n den Klauen der Wissenschaft

Studien zeigen in einer Produkte-Farben-Matrix, für welche Kategorie der Einsatz von Humor geeignet ist

Studien zeigen in einer Produkte-Farben-Matrix, für welche Kategorie der Einsatz von Humor geeignet istI
Von Wolfgang Koschnick
Die kleinen Freuden des Alltags wie Zigaretten oder eine Flasche Wein werden erfolgreich mit Humor beworben. Teure Produkte mit hohem Sozialprestige hingegen werden als bierernste Kaufangelegenheit betrachtet.
Wenn Wissenschaftler die Wirkung witziger Werbung erforschen, geschieht das mit Schrecken erregendem Bierernst, dass einem jeder auch noch so bescheidene Anflug von Lächeln vergeht. Kaum zu glauben, dass die sich mit Humor beschäftigen… Dennoch kommt manchmal ein bisschen etwas dabei heraus.
Mitte der Neunzigerjahre untersuchten die US-Werbeforscher M. G. Weinberger, H. Spotts, L. Campbell und A. L. Parsons Einsatz und Wirkung von Humor in verschiedenen Werbeträgern. Dazu verwendeten sie die im US-Marketing verbreitete Produkt-Farben-Matrix auf der Basis der Unterscheidung zwischen High- und Low-Involvement-Produkten sowie funktionalen Produkten mit hohem Nutzen auf der einen und expressiven Prestigegütern mit hohem emotionalem Wert auf der anderen Seite. Darin stehen die Farben Weiss, Rot, Blau und Gelb symbolisch für prototypische Produkte der jeweiligen Kategorie.
Entlang der einen Dimension der Matrix wurden die Güter in funktionale Produkte und expressive Produkte geschieden, entlang der anderen in High- versus Low-Risk-Produkte. Bei den Low-Risk-Produkten ist das Involvement natürlich geringer, da viele Entscheidungen routinemässig getroffen werden oder die Kosten so gering sind, dass sich ein emotionaler oder mentaler Aufwand kaum lohnt.
Expressive Güter decken Bedürfnisse ab, haben einen emotionalen Nutzen und positive Kaufmotivation. Funktionale Dinge helfen, eine Aufgabe zu erfüllen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Sie stiften keinen emotionalen Nutzen und haben negative Kaufmotivation.
Der Kauf weisser Waren («white goods») ist mit höherem Risiko verbunden. Es sind grosse Geräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Autos oder Versicherungen. Rationale Anzeigen erzielen hier hohe Aufmerksamkeit und Motivation für eine systematische Informationsverarbeitung.
Rot («red goods») steht für extravagante, expressive, rollenspezifische Prestigeprodukte wie Motorräder, auffallende Kleidung, Juwelen, die dem Einzelnen als Ausdrucksmittel dienen und hohes, nicht nur finanzielles, sondern auch soziales Risiko einschliessen. Hier kann Werbung mit hoher Aufmerksamkeit und Motivation zu systematischer Informationsverarbeitung rechnen. Da die Produkte aber auch viel emotionalen Nutzen bieten, sollte sie sowohl rational als auch emotional ausgerichtet sein.
Blau («blue goods») steht für gewohnheitsmässig gekaufte, kleine, zweckmässige Produkte (WC-Spüler, Körperpflege, Grundnahrungsmittel, Medikamente). Die Bereitschaft zur Informationsverarbeitung ist klein, dennoch herrscht ein gewisses Interesse an relevanter Information. Der emotionale Nutzen ist gering, doch sollte Werbung mit einer rational-emotionalen Mixtur arbeiten.
Die gelben Produkte («yellow goods») sind die kleinen Freuden des Alltags wie Wein oder Zigaretten: risikofreie Routinekäufe. Die Bereitschaft zur Informationsverarbeitung ist gering. Affekttransfer und Stimmungskäufe sind häufig. Die Werbung ist emotional. Humor könnte hier erfolgreich sein.
Die Studie verknüpfte Ergebnisse aus vier verschiedenen Datenmengen aus TV-, Radio- und Zeitschriftenwerbung.
Die Resultate zeigen, dass Radiospots in 30 Prozent der Fälle und TV-Spots in 24 Prozent Humor verwendeten. Zeitschriften dagegen griffen viel seltener auf Humor zurück. Das könnte damit zusammenhängen, dass bei Gedrucktem das Nutzungstempo vom Leser bestimmt wird. Es erlaubt detaillierte Botschaften und Erläuterungen. Bei Radio und TV hingegen muss der Rezipient dem Tempo der Medien folgen. Er bleibt passiv und will unterhalten werden; und Humor ist ein wichtiges Unterhaltungsmittel.
Bei den expressiven, risikoreichen Prestigeprodukten («red goods») war die Neigung zum Gebrauch von Humor in allen drei Medien am geringsten: keine TV-Spots, nur 6 Prozent der Zeitschrifteninserate und 10 Prozent der Radio-Commercials setzten Humor für diese persönlichen, teuren und auch sozial riskanten Produkte ein.
Im Gegensatz dazu wurden die kleinen risikolosen Freuden des Alltags («yellow goods») in allen drei Medien am häufigsten mit Humor beworben (Radio: 41 Prozent; TV: 38 Prozent; Zeitschriften: 18 Prozent).
Auch die täglichen Gebrauchsgüter («blue goods») stützten sich in allen drei Medien relativ häufig, seltener zwar als die gelben, öfter aber als die roten, auf Humor.
Weisse Waren («white goods») mit ihrem grossen Risiko und in ihrer hohen Funktionalität werden im Vergleich dazu im Fernsehen ebenso häufig humorvoll angepriesen (24 Prozent), im Radio mit 14 Prozent und in Magazinen mit 8 Prozent dagegen zum Teil wesentlich seltener.
Radiowerbung mit Humor für die risikoreichen und funktionellen weissen Waren wurde schlechter begriffen und mit weniger Aufmerksamkeit verfolgt als solche ohne Humor. In Zeitschriften wirkte sich der Humor auf die Aufmerksamkeit gegenüber der Werbung für Weisswaren positiv aus, auf das Verständnis allerdings negativ.
Die expressiven High-Risk-Produkte («red goods») zeigten interessante Gegensätze: Sowohl beim Radio als auch bei den Anzeigen wirkte sich Humor positiv auf Aufmerksamkeit und Verständnis aus. Allerdings nur dann, wenn der Humor sich auf das Produkt bezog. Wenn der Humor vom Produkt losgelöst war, hatte das eher negative Auswirkungen, vor allem im Verständnis, und löste eher Verwirrung aus.
Die risikofreien Blauwaren («blue goods») nutzen Humor für ihre Werbung weit häufiger als Produkte in den risikoreichen Kategorien. Im Radio hatte der produktbezogene Humor einen leicht positiven Einfluss auf Aufmerksamkeit und Verständnis. Humor ohne Produktbezug im Radio leistet weniger. Für Zeitschriften sind die Ergebnisse nicht so günstig; denn Humor, ob produktbezogen oder nicht, wirkt sich eher negativ auf die Aufmerksamkeit und das Verständnis aus.
Bei den «yellow goods» beeinflusste der Humor in der Zeitschriftenwerbung sowohl die Aufmerksamkeit als auch das Anzeigenverständnis, unabhängig von seinem Produktbezug, sehr positiv. Es war dies die einzige der vier Produktegruppen, in der sich der Humor positiv auf die Fähigkeit der Konsumenten auswirkte, die Printanzeigen mit der Marke in Verbindung zu bringen (Verständnis). Im Radio hatte der Humor ebenfalls einen positiven Effekt, vorausgesetzt, er war produktbezogen.
Sieben Merksätze für humorvolle Werbung In einer Auswertung von mehr als hundert Untersuchungen aus aller Welt ergeben sich folgende Aussagen über die Wirkung humorvoller Kommunikation:
1. Aufmerksamkeit: Humorvolle Botschaften ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Das ist so gut wie in jeder Untersuchung immer und immer wieder bestätigt worden.
2. Verständnis: Humorvolle Botschaften können das Verständnis für ein beworbenes Produkt beeinträchtigen; sie können in vielen Fällen das Verständnis der Botschaft aber auch erhöhen.
3. Ablenkung: Humor kann die Adressaten ablenken, zu einer Reduzierung der Wirksamkeit von Gegenargumenten und zu einer Erhöhung der Überzeugungswirkung einer Botschaft führen.
4. Überzeugung: Humorvolle Appelle scheinen überzeugend zu wirken, aber ihre Überzeugungswirkung ist im günstigsten Fall nicht stärker als der ernster Appelle. Mit anderen Worten: Humor schadet nicht, nützt aber auch nichts.
5. Glaubwürdigkeit: Humor erhöht oft – jedoch nicht immer und schon gar nicht zwangsläufig – die Glaubwürdigkeit des Werbungtreibenden. Allerdings kommt es sehr auf den Zusammenhang und das beworbene Produkt an. Das Publikum empfindet witzige Werbung bei manchen Produkten als passend, bei manchen wiederum als ausserordentlich unpassend. So wird auch Humor in Werbung für High-Involvement-Produkte wie Automobile oder für intelligente Produkte wie weisse Ware («white goods») ziemlich selten eingesetzt und von den Kreativen selbst als weniger geeignet angesehen. Jedoch scheinen in letzter Zeit die Werber gerade dieses Tabu zu durchbrechen. Toyota ist mit geradezu klamaukhafter Werbung sehr erfolgreich, und Renault hat den Namen seines «Kangoo» mit Hilfe geiler Nashörner erfolgreich penetriert.
6. Differenzierung: Bestimmte Charakteristika der Empfänger können die Wirkung von Humor vereiteln. So kann beispielsweise geringe Intelligenz das Verständnis erschweren. Einfacher ausgedrückt: Bei ganz Doofen wirkt ein gescheiter Werbewitz nicht, weil die gar nicht die Pointe kapieren. Aber auch bei nicht ganz so Doofen setzt witzige Werbung ziemlich viel Aufmerksamkeit für den Inhalt der Werbebotschaft voraus. Die ist aber bei jemandem, der schnell durch verschiedene TV-Programme zappt, nicht gerade vorauszusetzen.
7. Sympathie: Ein humorvoller Kontext steigert praktisch immer die Sympathie für die Marke und für das Werbemittel und erzeugt eine positive Stimmung, die wiederum der Werbewirkung nur zugute kommen kann.
Anteil der Werbemittel mit Humor Insgesamt Werbung mit Humor (%)
TV 24%
Zeitschriften 10%
Radio 30%
Weisse Produkte
TV 24%
Zeitschriften 8%
Radio 14%
Rote Produkte
TV 0%
Zeitschriften 6%
Radio 10%
Blaue Produkte
TV 22%
Zeitschriften 12%
Radio 35%
Gelbe Produkte
TV 38%
Zeitschriften 18%
Radio 41%
Wie Werbung wirklich wirkt Mit diesem Beitrag von Wolfgang J. Koschnick setzt die WerbeWoche ihre Artikelreihe zur Werbewirkung fort. Jeder Artikel dieser Folge will Antworten auf brennende Fragen über den heutigen Wissensstand zur Wirkung von Werbung geben.
Dies ist durchaus auch als Einladung an die Leserinnen und Leser der WerbeWoche aufzufassen. Wer Fragen zu Aspekten der Werbewirkung hat, möge sie an die Redaktion der WerbeWoche (info@werbe woche.ch) richten. Wir werden sie nach bestem Wissen beantworten.
Bei der Themenauswahl für diese Serie kann Koschnick auf mehrere Hundert wissenschaftliche Untersuchungen zur Werbewirkung zurückgreifen, die in den vergangenen 50 Jahren im In- und Ausland erschienen sind.

Weitere Artikel zum Thema