Europarat will missbräuchliche Verfolgung von Medien bekämpfen
Der Europarat hat am Freitag seine 46 Mitgliedstaaten aufgefordert, Journalist:innen besser gegen missbräuchliche Verfolgung zu schützen. Laut einer Studie der ZHAW sind solche Klagen in der Schweiz eher selten, haben aber eine abschreckende Wirkung auf investigativen Journalismus.
Das Ministerkomitee fordert dazu auf, «umfassende und wirksame Strategien zur Bekämpfung von Strafverfolgungswahn zu entwickeln», hiess es in einer Mitteilung.
Diese sind definiert als Klagen oder Klagedrohungen mit dem Ziel, Journalisten zu belästigen oder einzuschüchtern, und die darauf abzielen, «die freie Meinungsäusserung zu Themen von öffentlichem Interesse zu verhindern, zu behindern, einzuschränken oder zu bestrafen». Solche Klagen können von grossen Unternehmen, wohlhabenden Einzelpersonen oder sogar Regierungsorganen gegen Journalist:innen oder andere kritische Beobachtende des öffentlichen Lebens geführt werden.
Um die Identifizierung von Musterklagen zu erleichtern, enthält die Empfehlung eine nicht abschliessende Liste von zehn Indikatoren, darunter «die Ausnutzung eines Machtungleichgewichts, die vollständige oder teilweise Unbegründetheit der vom Kläger vorgebrachten Argumente, die Unverhältnismässigkeit, Übermässigkeit oder Unzumutbarkeit der geforderten Wiedergutmachung und die Anwendung von Verzögerungstaktiken».
Antragsteller tragen Kosten
Der Europarat, der die Menschenrechte in Europa überwacht, ermutigt seine Mitgliedsstaaten dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um diese Art von Verfahren schnell zu bearbeiten und Verzögerungstaktiken zu vermeiden. Er möchte auch, dass die Klagenden im Falle eines Musterverfahrens «alle Gerichtskosten des Verfahrens tragen, einschliesslich aller Kosten, die dem Beklagten durch die Vertretung vor Gericht entstehen».
Die Empfehlung fordert die Staaten weiter auf, Massnahmen zur „Unterstützung der Zielpersonen und Opfer sowie die Einführung von Bildungs-, Ausbildungs- und Aufklärungsprogrammen“ einzuführen.
Das Europäische Parlament verabschiedete im Februar Regeln, die Journalisten und Rechtsverteidiger vor Strafverfolgung schützen sollen.
Diese missbräuchlichen Gerichtsverfahren – bekannt unter dem englischen Akronym Slapp für «Strategic Lawsuits Against Public Participation» – fanden ein dramatisches Beispiel in der Ermordung der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017. Sie war zum Zeitpunkt ihres Todes bei einem Autobombenanschlag Ziel von mehr als 40 Verfolgungen.
In Frankreich wurden der Milliardär Vincent Bolloré und sein Konzern, die mit Verfahren gegen Journalist:innen oder Medien vertraut sind, bereits in mehreren Fällen wegen „missbräuchlicher Verfahren“ verurteilt.
Schweiz weist nur wenige Fälle auf
Das Phänomen wurde in der Schweiz von der ZHAW im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation Bakom untersucht. Laut den Anfang dieses Jahres veröffentlichten Zahlen ist das Phänomen in der Schweiz im Vergleich zum Ausland recht begrenzt. Von den 142 Chefredakteur:innen, die einen Online-Fragebogen beantworteten, gaben nur elf an, in den letzten drei Jahren insgesamt 24 missbräuchliche Beschwerden erhalten zu haben.
Den Autoren zufolge besteht die Gefahr, dass diese Verfahren – oder die Androhung solcher Massnahmen – zu einer Art Selbstzensur in den Redaktionen führen. Die meisten der befragten Rechtsexperten sind jedoch der Ansicht, dass die bestehenden Gesetze ausreichen und keine zusätzlichen Regelungen erforderlich sind. (SDA)