Kaufverhalten: Corona und Klimaerwärmung befeuern den Wertewandel

Seit Beginn des ersten Lockdowns wurden im Privat-, Arbeits- und Wirtschaftsleben auf verschiedenen Ebenen die Weichen neu gestellt, was sich bis heute auf das Konsumverhalten auswirkt. Doch nicht nur Corona, sondern auch Themen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit spielen zunehmend eine Rolle im Kundenbewusstsein.

Cocooning: Das Zuhause als neuer Lebensmittelpunkt

Die Lockdown-bedingte Einschränkung des öffentlichen Lebens durch geschlossene Gastronomie, Freizeitbetriebe und auch Geschäfte führte gezwungenermassen dazu, dass das Zuhause zum neuen Alltagsmittelpunkt wurde. Viele Haushalte nutzten jetzt die Gelegenheit, das Wohnumfeld zu renovieren und zugleich mit Neuanschaffungen aufzuwerten. Das Marktforschungsinstitut Growth for Knowledge (GfK) ermittelte in einer Erhebung, dass beispielsweise in der Schweiz Anbieter von Elektronikartikeln und Haushaltsgeräten ein Plus von 2,6 Prozent verzeichnen konnten.

Besonders der Onlinehandel wurde durch die Entwicklungen gestärkt. Ein wichtiger Faktor dafür war auch die Kurzarbeit. Die betroffenen Beschäftigten hatten häufig mehr Zeit und mangels verfügbarer Kauf- und Freizeitmöglichkeiten auch das entsprechende Geld, um sich ausgiebig dem Online-Shopping zu widmen.

Manche Branchen, wie die Bau- und Gartenmarktbranche, mussten nach einem guten Geschäftsjahr dann im ersten Halbjahr 2021 zwar aufgrund der vielerorts verregneten Witterung und der aktuellen Material-Lieferengpässe auch wieder Umsatzeinbussen hinnehmen. Allerdings gehen Brancheninsider davon aus, dass sich der Trend, sich auf das private Umfeld zu konzentrieren, langfristig halten wird. Sie gehen von einem «Jahrzehnt des Zuhauses» aus. Als einer der Faktoren für diese Prognose wird unter anderem das durch die Pandemie entstandene allgemeine Unbehagen in öffentlichen Räumen angeführt.

New Normal: Fusion von Arbeitswelt und Wohnbereich

Eine weitere Begleiterscheinung der Pandemiezeit ist die Entstehung von Homeoffice-Arbeitsplätzen. Gingen viele Arbeitnehmer zunächst noch davon aus, in Kürze an ihren externen Büroplatz zurückzukehren, zeigte sich für viele Beschäftigte im Pandemieverlauf, dass eine baldige Rückkehr in immer weitere Ferne rückte. Entsprechend wuchs die Nachfrage, den zunächst provisorisch gestalteten Heimarbeitsplatz dann doch professioneller aufzurüsten.

Einhergehend stieg die Nachfrage nach Laptops und Headsets sowie Büroausstattung allgemein. Von dieser Entwicklung profitierten keineswegs nur Grosshändler, sondern auch kleine Marktnischen. So verzeichneten beispielsweise auch Anbieter für Fenster-Beschattungssysteme deutlich gestiegene Verkaufszahlen. Laut Online-Händlern wie zum Beispiel Livoneo waren vor allem Verdunkelungsvorhänge sehr gefragt, da sich die im Haushalt befindlichen lichtdurchlässigen Vorhänge oftmals als unzureichend erwiesen, um Fenster und Heimarbeitsplatz ausreichend vor Licht und Sonnenwärme zu schützen.

Auch wenn sich künftig nicht alle Arbeitnehmer mit dem Lebensmodell anfreunden werden, von Hause aus zu arbeiten: Heimarbeitsplätze und die damit verbundene Verschmelzung von Arbeiten und Wohnen werden sich dauerhaft etablieren. Das liegt nicht allein an der technischen Machbarkeit – wie beispielsweise der Umsetzung von Online-Teamsitzungen oder dem digitalen Austausch von Arbeitsmaterialien. In vielen Unternehmen haben sich zudem die ursprünglichen Vorbehalte gegen Telearbeit gelegt. Die Firmen konnten zuletzt vor allem auch konkrete praktische Erfahrungswerte sammeln.

Aber auch für Berufstätige ist es attraktiv, zumindest teilweise im Homeoffice zu arbeiten, da lange Arbeitswege entfallen und die Freizeit bereits dann beginnt, sobald der Computer ausgeschaltet ist. Berufliches und Privates lässt sich vielfach besser vereinbaren.

Langlebigkeit immer mehr im Fokus von Konsumenten und Politik

Das steigende Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist ein weiterer gesellschaftlicher Trend, der sich allerdings nicht ursächlich auf die Coronazeit zurückführen lässt, sondern auf das steigende Interesse für Umweltschutzthemen.

So vollzieht sich im Denken der Konsumenten zunehmend ein Wertewandel. Orientierten sich Kunden in den Industrieländern zu Beginn des 21. Jahrhunderts vornehmlich nach dem günstigsten Preis eines Produkts, erhöhte die verstärkte Medienberichterstattung über konsumbedingte Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung in den vergangenen Jahren die Sensibilität. So zählt, neben der Pandemie-Krise, das Thema Klimawandel aktuell zu den grössten Sorgen der Schweizer Bevölkerung und 40 Prozent der Schweizer erwarten mittlerweile ein verantwortungsvolleres Handeln von Unternehmen.

Auch auf politischer Ebene wird verstärkt in eine umweltfreundliche Richtung gesteuert. So macht zum Beispiel die Europäische Union mit der neuen Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) den Herstellern ihrer 27 Mitgliedsstaaten seit März 2020 strikte Vorgaben, um den überbordenden Verschleiss von Elektrogeräten und die einhergehende Ressourcenverschwendung und Müllproduktion einzudämmen. Anders in den letzten Jahrzehnten müssen Geräte seit diesem Jahr reparierbar sein und Produzenten entsprechend Ersatzteile auf Lager bereithalten.

Ecology 2.0: Bio und Regionalität auf dem Vormarsch

Das zunehmende Nachhaltigkeitsdenken rückt zwangsläufig auch Aspekte der Ökologie in den Mittelpunkt. Vor allem in der Pandemiezeit wurden vermehrt Biolebensmittel gekauft. Ein wesentlicher Grund sind die Gastronomie-Schliessungen, die zunächst dazu führten, dass zu Hause mehr gekocht wurde, was sich in dem generell hohen Anstieg von Lebensmittelkäufen zeigte. Gleichzeitig wurde auch auf mehr Qualität geachtet. Bedingt durch geringere Ausgaben in Geschäften oder für Freizeitaktivitäten stand vielen Haushalten zudem mehr Budget zur Verfügung, um sich kostenintensivere Bioprodukte leisten zu können. Allein in Deutschland wurde ein Rekordumsatz von fast 15 Milliarden Euro mit einem Wachstumsplus von 20 Prozent erzielt.

Allerdings zeigten sich europaweit auch schon vor Corona Zuwächse für Ökoprodukte ab. Nach Angaben vom deutschen Bund Ökologische Lebensmittwirtschaft (BÖLW) war Dänemark mit 12,1 Prozent Bio-Anteilen am Lebensmittelmarkt im Jahr 2019 Spitzenreiter, gefolgt von der Schweiz auf dem zweiten Platz mit 10,4 Prozent und Österreich als Drittplatzierung mit 9,3 Prozent. Faktoren wie Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Regionalität, artgerechte Tierhaltung, faire Arbeitsbedingungen, aber auch einfach eine gesündere Lebensweise spielten hier bereits eine Rolle für viele Verbraucher.

Interessant ist ein Blick auf die Zielgruppen. Laut einer Statista-Umfrage von 2020 legten rund 42,7 Prozent der Generation Y in Deutschland, die die Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen umfasst, beim Lebensmittelkauf grossen Wert auf Bio-Siegel. Bei den 14- bis 24-Jährigen, der Generation Z, achtete immerhin ein Drittel auf ökologische Gütekriterien.

Entsprechend erwartungsvoll blickt die Biobranche nun auf die jüngeren Generationen. Denn sie wachsen zum einen schon mit einem stetig wachsenden Angebot an Bioprodukten in Supermärkten auf und werden nicht zuletzt von Hause aus schon auf Nachhaltigkeitsthemen geprägt.

Für das Marketing bedeutet diese Generation Z zugleich eine Anpassung der Werbestrategie. So hat Fernsehen oder Kino in dieser Altersgruppe kaum noch eine Bedeutung. Auch der Einfluss von Influencern und Prominenten hält sich im Rahmen. Das aktuell grösste Potenzial  bieten soziale Medien, um jüngere Zielgruppen zu erreichen.

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