Sechs Monate mehr sind zu viel

Presse Anderthalb Jahre warten auf neue Auflagezahlen ist manchem Verlag zu lang. Die Wemf lässt darum zwischenbeglaubigen. Wer profitiert?

Presse Anderthalb Jahre warten auf neue Auflagezahlen ist manchem Verlag zu lang. Die Wemf lässt darum zwischenbeglaubigen. Wer profitiert?Freuen darf sich, wer sich im April gute Auflagezahlen beglaubigen lassen konnte: Sie sind für einmal ganze 18 statt 12 Monate gültig. Mit der Einführung eines neuen Reglements für das Beglaubigungsverfahren verschiebt die Wemf die Publikation der Ergebnisse ab 2005 in den Oktober.Da 2004 aber kein Glanzjahr für die Schweizer Presse war, dürfte sich die Freude über die sechs Bonusmonate in Grenzen halten. Auf Anregung von Verlegern ermöglicht es die Wemf nun, in einer Zwischenbeglaubigung schon diesen Oktober aktualisierte Zahlen vorzulegen.
An der Zwischenrunde nehmen rund 60 Titel teil, wie die Projektleiterin der Wemf, Christel Plöger, erklärt. Angesichts der 2200 regulären Teilnehmer scheinen das wenige. Allerdings kommt diese hohe Zahl durch Kleinsttitel wie Vereinsblätter zu Stande, die nicht wegen der Werbung, sondern als Voraussetzung für verbilligte Posttaxen beglaubigen lassen. Dennoch steht die Frage im Raum: Haben sich nur jene Titel für aktuelle Zahlen entschieden, die etwas zu gewinnen haben?
«Wir nehmen selbstverständlich teil», sagt Rolf Bollmann, CEO von 20 Minuten. Mit der Lancierung der Luzerner Ausgabe Anfang Juni gehört die Pendlerzeitung garantiert zu den Gewinnern. Doch Bollmann würde auch teilnehmen, wenn die Auflage nach unten ginge: «Bei der Beglaubigung ist es wichtig, korrekt vorzugehen.»
Tobias Trevisan, Verlagsleiter von NZZ und NZZ am Sonntag, lässt beide Titel zwischenbeglaubigen. Dies, obwohl die NZZ tiefere Zahlen ausweisen wird. «Es geht um die Glaubwürdigkeit», betont Tobias Trevisan: «Wir bekennen uns dazu, der Werbewirtschaft aktuelle Zahlen zur Verfügung zu stellen – in guten wie in schlechten Zeiten.» Sämtliche Titel angemeldet hat auch die Tamedia. Man habe diesen Beschluss gefasst, weil anderthalb Jahre ohne neue Zahlen einfach zu lang seien; so der Leiter Zeitungen, Jürg Brauchli: «Eigentlich ist der gewöhnliche Einjahresrhythmus schon lang.» Ob die Tamedia-Blätter zugelegt oder verloren hätten, spiele dabei keine Rolle.
Derselbe Grundsatzentscheid fiel auch im Haus Ringier. «Unsere Marktpartner verlangen nach möglichst neuen Zahlen», weiss Zeitungschef Bernhard Weissberg. Eine Ausnahme macht allerdings der Blick: Weil die «Doppio»-Versuchsphase mit zwei verschiedenen Formaten das Resultat verfälschen würde, verzichtet das Boulevardblatt auf die Zwischenbeglaubigung. Die Blick-Auflage sei zudem stabil, versichert Weissberg.
Kaum verändert hat sich auch die Auflage der HandelsZeitung. Deshalb habe man die ursprüngliche Anmeldung wieder rückgängig gemacht, erklärt Verleger Ralph Büchi. Damit handelt er im Sinn der Wemf: Die Zwischenbeglaubigung solle den Verlagen Gelegenheit geben, wesentlich veränderte Zahlen schon zur diesjährigen Tarifrunde präsentieren zu können, hält Christel Plöger fest. Einige Teilnehmer hätten das offenbar nicht genau verstanden. Die Wemf weise diese darauf hin, so Plöger, hindere aber niemanden, mitzumachen.
Verstanden hat die Espace Media Groupe. Sie lässt weder Berner Zeitung noch Bund beglaubigen. Dies, obwohl man mit beiden Titeln im Ziel sei, erklärt Verlagsleiterin Franziska von Weissenfluh. Doch weil sich die Auflagen nicht drastisch verändern würden, wären die Aufwendungen zu hoch.
Verzichten müssen Medienbeobachter im kommenden Herbst auch auf aktuelle Zahlen der Weltwoche aus der Post-Köppel-Ära. Die Jean Frey AG habe sich gegen eine Zwischenbeglaubigung ihrer Titel entschieden, weil sie keine dynamische Entwicklung erwarte, so Peter Kümmerli. Zudem binde eine Teilnahme Mittel und Ressourcen: «Diese Energie stecken wir lieber in echtes Marketing nach vorne.»
Für Titel mit steigenden Zahlen lohnt sich die Zwischenbeglaubigung.
Stefano Monachesi

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