«KI wird in Zukunft auch in der Werbung einen immer grösseren Stellenwert bekommen»
Dank Deepfake-Technologie müssen Stars in Zukunft nicht mehr schauspielern. Mit Jürgen Klopp hat die Kreativagentur Wirz mithilfe von KI einen Werbespot realisiert, ohne dass der Fussball-Trainer an einem Filmset stehen musste. Werbewoche.ch hat sich mit Wirz-Executive-Creative-Director Caspar Heuss über den speziellen Dreh unterhalten und im KI-Werbespot noch ein paar interessante «Easter Eggs» entdeckt.
«So haben Sie Klopp noch nie gesehen», titelte die Deutsche Bild-Zeitung vor ein paar Tagen. Dass man den scheidenden FC-Liverpool-Trainer in einem Werbespot für die «Deutsche Vermögensberatung» als Yogi oder beispielsweise auch als Zahnarzt sieht, war dem Boulevard-Blatt eine Headline wert. Es handle sich um den ersten TV-Spot im deutschen Fernsehen, in dem die künstliche Intelligenz (KI) die Hauptrolle spielt, heisst es im Making-of des Werbefilms stolz. Der Spot läuft nur in Deutschland. «Dort aber mit beachtlichem Media-Druck», wie der Senior Partner der Wirz Group, Caspar Heuss, erklärt. Man sei sehr stolz, dass man sich als Schweizer Agentur im Pitch gegen die namhafte deutsche Konkurrenz durchsetzen konnte und man nun auch im deutschen Werbefernsehen präsent sei.
Sämtliche Bild- und Ton-Aufnahmen im Spot sind real, wurden aber nachträglich mit KI bearbeitet. Der Film wurde also mit Body-Doubles gedreht und im Nachhinein wurden die Gesichter der Schauspieler einfach mit jenem von Jürgen Klopp ersetzt. «Einfach» ist hier aber eventuell das falsche Wort. Die Produktion dauerte im Vergleich zu herkömmlichen Kampagnen länger, verrät Heuss. Weil der initiale Prozess des Filmdrehs der Gleiche war, wie bei jeder anderen Kampagne auch. Dann aber sei noch der sehr aufwendige Prozess der Postproduktion hinzugekommen. Konkret heisst das: «Gedreht haben wir Mitte November in Frankfurt und Bukarest, fertig wurde der Film erst letzte Woche.»
Somit fielen auch die Kosten für diese KI-Produktion höher als gewöhnlich aus. Viel wichtiger als der Produktionspreis sei aber der Umstand gewesen, dass dieser Film ohne KI nie hätte umgesetzt werden können. Dies, weil der zurzeit beliebteste Deutsche einfach nicht die Zeit gehabt hätte, sich für so einen langen Dreh zur Verfügung zu stellen. «Vor allem hätte er darauf auch schlicht keine Lust gehabt», fügt der 45-jährige ECD hinzu.
Klopp von KI-Stellvertreter begeistert
Der Meister-Trainer habe die Idee super gefunden, nur schnell für ein paar Foto-Aufnahmen hinstehen zu müssen. «Das hat sicher auch mit dem Umstand zu tun, dass er selbst weder den Wunsch noch das Bedürfnis hat, sich schauspielerisch auszuleben», meint Heuss schmunzelnd. Hier habe sich ihm die einmalige Gelegenheit geboten, sich auch mal von anderen Seiten zu präsentieren, ohne dafür viel tun zu müssen.
Auch die externen Reaktionen auf den TV-Spot seien durchwegs sehr positiv ausgefallen. Natürlich habe dabei geholfen, dass Jürgen Klopp aufgrund seines angekündigten Weggangs aus Liverpool zurzeit sowieso in aller Munde sei und die halbe (Fussball-)Welt darüber spekuliere, was der Trainer wohl als nächstes tun werde. Dass die Bild beim Anblick eines Jürgen Klopp als Yogi dann auf diesen Zug aufspringt, sei also durchaus im Bereich des Denkbaren gewesen, sagt der Basler, der schon seit zehn Jahren in Zürich wohnt. «Dass es dann tatsächlich passiert ist, hat uns natürlich sehr gefreut.»
Deepfakes sind mehrheitlich mit Negativität verbunden. Auf die Frage, ob dies nun die Zukunft der Werbung ist, erwidert Heuss: «Wie so oft kann man mit neuen technischen Errungenschaft Grossartiges erschaffen, damit aber auch viel Schindluder betreiben. Sicher ist, dass KI in Zukunft auch in der Werbung einen immer grösseren Stellenwert bekommen wird.» Dass die künstliche Intelligenz die kreative Intelligenz aber komplett ablösen wird, das zumindest sei im Moment noch nicht denkbar.
Das Recht am eigenen Bild
An der Rechtslage werde die neue Technologie zudem nichts ändern, gibt Heuss, der zusammen mit Lorenz Clormann bei Wirz die Kreation leitet, zu Protokoll. «Das Recht am eigenen Bild ist und bleibt geschützt.» Zur Beruhigung sagt er, dass Jürgen Klopp «freudvoll» zu seinem Deepfake-Ego eingewilligt habe.
Kann es aber sein, dass in Zukunft vielleicht einfach «Lookalikes» (mit deren Einverständnis) gesucht werden, um einen Star in einer Werbung zu zeigen? Das Jus-Studium von Caspar Heuss sei mittlerweile über 20 Jahre her, weshalb man ihn nicht auf dieser Aussage behaften solle: Er aber sei der Meinung, dass die Wahl eines Doppelgängers eine typische Gesetzesumgehung wäre, die genauso sanktioniert würde, wie das umgangene Gesetz. Das Recht am eigenen Bild gelte somit auch, wenn im Werbespot nur ein Doppelgänger auftauche. Dies, sofern der Spot impliziere, dass es sich dabei um die «echte» Person handeln könnte.
Die Werbe- und Kreativ-Agentur Wirz, zu deren Kunden unter anderem die Migros oder Schweiz Tourismus gehören, hat derzeit kaum Projekte, bei denen KI nicht mehr eine Rolle spielt. «KI fliesst immer mehr in unsere tägliche Arbeit mit ein, und darum unterscheiden wir auch nicht mehr zwischen KI-Projekten und herkömmlichen Projekten.» Dies sei auch der Grund, weshalb man bewusst darauf verzichtet habe, eine interne KI-Abteilung zu gründen. «Im Gegenteil: wir wollen, dass alle unsere Mitarbeitenden künstliche Intelligenz in ihre Arbeitsprozesse einbauen.» Ziel sei es, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu KI-Spezialisten in ihrem Bereich würden.
Versteckte Easter-Eggs in der Kampagne
Im Werbe-Spot der Deutschen Vermögensberatung sind verschiedene «Easter Eggs» versteckt. Beispielsweise im Navi-System in der Szene, wo Jürgen Klopp als Uber-Fahrer zu sehen ist. So erkennt man kurz die «Säbener Strasse». Für Fussballfans ist das eine klangvolle Adresse, es ist nämlich das Hauptquartier und das Trainingsgelände des FC Bayern München. Bayern-Kapitän Manuel Neuer betrachtet Jürgen Klopp beispielsweise bereits als Kandidaten für den FC Bayern – ob das so ist, wird sich zeigen.
Ein weiteres verstecktes Oster-Ei ist beispielsweise der Claim des Zahnarztes, der nur ganz kurz auf dem Screen zu sehen ist. Das Motto des Klopp-Zahnis lautet: «You’ll never smile alone». Dies in Anlehnung an das Club-Lied des FC Liverpool «You’ll never walk alone».