«Wir wollen abklären, wie weit Werbebeschränkungen Sinn machen»

Medienrechtler Denis Barrelet fokussiert an einer Tagung die Fallstricke in der Werbung

Medienrechtler Denis Barrelet fokussiert an einer Tagung die Fallstricke in der WerbungAm 7. Juni veranstaltet die Universität Neuenburg erstmals eine Tagung zum Thema «Werbung und Recht» (siehe auch Seite 35). Denis Barrelet, Professor für Kommunikationsrecht an den Universitäten Fribourg und Neuchâtel, möchte den Werbeschaffenden die für den Berufsalltag relevanten rechtlichen Grundlagen praxisbezogen näher bringen.Was sind die wichtigsten rechtlichen Probleme, welche die Kommunikationsbranche derzeit beschäftigen?
Denis Barrelet: Wir sprechen an unserer Tagung vier wichtige Themen an. Bezüglich der vergleichenden Werbung gibt es als Beispiel den momentan sehr harten Kampf in der Telefonbranche. Da muss man sich die Frage stellen, was gestattet ist und was nicht. Aber auch das Urheberrecht im Internet ist hochaktuell. Ferner der Datenschutz. Die Werber wollen Streuverluste möglichst vermeiden. Sie kommen relativ leicht zu Adressen. Dabei stellt sich aber die Frage, was in diesem Zusammenhang vom Datenschutzgesetz aus erlaubt ist. Topaktuell ist auch die Werberegelung in der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes.
In der Schweiz wird relativ wenig vergleichende Werbung gemacht. Ist mangelnde Kenntnis der Gesetzgebung ein Grund dafür?
Barrelet: Sicher. Der zweite Grund ist, dass der Schweizer immer auf der Seite dessen ist, der angegriffen wird. Also hat man in der Werbebranche entsprechend Hemmung, vergleichende Werbung zu betreiben. Es ist eigentlich erstaunlich, wenn man weiss, dass die Schweiz mit ihrer Gesetzgebung bezüglich der vergleichenden Werbung sehr lange führend war. In den umliegenden europäischen Ländern war vergleichende Werbung nämlich lange verboten.
Zur Tagung: Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?
Barrelet: Ich schätze, dass wir so gegen hundert Zuhörer haben werden. Wir hoffen natürlich auf viele Teilnehmer aus der Deutschschweiz, auch wenn die Veranstaltung in Neuenburg stattfinden wird. Wir sind der Ansicht, dass eine solche Veranstaltung auf nationaler Ebene durchgezogen werden muss. Mit dem neu gegründeten Institut für Journalismus und Kommunikation der Universität Neuenburg wollen wir die Kommunikation ganzheitlich angehen, und demzufolge muss Werbung mit einbezogen werden. Wir glauben, dass Werbung ein vollberechtigter Teil der Kommunikation ist. Bislang wurde Werbung aber eher als Anhängsel betrachtet.
Wer sollte diese Veranstaltung besuchen und warum?
Barrelet: Wir erwarten natürlich Werbepraktiker, die in ihrem Alltag mit juristischen Fragen konfrontiert sind, aber auch Medienjournalisten. Wir sind uns natürlich sehr wohl bewusst, dass das Recht vielfach als etwas Unangenehmes empfunden wird. Auch Journalisten befassen sich nicht gerne damit. Wenn man aber das Recht permanent zur Seite schiebt, schwächt ein System seine Stellung, also in diesem Fall die Stellung des Werbers oder des Journalisten.
Und die Reaktionen daraus?
Barrelet: Entweder man geht aus Unwissenheit zu weit, was unter Umständen teuer wird. Oder aber es wird eine rigorose Selbstzensur ausgeübt, und der Spielraum wird nicht ausgeschöpft. Für den Werber, der in seiner Arbeit kreativ sein sollte, ist es darum schade, wenn er sein Potenzial nicht ausschöpfen kann. Ich würde sogar sagen, es ist ein eigentlicher Verlust.
Wie praxisnah kann Ihre Veranstaltung sein?
Barrelet: Hat ein Referent nur 25 Minuten zur Verfügung, um ein Thema anzugehen, muss er sofort zum Wesentlichen kommen. Der zweite Teil der Veranstaltung ist der Beantwortung von Publikumsfragen gewidmet. Während zweier Stunden wird auf Strafrecht, Wettbewerbsrecht, Radio- und Fernsehrecht und Datenschutzgesetz eingegangen. Hier werden konkrete Gerichtsentscheide diskutiert.
Welches ist der Nutzen für die Werber, die sich im Alltag mit Inserategestaltung und TV-Spots herumschlagen müssen?
Barrelet: Bei der Spotherstellung können sich urheberrechtliche Fragen aufdrängen. Es werden nicht alle Tagungsthemen alle Teilnehmer gleich ansprechen. Ein Teil der Veranstaltung ist auch als Weiterbildung zu betrachten.
Welches ist derzeit die grösste Herausforderung für Werber?
Barrelet: Sie sollten ihre Grenzen kennen, auch die ethischen. Das ist aber ein Dauerthema. Was ich hingegen in der Werbebranche als sehr positiv gewichte, ist die Stärkung der Lauterkeitskommission, die sehr dynamisch geworden ist.
Das Gesetz hinkt oft hinter der Realität her. Wo liegt Ihrer Meinung nach zurzeit der grösste Handlungsbedarf?
Barrelet: Ich glaube nicht, dass es viele neue Gesetze und neue Einschränkungen braucht. Ich glaube eher an gewisse Liberalisierungen, insbesondere im Radio- und Fernsehbereich. Man sollte hingegen vermehrt schauen und näher abklären, wie weit Werbebeschränkungen noch Sinn machen.
Sie sind ja auch Präsident der Aufsichtsbehörde, die Klagen bezüglich Radio- und Fernsehen prüft. Welches sind die häufigsten?
Barrelet: Die häufigsten Beschwerden betreffen die sachliche Richtigkeit der Information. Immer häufiger haben wir uns auch über Darstellung von Gewalt und Sex in Unterhaltungssendungen zu befassen. Und ab und zu beschäftigt uns auch die so genannte Schleichwerbung.
Privat-TVs wollen die Revision des Radio und Fernsehgesetzes vorziehen, da ihnen das Wasser am Hals steht. Wie stehen Sie dazu?
Barrelet: Es ist eher eine politische Frage, ob man etwa den Artikel über Unterbrecherwerbung in einer ersten Phase lockern könnte. Wichtig scheint mir, dass existierendes Gesetz angewendet wird. Und jemand, der öffentlich erklärt, dass er dieses Gesetz nicht anwenden wird, diskreditiert sich selber.
Was fasziniert Sie persönlich an der Kommunikation?
Barrelet: Ich habe 1972 meine Karriere mit der Dissertation zum Thema «La liberté d’information» begonnen, und seither interessieren mich Fragen in diesem Zusammenhang. Mit der Information steht für unsere Gesellschaft viel auf dem Spiel. Bei uns wird man bestimmter Aussagen wegen nicht ins Gefängnis geworfen, die Bestrafung ist subtiler. Es gibt aber auch bei uns private und öffentliche Ächtung. Interview: Anita Vaucher

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