Des Surfers Geld, das lieb ich sehr

Ringier Nach erfolgter Konsolidierung der Internetangebote denkt man auch bei Ringier darüber nach, reales Geld mit virtuellen Diensten zu verdienen.

Ringier Nach erfolgter Konsolidierung der Internetangebote denkt man auch bei Ringier darüber nach, reales Geld mit virtuellen Diensten zu verdienen.Gute Stimmung bei Verlegern von Zeitungen und Zeitschriften muss man heutzutage suchen. Eine der wenigen Ausnahmen bildet derzeit das grösste Medienhaus der Schweiz. Daran liessen die zufriedenen Gesichter des Ringier-Kaders am traditionellen Herbstmediengespräch keine Zweifel. «Im Vergleich mit anderen Verlagshäusern schneiden wir ganz klar besser ab», verkündete Michael Ringier selbstbewusst. Trotz anhaltend unfreundlichen Klimas im Jahre 2003 werde es gelingen, Umsatz und Gewinn auf Vorjahresniveau (1033,3 Millionen Franken Umsatz, 39,2 Millionen Franken Gewinn) zu halten. Bemerkenswerte Aussichten angesichts des schwierigen Umfeldes, in dem es nach wie vor auch in den Lesermärkten nichts zu beschönigen gibt. Laut CEO Martin Werfeli standen die Auflagen sowohl von Blick als auch SonntagsBlick im laufenden Jahr «leicht unter Druck».
Der Hauptgrund, weshalb das Medienhaus Ringier trotzdem gut über die Runden kommt, sei der konsequente Sparkurs, der bereits 2001, früher als bei anderen Unternehmen, eingesetzt habe, erklärte Ringier. Auch 2003 seien erneut gegen 30 Millionen Franken Kosten gespart worden, vorab in der Schweiz. Der zweite Grund für den geringeren Leidensdruck sind die aufstrebenden ost- und mitteleuropäischen Märkte (Rumänien, Tschechische Republik, Serbien, Slowakei), in denen Ringier sein Engagement mit dem Kauf verschiedener Beteiligungen von Gruner+Jahr per 1. Januar 2004 massiv verstärkt. In diesen viel weniger unter Anzeigenrückgängen leidenden Märkten wuchsen Umsätze und Gewinne im zweistelligen Prozentbereich (siehe Kasten).
Blick Online wird kostenpflichtig
Trotz der teilweise guten Aussichten blieb die Kostenkontrolle ein ständiges Thema im laufenden Jahr. Praktisch abgeschlossen ist die kostenwirksame Konsolidierung der Internetangebote. Einzig die angekündigte neue Corporate Site sowie eine neue Site für die Schweizer Illustrierte fehlen noch. «Diese beiden werden in den nächsten Monaten folgen», erklärte Werfeli gegenüber der Werbewoche am Rande des Mediengesprächs.
Mit der Schlankheitskur ist es bei den Internetangeboten aber nicht getan. Nachdem viele Zeitungen und Zeitschriften die Kostenpflicht bereits eingeführt haben oder zumindest intensiv darüber nachdenken, gibt es diesbezüglich auch bei Ringier keine Tabus mehr. «Neben Borsalino, heute unser einziges Angebot, bei dem nicht alles gratis ist, werden wir in Zukunft sicher auch im Bereich der redaktionellen Inhalte Kostenpflicht einführen», erklärt Werfeli. Gerade bei so populären Stoffen, wie sie der Boulevard biete, läge dieser Schritt auf der Hand. «Grundsätzlich muss es in der Zukunft darum gehen, sämtliche Angebote, die man den Lesern zur Verfügung stellt, auch im Internet zu valorisieren.»
Schwarze Onlinezahlen 2006
Die Hindernisse auf dem Weg zu den Brieftaschen der User verbergen sich zurzeit in der noch unbeantworteten Frage, wie man die Kosten verrechnen wolle. Das Microbilling stecke immer noch in den Kinderschuhen. «Ich bin aber gleichwohl der Meinung, dass es zum Beispiel bei Blick Online in einigen Jahren eine Bezahlpflicht geben wird», so der CEO.
Mit Blick auf die Verluste, die das Ringier-Internetangebot auch nach der Straffung immer noch schreibt, dürfte dies zur Notwendigkeit werden. Doch Werfeli ist optimistisch: «Wir sind auf gutem Weg zu schwarzen Zahlen. Ich persönlich rechne zirka im Jahr 2006 damit.» Klar sei auch, dass die Onlineangebote nicht auf alle Zeit hinaus Sorgenkinder bleiben würden. «Das Internet wird sehr wichtig werden. Vom Geschäftsmodell her steht das erst am Anfang.»
Mit Cicero zur QualitätszeitungNachdem Projekte für neue Publikationen in den vergangenen Jahren praktisch durchwegs in den Ringier-Schubladen geendet oder nie daraus hinausgefunden haben, steht jetzt eine Neulancierung in Deutschland bevor. Im 1. Quartal 2004 soll das Monatsmagazin Cicero in Berlin vom Stapel gelassen werden. Das politisch-kulturelle Autorenmagazin unter der Leitung von Wolfram Weimer, dem ehemaligen Chefredaktor der Welt, richtet sich an ein politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich interessiertes Publikum im gesamten deutschsprachigen Raum. Geplante Druckauflage: 100000 Exemplare. (dse)
Verhaltene Aussichten für 2004Die Präsenz in geografisch und hinsichtlich der wirtschaftlichen
Dynamik höchst unterschiedlichen Märkten zahlt sich für Ringier aus. Neben einem insgesamt harzig verlaufenden Geschäft in der Schweiz fliesst vorab aus den Ostmärkten viel schwarze Tinte in die Unternehmenszahlen. Allein mit den konsolidierten Beteiligungen spülte das Verlagsgeschäft in
Rumänien, der Tschechischen Republik, in Serbien und der
Slowakei im laufenden Jahr 200 Millionen Franken in die Kassen des Schweizer Medienhauses. Das sind rund 20 Prozent des aktuellen
Konzernumsatzes. «Sämtliche unserer Zeitungen in diesen Märkten sind profitabel, zum Teil sogar sehr profitabel», eine Aussage von Michael Ringier, die für hiesige Zeitungsverleger im Moment pures Wunschdenken ist. Für das kommende Jahr erwartet CEO Martin Werfeli «ein ganz leichtes Anziehen im Werbemarkt». Die aktuellen Signale aus dem Markt seien durchwegs gut. Michael Ringier zeigt sich zurückhaltender. Er zweifelt daran, dass der Aufschwung in den USA nachhaltig ist. «Die Kerndaten sind zu wenig stabil», erklärte er. Etwas optimistischer sieht der Verleger die nähere Zukunft hingegen für das Asien- und das Europageschäft. Gleichwohl hütet man sich an der Dufourstrasse vor Übermut. Auf Grund der aktuellen Aussichten habe man auch für 2004 «sehr vorsichtig» budgetiert. (dse)
Zum Abschluss der Renovationsarbeiten am virtuellen Medienhaus Ringier fehlen nur noch die Corporate Site und jene der SI.
Martin Werfeli (l.) und Michael Ringier: gut im (Ost-)Geschäft.
Daniel Schifferle

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