Kinder in der Influencer-Werbung: Wie wir als Gesellschaft damit umgehen
Viele Mama- oder Papa-Influencer kommerzialisieren einen Teil ihres Familienalltags. Denn auch Firmen und Plattformen haben das Werbe- und Klick-Potential von Kinder- oder Familieninhalten entdeckt, scheuen sich aber meist davor den Konsequenzen davon entgegenzutreten. Die Rechte der Kinder gehen dabei oft vergessen.
Social Media ist aus dem Familienalltag nicht mehr wegzudenken. Nehmen wir z.B. den Umgang mit Familien- und Kinderbildern und Videos. Wer teilt nicht gerne schöne Momente mit seiner Community? Viele Mama- oder Papa-Influencer gehen dabei noch einen wesentlichen Schritt weiter und kommerzialisieren einen Teil ihres Familienalltags. Denn auch Firmen und Plattformen haben das Werbe- und Klick-Potential von Kinder- oder Familieninhalten entdeckt, scheuen sich aber meist davor den Konsequenzen davon entgegenzutreten. Die Rechte der Kinder gehen dabei oft vergessen.
An erster Stelle sind die Eltern für ihre Kinder verantwortlich, aber auch die Social Media Plattformen und die Unternehmen sollten ihre Rolle überdenken. An erster Stelle sollte immer der Schutz und das Wohl der Kinder und Jugendlichen stehen. Soziale Medien sind jedoch von erwachsenen Menschen für Erwachsene entwickelt und sind bis heute noch kein kinderfreundlicher Ort. Leider führt das dazu, dass Kinderinhalte nicht speziell geschützt sind und problemlos weiterverbreitet werden können. Auch die Werberichtlinien sind nicht klar geregelt und variieren stark von Land zu Land.
Der Conscious Influence Hub hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, einen respektvollen Austausch in der digitalen Welt zu fördern und genau solche Themen mit den beteiligten Akteuren und Fachexpert:innen zu diskutieren und gemeinsam an Guidelines sowie Lösungen zu arbeiten. Genau das wird er auch mit Content Creator und Vater Fabio Zerzuben, einem Unternehmen und einer Fachexpertin des Kinderschutz Schweiz am 9. November 2023 an der WebStage Masters Social Media Konferenz in Engelberg im Rahmen eines Panels diskutiert.
Die WebStage Masters ist die grösste Social Media Marketing Konferenz der Schweiz. Die sechste Aufgabe findet am 8. und 9. November 2023 in einer atemberaubenden Kulisse mitten in den Bergen von Engelberg statt. Das Dorf ist von allen grösseren Schweizer Städten in weniger als zwei Stunden erreichbar. Möchtest du auch dabei sein? Dann sichere dir jetzt dein Ticket auf www.webstage-masters.ch/tickets
«In der Schweiz hat sich die Gesetzgebung noch nicht gross mit dem Thema beschäftigt. Das liegt unter anderem daran, dass die Reichweite von Schweizer Influencern aufgrund der Grösse unseres Landes und der Viersprachigkeit oft beschränkt ist. Anders ist das z.B. in Frankreich, welches als erstes europäisches Land Gesetze explizit für Influencer eingeführt hat. Es gibt in der Schweiz nur wenig Mechanismen, um Kinder wirklich effektiv vor wirtschaftlicher Ausbeutung im Bereich von Social Media Werbung schützen zu können. Internationale Abkommen und Richtlinien geben hier hingegen schon eine ziemlich klare Richtung vor und auch die Plattformen selbst erlassen nach und nach Regeln und Richtlinien zu dieser Thematik. Wir sollten deshalb auch in der Schweiz dringend über Kinder in der Influencer Werbung diskutieren. Wir haben durchaus Nachholbedarf. Das Exponieren von Kindern auf Social Media kann weitreichende Diskussionspunkte mit sich bringen. Zu denken ist an Grundrechte (Grundrechte der Kinder, auch vor den Eltern), Datenschutzrecht (DSGVO), Arbeitsrecht (Kinderarbeit) und Persönlichkeitsrechte (Recht am eigenen Bild)», sagt Isabelle Wildhaber, Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der HSG und Beirätin beim Conscious Influence Hub.
Der Kinderschutz Schweiz ist Partner des Conscious Influence Hub und stellt zum Thema «Kinder im Netz» und «Sharenting» wertvolle Tipps und Angebote zur Verfügung: https://www.kinderschutz.ch/eltern-und-erziehungsberechtigte/kinderbilder-im-netz
Wie gehen Influencer damit um
Zu Beginn wurde Influencer Marketing vor allem in der Lifestyle- und Beauty-Branche genutzt. Mit dem Wachstum der digitalen Plattformen sind auch die Werbemöglichkeiten auf Social Media und für die Influencer gestiegen. Mit dem steigenden Alter der Community und dem Elternwerden haben sich für Influencers neue Werbemöglichkeiten ergeben. Damit wurde das Phänomen des Kidfluencers geboren – managed by Mommy oder Daddy. Obwohl es nicht wirklich neu ist, sondern mit Kinderstars vergleichbar ist.
Besonders in den USA stellen die «Kidfluencers» einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar und erwirtschaften einen Branchenwert von rund 8 Milliarden Dollar. Daher verwundert es nicht, dass sich unter den Top-Ten Youtube-Channels gleich vier Kinder-Kanäle befinden und die beiden Youtuber Ryan Kaji von «Ryans World» (12 Jahre alt und 30 Million US-Dollar Einkommen) und Anastasia Radzinskaja von «Like Nastya» (9 Jahre alt und geschätztes Vermögen von CHF 83 Millionen) zu den Top-Verdiener:innen gehören. In der Schweiz boomt das Geschäft mit den «Kidfluencers» (noch) nicht. Es gibt nur wenige Kinder-Channels. Schweizer Influencer gehen zudem sehr unterschiedlich mit ihren Kindern auf dem Feed oder bei Werbekollaborationen um. Einige zeigen sie überhaupt nicht, bei anderen kommen sie gelegentlich im Feed vor, aber unkenntlich gemacht, und wieder andere zeigen sie bewusst und bauen mit ihnen auch ihre Kooperationen auf.
«Man sollte den ‹Kids-Jöh-Effekt› nicht einfach ohne Grund – oder gerade deswegen – anwenden. Im Ausland sieht man viele Kidfluencers. Wir würden unseren Kids jedoch keinen eigenen Channel einrichten. In der TV-Werbung gibt es Familien/Kinder seit Jahrzehnten, daher bin ich überzeugt, dass Werbung mit Kindern auch einen Platz in der Social Media Welt einnehmen kann. Wenn ein gutes Regelwerk und Richtlinien gegeben sind, kann dies auch professionell umgesetzt werden. In der Zwischenzeit gibt es viele Brands, welche die Kinder bewusst nicht im Bild haben möchten. Als Creator kann man genug kreativ wirken und Ideen haben, um andere Wege zu finden, Family-Content für Werbeposts zu erstellen – ohne die Kinder zu zeigen», schildert Fabio Zerzuben, Content Creator und Vater, seine Erfahrungen.
Wie gehen Firmen damit um
Babynahrung, Windeln, Spielzeug oder Versicherungen, Familien und Kinder sind eine beliebte Zielgruppe für Firmen. Durch Social Media haben sie einen schnell wachsenden Absatzkanal gefunden. Die an Kinder gerichtete Werbung ist weltweit ein riesiges Business. Es erstaunt nicht, dass das am schnellsten wachsende Genre auf Youtube Videos für Kleinkinder sind, die natürlich mit Werbung gespickt werden. In der Schweiz geben Unternehmen Millionen Franken für an Familien und Kinder gerichtete Werbung aus. (Schweizer) Unternehmen haben das Influencer Marketing mit Familien als lukratives Werbeumfeld erkannt und schliessen immer mehr Werbedeals mit Eltern ab, die für Spielzeug, Nahrungsmittel oder anderes werben. Ob die Mom- und Dadfluencers ihre Kinder in diesen Kooperationen zeigen oder nicht, wird nicht immer ihnen überlassen. Einige Firmen wünschen bewusst, dass die Kinder gezeigt und aktiv in den Content eingebunden werden. Andere Firmen wie Unilever oder Lindt wiederum passen ihre Werberichtlinien bewusst an und richten ihre Werbeausspielungen- und ansprachen nicht mehr an Kindern unter 16 Jahren aus.
Guideline zum Thema Privatsphäreschutz mit Racha vom CI Hub
Was macht der Conscious Influence Hub
Der Conscious Influence Hub fördert einen respektvollen Austausch in der digitalen Welt. Das Ziel ist es, die Grundwerte von Respekt, Empathie und Transparenz in der Social-Media-Welt zusammen mit Influencers/Creators zu stärken. Seit seiner Gründung im Jahr 2020 hat der Verein mit Unterstützung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Medien, Zivilgesellschaft und der Influencer-Branche einen Code of Conduct entwickelt. Dieser stellt zehn leicht umsetzbare Grundsätze zur Verfügung, die Schweizer Influencers und Social Media Akteuren einen Leitfaden für verantwortungsbewusstes und respektvolles Handeln bieten. Der Conscious Influence Hub lädt alle Akteure des Influencer-Marketing Ökosystems ein, eine aktive Rolle in der Gestaltung eines verantwortungsbewussten Umgangs auf Social Media und vor allem im Umgang mit Kindern einzunehmen. Mehr dazu findet man auf: www.consciousinfluencehub.org/partner
* Ein Artikel von Anja Lapčević, Geschäftsleitung des Conscious Influence Hub. Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit den WebStage Masters erstellt.