Werbung in Medien als Statement?
Die Weltwoche wird als rechtes Magazin, die WOZ als linkes Blatt wahrgenommen. Geben Marken also ein politisches Statement ab, wenn sie dort Werbung schalten?
Früher waren die Zeitungen in der Schweiz politisch positioniert. Erst mit der Zeit kamen immer mehr so- genannte unabhängige Presseerzeugnisse. Dies, weil mehr und mehr die Reichweite eine Rolle spielte. Heute versuchen die Mainstream-Medien möglichst alle Menschen zu erreichen – egal, ob sie eher rechts oder links stehen. Eine politische Stossrichtung ist bei der Wochenzeitung WOZ oder der Weltwoche des SVP-Nationalrats Roger Köppel zu erkennen. Unter den einschlägigen Pressetiteln gibt es heute aber kein Blatt, das parteipolitisch ausgerichtet wäre. «Das ginge nicht, weil das kommerziell nicht erfolgreich sein könnte, weil die Kundenbasis zu schmal wäre», sagt der Medienjournalist Rainer Stadler.
«Es gibt Blätter mit einem expliziten weltanschaulichen Generalbass, wie etwa die NZZ oder Die Weltwoche.» Bei den Tamedia-Titeln und den Zeitungen von CH-Media ist die Ausrichtung laut Stadler diffuser. Aber mit Blick auf die Auswahl, Bearbeitung und Kommentierung der Themen und Ereignisse könne man schon weiterhin Tendenzen erkennen: «Der Tages-Anzeiger ist links von der Mitte, die SonntagsZeitung rechts davon.» Ziemlich links-orthodox sei Die Wochenzeitung unterwegs, die aber auch nicht parteipolitisch gebunden sei. Wie der Ex-NZZ-Mann weiter festhält, ist es aber schon so, dass die Zeitungsangebote hierzulande auf die Art und Weise gemacht sein müssen, dass sie über alle politischen Lager hinweg ankommen.
Sozi schreibt für Die Weltwoche
Welches Medium welche politische Couleur aufweist, ist aber gar nicht so einfach. SVP-Nationalrat Roger Köppel bestreitet gegenüber m&k, dass sein Wochenmagazin eine politisch rechte Ausrichtung hat: «Das würde ja bedeuten, dass wir nur Artikel bringen, die politisch rechts einzuordnen sind.» Und das stimmt tatsächlich nicht, wenn man beispielsweise an den früheren SP-Präsidenten Peter Bodenmann denkt, der seit vielen Jahren für Die Weltwoche schreibt. «Es gibt keine politische Generallinie, der unsere Autoren gehorchen müssen», so Verleger und Chefredaktor Köppel weiter. «Alles, was interessant ist, ist erlaubt.»
Auch der Basler Zeitung unter der Ägide von Markus Somm sagte man nach, dass sie einen rechten Einschlag gehabt habe. «Somms publizistische Haltung lebt im Lokalteil heute noch weiter, soweit ich das von Zürich aus mitbekomme», sagt dazu Rainer Stadler. Markus Somm winkt aber wie Roger Köppel ab. Das habe man ihm immer wieder unterstellt, das stimme aber nicht: «Wir waren bei der BaZ politisch recht breit aufgestellt.»
Im März startet Somm mit dem neuen Nebelspalter, den er Ende 2020 übernommen hat (Werbewoche.ch berichtete). Zuerst werde die digitale Plattform neu lanciert, dann werde man sich um das Printmagazin kümmern. Die Idee des Chefredaktors in spe ist ein ganz neues Profil der Traditionsmarke: «Wir wer- den nicht nur Satire bringen, sondern vor allem auch News, Recherche und Information.» Die neue Schweizer Newsplattform werde eine klare Positionierung Mitte-rechts haben.
Digitale Medien mit einem klaren Profil hätten heute gute Karten, sagt Markus Somm. Das sehe man vor allem auch in den USA. Der heutige SonntagsZeitung-Kolumnist zählt als Beispiele die digitalen US-Medien Huffington Post, Daily Wire oder Politico auf. «Auch bei der New York Times gibt es für die Leserschaft keine Überraschungen. Man weiss eigentlich von jedem Autor, was man von ihm erwarten darf.» Markus Kramer, Managing Partner bei Brand Affairs, sieht die Gefahr, dass Private oder Institutionen in der Schweiz sich mehr und mehr Medientitel kaufen und dann Einfluss darauf nehmen, was publiziert wird und was nicht. «Dieser Verlust von Objektivität in den Medien könnte hierzulande schleichend mehr und mehr Realität werden.»
«Es gibt keine politische Generallinie, der unsere Autoren gehorchen müssen» – Roger Köppel
Das richtige Zielpublikum
Die politische Stossrichtung einer Zeitung beziehungsweise. eines News-Portals spielt der Werbeindustrie heute offenbar keine Rolle mehr. «Guter Journalismus soll wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Themen hinterfragen und kritisch beleuchten», sagt Nathalie Diethelm, Havas-CEO.
Die Weltwoche als Beispiel funktioniere bewusst über «Gegenpositionen» und breche gerne die Mainstream-Denkhaltung der sonst eher Mitte- links angesiedelten Medienlandschaft. WOZ und Republik auf der anderen Seite führten bewusst eine eher linke Sichtweise ins Feld, während die grossen Titel eine «balanciertere Darstellung» anstrebten. Diethelms Fazit: «Ein Patentrezept gibt es nicht – politisch exponierte Titel haben aber meiner Meinung nach weiterhin eine Berechtigung und beleben definitiv die Medienlandschaft.»
Den Kunden von Havas spielt es mehrheitlich keine Rolle, ob sie in einem linken oder rechten Medium ihr Zielpublikum finden. «Es gibt relativ wenige Kunden, die hier klare Präferenzen äussern», so Diethelm. Die Berührungsangst mit Konsumentenmagazinen sei ausgeprägter. Die Mediaagentur plane für ihre Kunden nicht den einen oder den anderen Titel. In erster Linie richte man sich an die entsprechende Zielgruppe, an den Endkonsumenten. Auch sieht Nathalie Diethelm keine Gefahr, dass eine Marke selber politisch wahrgenommen werden könnte, wenn sie sich in einem bestimmten Medium präsentiert. «Solange es kein reines ‹Parteiblatt› ist – was in meinen Augen weder die WOZ noch Die Weltwoche sind –, erachte ich einen Markenauftritt in einem etwas politisch gefärbten Titel als unproblematisch», so die Havas- Chefin weiter.
Dass die WOZ eine linke Zeitung sei, sei kein Geheimnis, sagt Camille Roseau, die bei der Wochenzeitung für Marketing und Werbung verantwortlich ist. «Dies ist aber sicher ein treibendes Momentum für unsere Arbeiten, neben einem hohen Anspruch an die journalistische Qualität unserer Zeitung.» Zentral sei, dass die WOZ unabhängig von Parteien, Verbänden und Mäzeninnen und Mäzenen sei. «Die WOZ ist dabei nie parteiisch, aber durchaus parteilich: Sie nimmt Partei, wo sie dies für nötig hält, gegenüber allen politischen Programmen bleibt sie skeptisch», führt Roseau aus.
Kunden verhalten sich politisch neutral
«Produkte-Interesse und daraus resultierende Käufe sind nicht von einer Parteizugehörigkeit gesteuert», sagt Benjamin Moser, Schweiz-Chef von MediaCom. In den allermeisten Fällen würden sich seine Kunden auch politisch neutral halten, sofern sie nicht augenscheinlich politische Zwecke verfolgten, wie beispielsweise eine Partei. «Zur Findung der richtigen Zielgruppe verwenden wir deutlich effektivere Daten bezüglich der Konsumenten, die neben demografischen Daten auch auf Einstellung, Interessen etc. basieren.» Eine Abgrenzung nach politischen Lagern wäre laut Moser kontraproduktiv.
«Kunden wollen nicht in extremen Umfeldern, wie zum Beispiel bei Breitbart, auftauchen.» – Benjamin Moser
Nahezu alle Kunden der Mediaagentur würden aber sehr grossen Wert darauf legen, nicht in extremen Umfeldern, wie zum Beispiel bei Breitbart, aufzutauchen. Vereinzelt gebe es kundenseitig aber durchaus Präferenzen zu einzelnen Zeitungen. «Hier sollten wir jedoch zwischen der Präferenz der werbetreibenden Marke und der des Entscheiders auf Kundenseite differenzieren», führt Benjamin Moser aus. «Nachdem letzten Endes immer eine Person über die Umfelder final entscheidet, kann hier schon ein persönlicher Entscheidungs-Bias vorhanden sein, auch wenn dieser nicht im Interesse der Marke ist.»