Post schnürt Paket gegen die AZO

Distribution Vier Monate war es still um die Alternative Zustellorganisation der Grossverlage. Jetzt jedoch zwingt ein Manöver der Post die AZO-Projektmacher, aus der Reserve zu kommen.

Distribution Vier Monate war es still um die Alternative Zustellorganisation der Grossverlage. Jetzt jedoch zwingt ein Manöver der Post die AZO-Projektmacher, aus der Reserve zu kommen.
Am 21. Dezember 2004 erteilten die Spitzen von NZZ, Tamedia, Ringier, Südostschweiz und Valora einem Ausschuss den Auftrag, in Konkurrenz zur Post per 2006 eine eigene Alternative Zustellorganisation (AZO) für Zeitschriften auf die Beine zu stellen. Denn gemäss Machbarkeitsstudie würde die AZO in der Lage sein, an zwei Tagen pro Woche sämtliche Haushalte der Deutschschweiz zu bedienen – zu einem Tarif, der mindestens 10 Prozent unter den heutigen Posttaxen liegt. Doch die Auftraggeber verordneten auch einen Informationsstopp. In den letzten vier Monaten war deshalb fast nichts mehr von der AZO zu hören – bis letzte Woche: Innerhalb weniger Tage wurde das Projekt in den Hauszeitungen von Ringier und der St. Galler Tagblatt Medien sowie im Newsletter des Verbands Schweizer Presse (VSP) breit thematisiert. Der Hintergrund der Aktion dürfte sein, dass der AZO-Ausschuss zeigen will, dass sein Projekt nicht eingeschlafen ist. Zudem demonstriert er den Verlagen und der Schweizerischen Post weiterhin Entschlossenheit, eine Alternative zu realisieren. Denn auch die Post blieb nicht untätig, sondern reagierte auf den AZO-Auftrag, indem sie begann, die Verleger mit Zückerchen zu ködern.
Sie tat dies bisher auf zwei Ebenen: Zum einen lockt sie mit Tarifsenkungen, andererseits bietet sie den Verlagen mit grossauflagigen Zeitungen und Frühzustellorganisationen Kooperationen an. Mit beiden Massnahmen bringt sie diese in eine Sandwichposition zwischen AZO und Post, zudem sät sie Zwietracht.
Das aktuellste Beispiel: Die Post ist bereit, ihren Tarif für Zeitschriften und Zeitungen leicht zu senken. Sie tut dies, indem sie von allen Preiskomponenten das kleinste Element, den so genannten Tarifzuschlag, per 1. Juli 2005 halbieren will. Einen entsprechenden Antrag hat sie an die Aufsichtsbehörde UVEK gestellt. Dieser Zuschlag gilt für Periodikas, deren Versandformat grösser ist als B5, und er beträgt zurzeit je nach Gewicht des Produktes 1 bis 5 Rappen pro Exemplar. Bei einer durchschnittlichen Tageszeitung macht dies maximal 8 Prozent des Gesamttarifs aus, bei Zeitschriften weniger. Dass diese Tarifsenkung die Verleger dennoch freut, ist klar, käme sie doch fast allen ihren Periodikas zugute.
Angebote an VerlageAuf der Kooperationsebene bietet die Post den Verlagen offenbar an, den Frühzustellorganisationen das Leeren von Postbriefkästen und andere Dienstleistungen zu übertragen, zudem zeigt sie sich interessiert, bei temporären Engpässen Personal der Frühzusteller «auszuleihen» (Bodyleasing). Derzeit laufen entsprechende Gespräche.
Beides stellt eine Attacke gegen die AZO dar. Denn durch jede Tarifsenkung der Post verliert das AZO-Angebot an Attraktivität. Erst recht, wenn die Post den Verlagen auch noch Zusatzeinnahmen anbietet. Kommt dazu, dass dieselben Frühzusteller, mit denen die Post neuerdings kooperieren will, schon früher vom AZO-Ausschuss aufgefordert worden waren, beim Alternativprojekt mitzuwirken und eine Offerte einzureichen.
Es verwundert deshalb nicht, dass die AZO wieder einmal Präsenz markierte. Dies umso mehr, als der Beitrag im VSP-Newsletter den Eindruck vermittelt, dass der Verband die AZO als Druckmittel für tiefere Posttarife verwendet. VSP-Jurist Hanspeter Kellermüller schrieb dort, dass sich die Verleger nach der Halbierung des Formatzuschlags noch «weitere freiwillige Tarifsenkungen» erwarten, da das AZO-Projekt ja gezeigt habe, «dass die Kosten bei der Post deutlich überhöht sind, was sich auch auf die Zeitungsdistribution auswirkt.»
Bei der Post zeigt man sich allerdings unbeeindruckt. «Wir planen keine weiteren Tarifreduktionen, auch hat die Halbierung des Formatzuschlags keinen Zusammenhang mit AZO, sondern mit der im Sommer 2004 eingeführten neuen Zeitungslogistik», sagt Post-Sprecher Dario Ballanti.
Erstaunlich ist, dass der VSP nun beginnt, die AZO für seine Politik zu instrumentalisieren, hatte er doch bisher immer betont – selbst im erwähnten Newsletter – dass die AZO «eine rein private Initiative» sei. Das nährt die Vermutung, dass die AZO den Verlagen doch nur als Druckmittel dient. AZO-Sprecher Walter Lütolf stellt dies in Abrede, den Eindruck kann er jedoch nachvollziehen, zumal Post-Chef Ulrich Gygi von den involvierten Verlegern detailliert informiert wurde, wie die AZO kalkuliert und wo Einsparungspotenzial besteht.
Vorstösse der Post einkalkuliertAm Auftrag, die AZO auf die Beine zu stellen, habe sich dadurch aber nichts geändert. «Indirekt gibt die Post mit ihrem Antrag ja zu, dass Kosten reduziert werden können und damit ein gewisser Spielraum für Preissenkungen entsteht», freut sich Lütolf. Aber er warnt davor, dem Gelben Riesen bloss zu drohen, ohne die AZO realisieren zu wollen. «Letztlich kann nur Wettbewerb zur Entwicklung beitragen.» Durch die neusten Vorstösse der Post sei die AZO jedenfalls nicht gefährdet. «Solche Dinge haben wir einkalkuliert. Auch haben wir mittlerweile viele interessierte Logistikanbieter, so dass sich die AZO auf jeden Fall aufbauen liesse», sagt er.
Dennoch kann Lütolf nicht viel Konkretes zum Stand des Projektes sagen. Hat er etwa die für die AZO so wichtigen Auflagenriesen Coop-Zeitung, Migros-Magazin, die TCS-Zeitung Touring oder die Schweizer Illustrierte an Bord? «Gespräche mit diesen Titeln kommen gut voran», sagt Lütolf bloss. Tatsächlich zeigt sich Coop-Sprecher Felix Wehrli «interessiert an einer Lösung, die die hohen Kosten für die Verteilung von 2,2 Millionen Coop-Zeitungen reduziert». Das scheint aber alles zu sein. Auch Marius Hagger, Leiter Redaktionen und Verlage Migros-Medien, hat noch keine Zusagen gemacht, sondern «erwartet erst mal eine Offerte der AZO».
Das zeigt genau das Dilemma des Projekts: Solange keine Kunden zusagen, kann die AZO den Logistikanbietern keine definitiven Preise angeben – und umgekehrt. Lütolf lässt denn auch durchblicken, dass die Zeit zu drängen beginnt. «Im Spätsommer» müsse die AZO wieder vor das Auftraggebergremium, bis dahin müssen Kunden und Logistikanbieter feststehen, «sonst hören wir auf zu arbeiten», sagt er. «Oder jemand anderer als wir gleist das Projekt auf, eventuell ohne Verlage und deren Frühzusteller.»
Postverteilzentrum: Wie viele Zeitungen inskünftig von hier aus versandt werden, steht in den Sternen.
Markus Knöpfli

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