Exklusiv: «Wenn wir nicht an eine Steigerung glauben würden, könnten wir es auch bleiben lassen»

In einem neuen Werbespot schickt Schweiz Tourismus Roger Federer und Trevor Noah auf eine unfreiwillige Panorama-Tour durch die Alpen - und beschert ihnen damit «The Ride of a Lifetime». Werbewoche.ch hat exklusiv mit Schweiz-Tourismus-CMO André Hefti und Wirz-Co-CEO Livio Dainese über die Dreharbeiten gesprochen.

Werbewoche.ch: André Hefti, Livio Dainese, wann sind Sie das letzte Mal in den «falschen» Zug gestiegen? Und, direkte Anschlussfrage: War’s dann trotzdem eine schöne Reise – oder haben Sie sich geärgert? 

Livio Dainese: Allerdings habe ich mich geärgert! Ich bin auf dem Weg zu einem Pitch in den falschen Zug gestiegen, weil – ähnlich wie im Film – das Hirn auf einem anderen Gleis war. 

André Hefti: Zum Glück passiert mir sowas ganz sicher nie. Niemals. (lacht) Bei uns sitzt man nie im falschen Zug, es ist immer Inspiration, Arbeitszeit oder Entspannung. Irgendwie kommt man meist ans Ziel. Verlässlicher als der Strassenverkehr ist es allemal. 

 

Ich frage natürlich deshalb, weil ein «falscher» Zug als Aufhänger Ihres neuen Schweiz Tourismus-Spots  dient. Selbiger ist seit Donnerstagmittag live – nachdem ein Teaser auf Social Media und ein Filmplakat zu Beginn der Woche bereits für Aufmerksamkeit und Spekulationen gesorgt haben. Sind Sie mit dem Feedback, das Sie bisher erhalten, zufrieden? 

LD: Ja, sehr. Gewürdigt wird nebst Idee und Storytelling insbesondere die schauspielerische Leistung von Roger. Wer weiss, vielleicht ist da eine Zweitkarriere am Entstehen.

AH: Die ersten Rückmeldungen sind fantastisch. Es ist schön, wie sich eine ganze Branche und Freunde des Reiselandes Schweiz mit uns über die neue Episode in der «ST x Roger»-Saga freuen. Wir sind zuversichtlich, hier weitere Fans gewinnen zu können. 

 

Können Sie mir ein bisschen mehr zum Entstehungsprozess der Spot-Idee erzählen? Wir wissen bereits: Wenn Roger Federer für die Schweiz werben will, geht meistens etwas – humorvoll – schief. Das war mit Robert De Niro so, wie auch mit Anne Hathaway. Wie sind Sie auf den Gedanken gekommen, dass es diesmal eine unfreiwillige Panorama-Zugreise mit Trevor Noah geben soll? 

AH: Im Mittelpunkt der Kampagne steht die «Grand Train Tour of Switzerland». Sie soll den internationalen Gästen Lust machen, die Vielfalt der Schweiz mit dem Zug zu entdecken. Die Schweiz: traumhaft schön, abwechslungsreich, komfortabel und charmant.

LD: Es musste also etwas gefunden werden, das die Vorzüge dieser wunderbaren Reise herausstreicht. Und zwar so, dass man es sich gerne und freiwillig anschaut. Und dann im besten Fall auch teilt. Und das weltweit. Und bitte erfolgreich. Wir fanden die Idee spannend, dass sich zwei Weltstars ohne Manager, ohne Assistenten, ohne Portemonnaie, ohne alles in einen Zug setzen und sich auf die Situation einlassen müssen. Und ja, leider wird es auch diesmal nichts mit einem Werbefilm von Roger. Er schafft es nicht einmal ans Set.

Auch, wenn Ihr Spot in der Schweiz garantiert für Aufsehen sorgt – im Netz, insbesondere auf YouTube, ist Ihre Konkurrenz international. Jede Plattform gibt es «nur einmal für alle» … also müssen Sie sich immer gegen globale Competition durchsetzen, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen zu erhalten. Wie schaffen Sie das? 

LD: Genau. Unsere Konkurrenz sind die grossen, globalen Players. Mit den entsprechenden Budgets. Wir versuchen, mit der Kraft der Idee, der kompromisslosen Umsetzung, dem Fokus auf ein herausragendes Kommunikationsprodukt und einem cleveren Mediaplan unsere Wirkung zu verstärken. Das ist uns bisher ganz gut gelungen.

AH: Unsere Reichweite in der Schweiz ist geschenkt. Unsere Zielgruppe ist in «ferrophilen» ausländischen Märkten. Internationale Gästegruppen, die eine Zugreise machen möchten. Und da nehmen wir es gerne mit anderen Reisedestinationen auf. 

Die Kombination aus Roger Federer und Trevor Noah ist nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Sympathie, die beide füreinander hegen, perfekt für den Spot. Ausserdem sind beide zur Hälfte Schweizer, zur Hälfte Südafrikaner. Wie haben Sie die Zusammenarbeit empfunden? War das für die Beteiligten überhaupt «Arbeit» … oder hatten da einfach zwei Freunde einen lustigen Tag? 

AH: Die Zusammenarbeit hat sehr viel Spass gemacht. Das ist mittlerweile fast eine Grundvoraussetzung, um solche Projekte durchführen zu können. Die Stimmung im Vorfeld war wirklich grossartig. Roger, Trevor und Tom (Hooper, Regisseur des Spots, Anm. d. Red.) waren sehr engagiert und haben in allen Phasen ihre Ideen eingebracht. Diese positive Energie hat alle getragen, sodass die Stars bis Drehschluss spät am Abend noch voll abgeliefert haben.

LD: Die vielen Absprachen im Vorfeld via Videocall waren ein Highlight für sich. Wir haben viel gelacht, weil unter anderem Trevor auch in Realität wirklich lustig ist. Der Produktionstag in der Schweiz war dann hingegen viel und sehr konzentrierte Arbeit. Allerdings in einer guten Stimmung, mittlerweile kennen sich die meisten ja sehr gut. 

 

Bei den Dreharbeiten am Zürcher Hauptbahnhof im Januar durfte ich zufälligerweise einen Blick auf die «Action» erhaschen (Werbewoche.ch berichtete). Können Sie mir aus Ihrer Perspektive schildern, was es braucht, um einen solchen Dreh mit zwei Weltstars an einem der belebtesten Orte der Schweiz zu organisieren? Logistisch – und in Sachen Sicherheit – scheint das eine enorme Challenge zu sein. 

LD: Es braucht vor allem starke Nerven. Wenn man am HB in Zürich einen Filmdreh macht, der selber einen Filmdreh darstellen soll, dann ist die potenzielle Verwirrung riesig: Ist das da eine Security oder eine Schauspielerin, die eine Security spielt? Sind das Zuschauer:innen, die für den Dreh gecastet wurden, oder echte Passant:innen? Ist das der Typ von der Werbewoche oder ein Schaulustiger mit einem Smartphone? 

AH: Ganz ehrlich – die Herausforderung, mit dem Golden Pass Express im HB zu drehen, war grösser, als mit Roger und Trevor klarzukommen. Einen Zug extra nach Zürich zu verschieben, die Dreherlaubnis zu erhalten, Sicherheitsvorschriften einzuhalten, Zeitpläne zu respektieren, et cetera … da half es schon enorm, dass Roger und Trevor ganz entspannt blieben und viel Spass hatten.

Vor den Dreharbeiten im SBB-Depot: Schweiz Tourismus-CMO André Hefti (links) und Wirz-Co-CEO Livio Dainese. (Bild: zVg.)

Sprechen wir noch über die «harten Fakten»: Die Spots bringen Ihnen eine Menge «Earned Media» – ist das Ihr wichtigster KPI?

AH: Das Hauptziel der Kampagne ist, möglichst viele internationale Gäste für das Reiseland Schweiz und die Möglichkeit, diese mit dem Zug zu bereisen, zu begeistern. «Top-of-mind» bei der relevanten Zielgruppe zu sein. Wir messen also Markenbekanntheit und Werbewirkung. Je mehr organisch bewirkt wird, desto effektiver ist die Kampagne. Organischen Impact bekommt man aber nicht geschenkt. Jedes Detail zählt.

 

Sie verfolgen einen cleveren Approach, wenn es um die Arbeit mit dem YouTube-Algorithmus geht: Sie lotsen Zuschauer:innen auf die Plattform, um dort Zugriffe zu generieren, was wiederum vom YouTube-Algorithmus belohnt wird … und noch mehr Reichweite bringt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich dieses Vorgehen bewährt, oder? 

AH: Niemand kennt den Algorithmus im Detail. Dazu kommt, dass dieser sich ständig verändert. Wir identifizieren aber Indikatoren, testen und adjustieren fortlaufend. Dabei haben wir in den vergangen zwei Jahren einiges gelernt. Darauf versuchen wir aufzubauen und jedes Mal ein bisschen besser zu werden. So viel Aufwand für die Mediaplanung wie dieses Jahr haben wir noch nie betrieben. Wir sind gespannt, ob es funktioniert. 

 

Normalerweise agieren Produktionsteams bei Werbespots eher im Hintergrund – diesmal haben Sie mit Tom Hooper allerdings einen Oscar-Preisträger als Regisseur engagiert. Wie hat sich das auf die Arbeit an dem Film ausgewirkt?

LD: Tom ist kompromisslos, was Storytelling und Acting angeht. Das hat meiner Meinung nach den grossen Unterschied gemacht. Ausserdem ist er ein sehr feiner Mensch, der sich diesem Projekt bis in die letzte Sekunde voll gewidmet hat. Aussergewöhnlich. Grosses Kino.

 

Mit jeder Kampagne, die Sie veröffentlichen, legen Sie die Messlatte für sich selbst, für Schweiz Tourismus und für Wirz höher. Gibt es überhaupt noch eine Steigerung zu dem Spot, den Sie jetzt präsentiert haben? 

AH: Schon nach der ersten Kampagne mit Robert De Niro dachten wir: Besser geht’s nicht. Dann haben wir mit Anne Hathaway noch einen drauf gesetzt. Jetzt sind wir zuversichtlich, dass wir das erneut toppen können. Wenn wir nicht an eine Steigerung glauben würden, könnten wir es auch bleiben lassen. Stehen bleiben ist nicht unser Ding.

LD: Da sind wir beide glaub ähnlich ambitioniert. Drum: Ja, klar. 


 Livio Dainese ist Co-CEO und Mitinhaber der Wirz Group, die für die Kreation der Schweiz Tourismus-Werbung verantwortlich zeichnet. Er wurde 2018 als Schweizer «Werber des Jahres» ausgezeichnet. André Hefti ist Chief Marketing Officer und Mitglied des Management Board von Schweiz Tourismus. Er wurde 2023 – wenige Tage vor dem Launch des im Interview thematisierten Werbespots – zum amtierenden «Werber des Jahres» gekürt.

Weitere Artikel zum Thema