Brasiliens Werber im Awardregen

Am Festival Mundial de Publicidade in Brasilien gingen die US-Werber für einmal leer aus

Am Festival Mundial de Publicidade in Brasilien gingen die US-Werber für einmal leer ausVon Stefan Hofmann* Vom 13. bis 16. Juni ging im brasilianischen Gramado das 13. Festival Mundial de Publicidade über die Bühne. Es findet im Zweijahresrhythmus statt und gilt als wichtigster Event der Kommunikationsbranche im lateinamerikanischen Sprachraum.
Erstaunlich ist der provinziell anmutende Austragungsort, weitab von den grossen Ballungszentren und Werbehochburgen São Paulo, Rio de Janeiro und Brasilia. Gramado liegt in Rio Grande do Sul, dem südlichsten Staat Brasiliens, auf einer Hochebene, zwei Stunden von Porto Alegre entfernt. Wenngleich brasilianische Werber grössere Distanzen gewohnt sind – für eine Präsentation fliegt man hier schnell mal drei bis vier Stunden –, scheint die recht komplizierte Anreise zum Festival doch etwas auf die Besucherzahlen zu drücken.
Luiz Coronel, Präsident der durchführenden Organisation Latin American Association of Advertising Agencies (ALAP), zeigt sich jedoch mit den 3500 Besuchern aus 30 Ländern zufrieden, insbesondere angesichts der derzeit über Brasilien verhängten Stromrationierung. Ausser beim Marktleader für Energiesparlampen, der seinen Umsatz in Brasilien innerhalb von drei Wochen um rund zehn Millionen Reais (9,5 Millionen Franken) oder 35 Prozent steigern konnte, wirkt sich nämlich die Massnahme insgesamt dämpfend auf die Wirtschaft und damit auch auf die Reisebereitschaft aus.
Zum Gramado-Festival waren Arbeiten in portugiesischer, spanischer und englischer Sprache zugelassen. Eingereicht wurden heuer insgesamt 1768 Kampagnen von 179 Agenturen aus 12 meist südamerikanischen Ländern. Die Abstinenz der übrigen führenden Werbeländer erklärt sich mit einer Terminkollision: Das Gramado-Festival, es ist vorwiegend im lateinamerikanischen Sprachraum von Bedeutung, wurde kurz vor dem Cannes-Festival durchgeführt.
Im eigenen Kontinent räumen die Brasilianer Awards ab
Trotz der unbestrittenen Dominanz der Fernsehwerbung im lateinamerikanischen Medienmix sind lediglich 476 TV-Spots eingereicht worden – ihnen stehen 708 Anzeigenkampagnen gegenüber. Markant tiefer liegen die Einreichungen bei den Grafischen Publikationen mit 260, den Radiospots mit 191 und der Aussenwerbung mit 141 Arbeiten.
Ganz im Gegensatz zum provinziellen Veranstaltungsort war die Festivaljury international besetzt. Nebst Persönlichkeiten aus den Mitgliedstaaten der ALAP wurden Kommunikationsspezialisten aus Europa, den USA und aus Asien in die Jury bestellt.
Die Stellung als eines der führenden Länder für kreative Werbung, die Brasilien bei internationalen Wettbewerben wie New York, Cannes oder London im Laufe der letzten Jahre regelmässig einnimmt, bestätigte sich auch am Gramado-Festival. So gingen 19 von 27 Gold-Awards, 28 von 47 Silber-Awards und 33 von 57 Bronze-Awards sowie 4 von 5 Grands Prix an brasilianische Agenturen. Auch der Sonderpreis für das bestgenutzte Medium ging für eine Aussenwerbekampagne an Brasilien. Den Amazonas-Sonderpreis für die beste Ökokampagne holte sich dagegen eine Agentur aus Portugal. Argentinien belegte im Länder-Ranking nach Brasilien den zweiten Platz, gefolgt von Portugal, Uruguay, Mexiko, Kolumbien, Japan und Moçambique. Kuba, die USA und Ecuador gingen leer aus.
Das Gewicht, das TV-Werbung in südamerikanischen Ländern, vor allem aber in Brasilien besitzt, zeigte sich auch in der Qualität der Arbeiten. Während wirklich herausragende Kampagnen in den meisten Kategorien eher dünn gesät waren, lag das Niveau bei den TV-Spots aus Brasilien deutlich höher.
Gut belegt waren die als Rahmenveranstaltungen des Festivals geführten Themenevents und Workshops. In seiner Show «The design and control of digital communication» plädierte der englische Werbefilmer und Digital-Designer Tony Kaye für einen ganzheitlicheren und differenzierteren Umgang mit elektronischen Medien in Bezug auf die Wertvorstellungen der Anwender.
Luis Bassat, Präsident von Ogilvy & Mather, Spanien, und Luis Augusto Cama, Vizepräsident von Ogilvy & Mather, São Paulo, zeigten und analysierten die erfolgreichsten TV-Spots der letzten Jahre.
Im Umfeld des Festivals lud die Latin American Association of Advertising Agencies Vertreter aus Politik und Kommunikation zu einem Businesslunch, der den Gedankenaustausch zu Themen der kommerziellen Kommunikation bot. In diesem Rahmen unterhielten sich Paulo Renato de Souza, der brasilianische Minister für Bildung, und der Autor dieser Zeilen über allfällige Möglichkeiten zum Austausch von jungen Berufsleuten zwischen der Schweiz und Brasilien im Sinne von Stages und vereinbarten ein weiteres Gespräch zum gegebenen Zeitpunkt.
*Stefan Hofmann war bis vor kurzem Client Service Director von BDWHS, Baden, und ASW-Präsident. Er wirkte am Festival Mundial de Publicidade in Gramado als Mitglied der TV-Jury.
Top Twenties Mit einem Grand Prix, 3 Gold-, 2 Silber- und 4 Bronze-Awards war Carillo Pastore EURO RSCG (Brasilien) beste Agentur. Unter den Top Twenties platzierten sich zudem Click (Brasilien), Savaglio TBWA (Argentinien), Master (Brasilien), Upper (Brasilien), DZP (Brasilien), McCann-Erickson (Portugal), Doctor Propaganda (Brasilien), Competence + MKT (Brasilien), ADN (Uruguay), Martins + Andrade (Brasilien), V&S (Brasilien), McCann-Erickson (Argentinien), Comunicação Carioca (Brasilien), Pejota (Brasilien), Escala + MKT (Brasilien), Edson, Augusto, Handler, Costa (Brasilien), Strat (Portugal), Clemente Camara (Mexiko), Sancho BBDO (Kolumbien).

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