationsmassnahmen der Strategie «Cash – das Zahlungsmittel an der Expo.02» setzte sich der bisherige Etathalter Publicis durch. CD Markus Gut spricht aber nicht von einer Kampagne. «Für uns ist das eine Aktion, eine Bewegung», die er entsprechend wahrgenommen sehen möchte. «Wir fordern die Schweizer zur Münzentsorgung auf», fasst er die humorvolle Werbeidee zusammen.
Diese Dramatisierung drängte sich auf, weil Kleingeld auf dem Expo-Gelände überflüssig ist. So einfach die Botschaft auch ist, so direkt wird sie transportiert. Das Schwergewicht des Budgets rollt in die Guerillaaktionen. Diese werden mit dem restlichen Etat über die klassischen Werbemittel Plakat und Inserate verstärkt. Weil die Werbeflächen unüblich sind, erreicht der stringent umgesetzte Aufruf trotz relativ günstiger Mittel eine hohe Streuung und Visibility.
Kleber und Wildplakate werden auf Abfalleimern, Containern, Baumulden, Brunnen und Kanaldeckeln angebracht. Um den Stopp- und Reminder-Effekt zu steigern, scheut sich Europay selbst vor Platzierungen nicht, die die Legalitätsgrenze «neu ausloten»: mit «Münzentsorgungs»-Baumulden an zentralen Stellen oder mit Cash-verzierten Brückengeländern an der «werbefreien» Expo.02 – um nur zwei Beispiele zu nennen. Gegen allfällige Klagen habe man sich gefeit und eine Werbekriegskasse bereit gestellt, gibt der Auftraggeber unumwunden zu.
Push-and-pull-Methode soll den Markt ankurbeln
Laut sollte der Cash-Auftritt sein. Denn: Die Diskrepanz zwischen der hohen Inhaberdichte und der tiefen Akzeptanz begründet Marketingleiter Jäger mit dem – national betrachtet – noch dünnen Cash-Stellen-Netz. Zwar sind mehr als 3,8 Millionen Karten mit dem Cash-Chip in der Schweiz im Umlauf. Doch erst zehn Prozent der Inhaber nutzen sie, und eher selten. Gleichwohl gibt man sich zuversichtlich: «Auch die EC-Karte brauchte lange, bis sie sich durchgesetzt hat», sagt Jäger. Ob der Vergleich berechtigt ist, sei dahin gestellt, denn in den vergangenen Jahren hat sich mit der Technologisierung auch die Produktwahrnehmung beschleunigt. Die relativ tiefe Wahrnehmung und das hohe Marktpotenzial des Zahlungsmittels bleiben deshalb augenfällig.
Nicht allein marketingspezifische Probleme dürften den Durchbruch bisher verzögert haben: Den hohen Aufrüstungskosten, den Gebühren sowie der Kommision für die Vertragspartner stehen die bescheidenen Kaufbeträge gegenüber, die mit Cash-Geräten abgewickelt werden. Die Frage, ob sich die Investition gemessen am potenziellen Volumen lohnt, hängt letztlich vom Konsumentenverhalten ab.
Mit der Ansprache der geschätzten drei Millionen elektronisch Zahlenden an der Expo.02 soll nicht nur deren Verständnis erhöht werden. Übergeordnet geht es darum, die Skepsis auf Konsumenten- und auf Händlerseite abzubauen und neue Kunden für weitere Akzeptanzstellen zu gewinnen. Dazu verfolgt Europay eine gezielte regionale Entwicklungsstrategie mit Push-and-pull-Charakter. Als symbolisches Ziel sieht Jäger ein ausgebautes Netz, dank dem die Zusatzfunktion auf den Post- und EC/Maestrocards zwei- bis viermal täglich eingesetzt würde.
Europay peilt 40 Prozent bargeldlose Transaktionen an
Vorerst weist die breit angelegte Kampagne das erwünschte Audience-Ausmass auf: An allen möglichen und unmöglichen Stellen machen blaue Kleber auf die Kleingeldentsorgung und deren Grund aufmerksam. Ob auf die ausgefallene Expo.02-Cash-Kampagne ein Nachfragesog bei den Endkonsumenten folgt, bleibt abzuwarten. Angepeilt sind 40 Prozent bargeldlose Transaktionen. Wie gross hiervon der Cash-Anteil sein soll, will Europay aber nicht bekannt geben.
Immerhin: Selbst ein moderater Entwicklungsschub würde für die bisher flache Trendkurve einen positiven Durchbruch bedeuten. Schon heute steht fest, so Berater Christian Siegrist, dass auf die Expo-Aktion eine Imagekampagne folgen wird, die die gleiche neue optische Welt aufnimmt. An Stelle der bisherigen Farbe Rot und der Dramatisierung des Chips kommt neu Blau mit hellen Ellipsenlinien zum Zug, mit denen die Wertigkeit materieller Zahlungsmittel nachempfunden wird. Verstärkt wird diese Positionierung mit dem ebenso neuen Claim «Pay the easy way».

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