«Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass KI alles kann»
Die Expertin für Digitale Ethik, Cornelia Diethelm, warnt vor dem «Mensch-Maschinen»-Vergleich. Künstliche Intelligenz könne uns bei gewissen Arbeiten einfach unterstützen und entlasten, sei aber keine Wunderwaffe. Auch die Angst, dass uns die KI dereinst ersetzen wird, teilt die Digital-Spezialistin nicht.
Künstliche Intelligenz ist nicht nur in Zeitungsartikeln, TV- und Online-Berichten allgegenwärtig, die KI ist auch in der Medien- und Kommunikationsbranche angekommen. Die Fachfrau für Digitale Ethik, Cornelia Diethelm, wird am Forum für die Schweizer Print- und Medienindustrie «Power Pur» in Schlieren genau zu diesem Thema referieren. In ihrem Vortrag wird Diethelm mit Missverständnissen aufräumen und die erfolgreichsten Strategien zur Integration von KI verraten.
Heute sehen wir vor allem, was mit der Künstlichen Intelligenz technologisch alles möglich sein könnte. Es gibt immer mehr Pilotversuche und Tools, die mithilfe von smarten Technologien einmal unser aller Leben vereinfachen sollen. Erst aber mit einer zeitlichen Verzögerung zeigt sich, wo man diese Möglichkeiten sinnvoll einsetzen kann. Als Beispiel nennt die Studiengangsleiterin des CAS «Digital Ethics» an der HWZ die Chatbots – Computerprogramme, die menschliche Konversationen in schriftlicher oder mündlicher Form simulieren und verarbeiten können. Die meisten dieser Technologien sind aber noch nicht alltagstauglich.
«Obwohl die Technologie da ist, hat es nicht dazu geführt, dass alle Firmen Chatbots einsetzen», sagt die Expertin. Man hat das Gefühl, dass die KI heute überall ihre digitalen Finger im Spiel hat. Dies stimmt laut Diethelm aber nicht, weil solche Systeme doch viel komplizierter als jeweils gedacht sind. «Man muss bei jedem Projekt individuell schauen, ob und wie gut eine KI-Implementation tatsächlich funktioniert.» Eine solche Einführung sei immer «mit ganz viel Arbeit» verbunden, damit es am Ende des Tages überhaupt richtig funktioniert.
Zuerst das Bedürfnis ausloten
Als Beispiel für Körperschaften, die tatsächlich intelligente Chatbots einsetzen, nennt die 51-Jährige das Versicherungsunternehmen Helvetia oder die eidgenössische Stiftungsaufsicht. «Wie bei jeder Implementierung von KI muss stehts das Bedürfnis ausgelotet werden.» Nur weil es eine faszinierende Technologie gebe, heisse das nicht, dass die Algorithmen auch wirklich überall Sinn machten und sich am Ende das Tages auch rechnen würden.
Wenn die Kund:innen unzufriedener sind, wenn sie von einem schlechten Chatbot bedient werden, dann mache eine solche Einführung keinen Sinn. Auch die Kosten gilt es im Auge zu behalten. «Oft wird auch die Komplexität eines Projekts unterschätzt», sagt die Geschäftsleiterin des Centers for Digital Responsibility. Als Beispiel können hier die selbstfahrenden Autos genannt werden. Wir alle warten noch bis die Technologie besser wird. «Das autonome Fahren ist viel komplexer als man ursprünglich gedacht hat.»
Damit will Diethelm nicht sagen, dass man mit einem KI-Projekt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten sollte. Man müsse sich einfach überlegen, was wirklich Sinn mache. «Hier ist im Vorfeld jeweils viel Denkarbeit nötig.»
Calm down
Wird sich vieles was die KI betrifft gar nie erfüllen in Zukunft, wollen wir von der Unternehmerin wissen? Sind gewisse Kreise und die Medien hier also einfach am Übertreiben? «Gewisse Schlagzeilen sollen Interesse wecken und die Leute aufrütteln», so gehe es oft einfach nur um Klicks beim Thema Künstliche Intelligenz. Gewisse Personen seien zudem sehr alarmistisch unterwegs. Dabei handle es sich aber um eine Minderheit.
«Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass KI alles kann.» Momentan dominiere die generative KI das Parkett, was nur einem kleinen Teil entspreche, der unsere Arbeitsplätze beziehungsweise unsere Leben tatsächlich ausmache. Die Künstliche Intelligenz, welche Texte, Bilder, Videos und andere Daten generiert, sei zwar toll. Ein professioneller lokaler Anbieter wolle aber nicht Sujets aus den USA, sondern brauche Fotografien aus der Region, was die Künstliche Intelligenz noch nicht liefern könne. «Nur dass es möglich ist, Fotos zu generieren heisst nicht, dass nun alle KI-Bilder machen werden in Zukunft.»
Bitte keine «Mensch-Maschinen»-Vergleiche!
Künstliche Intelligenz wird vielleicht vor allem auch durch Leute und Expert:innen mit einem eher technologischen Verständnis so krass gehypt. Dabei handelt es sich bei KI aber «nur» um Methoden, die auf Mathematik und Statistik basieren. Und das ist laut Diethelm nicht identisch mit dem täglichen Sein. «Unser Leben besteht nicht nur aus Berechnungen und Wahrscheinlichkeiten.»
Der «Mensch-Maschinen»-Vergleich werde immer öfter gemacht, dabei kümmere sich die KI wirklich nur um ganz spezifische und einzelne Tätigkeiten. Logisch könne die Künstliche Intelligenz besser rechnen als wir Menschen, «das heisst aber nicht, dass das System intelligenter ist».
Der Algorithmus könne uns entlasten und unterstützen: «KI ist aber keine Wunderwaffe und macht uns auch nicht obsolet.» Ein Chatbot müsse von einem Menschen eingerichtet und dann immer wieder kontrolliert werden, ob die Qualität der Ergebnisse stimmt. «Vor allem müssen wir Menschen sehr oft auch Lösungen finden, welche Chatbots nicht abdecken können», sagt die Aargauerin gegenüber der Werbewoche.
Der Mensch muss zum rechten schauen
Bei der KI handle es sich nicht um Systeme, die von alleine laufen würden. «Dafür braucht es weiterhin Menschen bzw. hochstehende Expertise von Menschen.» Das Problem sei, dass wir aktuell zu sehr von der Maschine ausgehen und diese zu fest ins Zentrum stellen würden.
Die Künstliche Intelligenz bezeichnet die Expertin für Digitale Ethik als «Mittel zum Zwecke», wie ein Hammer, der uns Hilft einen Nagel einzuschlagen. Doch, auch wenn wir heute zuhause alle viele praktische Geräte hätten, müsse am Schluss immer noch der Mensch die Haushaltsaufgaben verrichten.
Cornelia Diethelm rät, dass Unternehmen in Sachen KI anfangen sollten in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zu investieren. Ein Konzeptwissen, was Künstliche Intelligenz ist (und was nicht) sollte schon in den Schulen vermittelt werden. «Wenn man versteht wie KI funktioniert, kann man besser beurteilen, wo der Algorithmus eine gute Leistung erbringen kann und wo nicht.»
Eine interne Ausbildung mache das Unternehmen unabhängiger. «So besteht weniger die Gefahr, dass ein Anbieter Ihnen das Blaue vom Himmel verspricht.» Um KI-Angebote zu evaluieren, brauche es nur ein gewisses Basiswissen. «KI ist wirklich keine Hexerei!»
«Power Pur» – das Forum für die Schweizer Print- und Medienindustrie
Digital-Expertin Cornelia Diethelm wird am 23. Mai am Event «Power Pur» Ihren Vortrag halten. In der ehemaligen NZZ-Druckerei, dem «JED Events» in Schlieren, werden unter anderem auch Kolumnist Kurt Zimmermann, KI-Pionier Chris Beyeler, Diversity-Expertin Esther-Mirjam de Boer oder der Fussballschiedsrichter Urs Meier Insights bieten. Das übergeordnete Thema der halbtägigen Veranstaltung ist «Reshaping Print & Media»: Konkret geht es um «Talente von heute und Technologien von Morgen». Im Fokus an der Tagung stehen dabei der Fachkräftemangel durch fehlende Diversität und die Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz.