AIS darf nicht ins Cinema

Werbeausgabenstatistik Die Wemf wirbt ab September um Kunden für ihren Advertising Index Switzerland – doch fürs Kino gibts vorderhand gar keine und fürs Fernsehen nur globale Daten.

Werbeausgabenstatistik Die Wemf wirbt ab September um Kunden für ihren Advertising Index Switzerland – doch fürs Kino gibts vorderhand gar keine und fürs Fernsehen nur globale Daten.Der Wettlauf zwischen Wemf und Media Focus um die bessere Statistik der Werbeausgaben tritt in die entscheidende Phase. Nach einigen Verzögerungen im Fahrplan stellte die Wemf vergangenen Dienstag die Rahmenbedingungen für ihren neuen Advertising Index Switzerland (AIS) vor.Im Unterschied zu Media Focus (MF) erhebt AIS die fakturierten Bruttoaufwendungen. Diese werden direkt von den teilnehmenden Medien geliefert. Bei der Systematik verfährt AIS nach dem gleichen Prinzip wie die Konkurrenz: Ausgewiesen werden Zeitungen, Zeitschriften, Fachzeitschriften, TV, Radio, Plakat, Teletext und Online-Werbung. Entgegen früherer Ankündigungen werden die Daten aber monatlich und nicht wöchentlich publiziert.
Gänzlich vermissen wird man das Medium Kino. Diesen Schönheitsfehler erklärt Hans-Jürg Gränicher, der das dreiköpfige Team bei der Wemf leitet, mit «Erfassungskriterien, die lediglich fakturierte Werbeplatzierungen, nicht aber Freespace und Gratisschaltungen berücksichtigen». In der Diskussion mit den Kinovermarktern habe sich diese Trennung als nicht durchführbar erwiesen. «Eine Hoffnung bleibt – sollte der Westschweizer Kinovermarkter Mediavision doch noch einlenken, könnte dies auch die Cinecom zum Mitmachen bewegen.»
Gravierender als die Absenz des Kinos ist allerdings der zweite Schönheitsfehler: Beim Fernsehen wird AIS lediglich globale Daten ausweisen. Und zwar in den Kategorien «SRG-Sender», «Schweizer Werbefenster» und «Regionale Privatsender». Nicht erhältlich sind auf die einzelnen Sender heruntergerechnete Angaben. Ähnlich wie beim Kino hätten auch hier die Erfassungskriterien zu diesem Zahlenblackout geführt. «Das Problem liegt bei den Schweizer Werbefenstern, die sich mit der Bekanntgabe der fakturierten Bruttoumsätze schwer tun», erklärt Gränicher.
Vermisst werden DetaildatenFür die Mediaagenturen und anderen Branchenteilnehmer, die AIS nutzen wollen, schränkt das Fehlen der einzelnen Senderdaten den Gebrauchswert allerdings empfindlich ein. Urs Schneider, Inhaber der Zürcher Agentur Mediaschneider AG, legt Wert darauf, dass man beim Fernsehen möglichst detaillierte Daten zur Verfügung hat, wie das bei MF seit langem der Fall ist. Gut leben kann Schneider hingegen mit der Absenz des Mediums Kino. «Mit Werbeumsätzen von lediglich 35 bis 40 Millionen Franken pro Jahr ist dieses Medium marginal – es sei denn, man hat einen Zigarettenhersteller als Kunden.»
Während AIS beim TV und beim Kino lückenhaft ist, nimmt es die neue Statistik bei den Printmedien umso genauer. So werden sämtliche Inserate ab einer Grösse von 500 mm inklusive der beworbenen Produkte erfasst. Darin enthalten sind des Weiteren ebenfalls «Stellen», «Liegenschaften» und «Rubrikenanzeigen». Diese werden je als einzelne Gesamtsumme pro Titel und Tag ausgewiesen. Besonders wichtig: AIS erfasst neben den eingehefteten auch die losen Prospektbeilagen, die bei MF nur teilweise mitgezählt werden.
Insgesamt werde man bei den Printmedien rund 170 Titel ausweisen, so Gränicher – bei MF sind es mit 331 fast doppelt so viele. Die Printtitel seien entsprechend ihrer Auflage in A- und B-Medien getrennt worden, wobei Letztere bei AIS zweite Priorität hätten. «Dieses Vorgehen tut der Aussagekraft unserer Statistik keinen Abbruch, denn allein die 100 grössten Titel vereinigen 85 Prozent der Werbeausgaben auf sich. Nimmt man die 150 grössten, kommt man auf 90 Prozent», beschwichtigt Gränicher.
Voll nutzbar – inklusive Vergleich zum Vorjahr – wird die neue Online-Statistik 2004 sein. Bereits ab Juli startet ein Testlauf zusammen mit Verlagen, Mediaagenturen und grossen Werbeauftraggebern. Die Teilnehmenden werden eingeladen, Beurteilungen zu geben und Änderungswünsche einzubringen. Zusammen mit diesen Informationen soll die Statistik den letzten Schliff bekommen. Ernst gilt es ab September – dann will AIS die Kundenwerbung hochfahren.
AIS früher als Media FocusDie Trümpfe, die AIS gegenüber Media Focus ausspielen will, betreffen die Erfassungsqualität allgemein (tatsächlicher Werbeaufwand pro Auftraggeber), den Preis und den Publikationstermin der Daten. Die Kosten für Kunden würden lediglich zwischen 50 und 60 Prozent von dem betragen, was Media Focus verrechnet, so Gränicher. Und: Als Termin für die Veröffentlichung der Daten peile AIS «den 15. des folgenden Monats» an – ein paar Tage früher als Media Focus, der bis anhin um den 23. des Folgemonats publizierte. Allerdings ist dies kein nachhaltiger Vorsprung, denn auch die Konkurrenz arbeitet an einer Vorverlegung ihres Publikationstermins. «Wir wollen noch eine gute Woche schneller werden», erklärt MF-Geschäftsführer Lukas Zihlmann. Trotzdem bleibt Gränicher optimistisch: «Die Statistik ist neu – daher wird sicher auch die Neugier gross sein.»
Was die Kinobesucher an Werbung zu sehen bekommen, bleibt dem Mediaplaner ein Rätsel.

Auch Media Focus im Rückstand

Nachdem die Wemf im Juli 2002 ihre neue Statistik angekündigt hatte, machte sich auch Media Focus (MF) daran, ihr eigenes Angebot gegen die heraufziehende neue Konkurrenz wasserdicht zu machen (WW 44/ 02). Neben einer leistungsfähigeren Auswertungssoftware wurden auch neue Nutzungsvarianten sowie teilweise kürzere Publikationszyklen in Aussicht gestellt. So sollen Kunden von MF zwischen drei Versionen des Datenbezugs wählen können: Einer Expertlösung (für tägliche Intensivnutzer), einer Standardvariante (entspricht dem heutigen Angebot) und einer Light-Version (günstigste Variante). Zudem stellte MF teilweise kürzere Publikationszyklen in Aussicht: Für TV und ein eingeschränktes Sortiment an Tageszeitungen (35 grösste Titel) soll auf die wöchentliche Lieferung der Daten umgestellt werden.
Eigentlich wollte man die ausgebauten Möglichkeiten und die
neue Auswertungssoftware
bereits diesen Sommer einführen, was aber bisher nicht geschehen ist. Die Lancierung sei auf Anfang 2004 verschoben worden, erklärt MF-Geschäftsleiter Lukas Zihlmann, «weil die Programmierung der neuen Software etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt als
geplant». (dse)
Daniel Schifferle

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