«Juristen und Medienfragen – das kommt selten gut»
Edipresse-Verleger Pierre Lamunière rügt die eidgenössische Wettbewerbskommission
Edipresse-Verleger Pierre Lamunière rügt die eidgenössische WettbewerbskommissionIn einem Gespräch mit der WerbeWoche erläutert Edipresse-Verleger Pierre Lamunière seine Vorwürfe an die eidgenössische Wettbewerbskommission. Diese habe noch nicht begriffen, dass nur grosse und starke Mediengruppen eine Chance hätten, in der weltweit anlaufenden Megafusionswelle zu überleben (siehe auch Seite 19).An der diesjährigen Bilanzpressekonferenz haben Sie böse verbale Hiebe an die Adresse der eidgenössischen Wettbewerbskommission ausgeteilt. Der Auslöser für die Schelte waren Probleme von Edipresse in Genf. Was ist passiert?
Pierre Lamunière: Vor einem Jahr wollten wir einige kleine Quartierzeitungen übernehmen. Wir mussten durch eine regelrechte Papier- und Formularmühle hindurch, um die Genehmigung zu erhalten. Aber dies ist nur ein Beispiel. Schauen Sie, was zurzeit im Raum Bern passiert: Die Gruppe Berner Zeitung will sich etwas ausdehnen, und die Wettbewerbskommission macht eine Riesensache daraus. Das ist doch völlig absurd. Die Schweizer Mediengruppen können kaum mehr wachsen. Dabei muss man wachsen können, um eine Zukunftschance zu haben.
Andere Länder betreiben doch auch Wettbewerbsschutz, um Monopole und marktbeherrschende Positionen zu verhindern.
Lamunière: Klar, aber die anderen Länder sind viel grösser. In den USA ist die Situation auf dem amerikanischen Medienmarkt entscheidend, und dieser besteht aus Hunderten von Millionen Menschen. Wir dagegen sind sieben Millionen. Und die Wettbewerbskommission teilt den Schweizer Markt zusätzlich in Sprachregionen auf. Noch schlimmer: Sie nimmt die regionalen Märkte als Richtgrössen und untersucht beispielsweise, ob im Raum Bern marktbeherrschende Positionen bestehen. Das ist, wie wenn die amerikanischen Wettbewerbsbehörden dafür sorgen wollten, dass im Süden von South Carolina keine marktbeherrschende Position entsteht.
Wäre es denn besser, man liesse die Sache einfach laufen?Lamunière: Man muss den Wettbewerb laufen lassen. Sehen Sie, es ist völlig falsch, heute den Presse- und Medienmarkt als einen abgeschlossenen Markt zu betrachten. In Zukunft werden die Bereiche Presse, TV, Telecom, Computer, Internet usw. mehr und mehr zusammenwachsen. Gruppen wie beispielsweise Microsoft, Warner und Telefonica schmieden Megafusionen; die alten Grenzen fallen. Wenn die Schweiz eine Chance haben will, müssen die grossen Schweizer Mediengruppen frei sein, Fusionen durchzuführen, ohne zuvor fünf Monate lang Formulare ausfüllen zu müssen. Denn allein diese Verspätung kann fatal sein.
An der PK haben Sie gesagt, die Schweiz brauche vielleicht fünf grosse und starke Mediengruppen. Wen zählen Sie dazu? Edipresse, Ringier, TA-Media, Gruppe NZZ, Gruppe Basler Zeitung?
Lamunière: Vielleicht auch die Gruppe Berner Zeitung, vielleicht noch andere. So genau habe ich mir das nicht überlegt. Aber wir dürfen nicht nur an die grossen Verlagsgruppen denken. Worauf es mir ankommt: Wenn die Schweiz eine Chance haben will, müssen die grossen Verlagsgruppen, aber auch Publigroupe und Swisscom wachsen und fusionieren können. Doch was geschieht heutzutage? Man limitiert sie – angeblich, weil sie marktbeherrschend sind oder zu werden drohen. Wenn ich höre, dass Edipresse eine «position dominante» haben solle, muss ich lachen.
Aber in der Westschweizer Pressewelt sind Sie doch dominant?Lamunière: Nochmals: Sie dürfen den Pressemarkt nicht gesondert betrachten. Es ist durchaus möglich, dass ausländische Betreiber von spezialisierten TV-Kanälen eines Tages auch in der Schweiz Printprodukte anbieten: In ein paar Jahren wird ja der TV-Apparat mit einem Drucker gekoppelt sein. Etwas Ähnliches bahnt sich im Bereich Online an: Internetsites werden immer mehr auch Printservice bieten. Das Zusammenwachsen von Internet und TV-Apparat dank der Technologie der Westschweizer Firma Kudelski …
… deren Chef André Kudelski im Edipresse-Verwaltungsrat sitzt …Lamunière: … richtig, dieses Zusammenwachsen hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen Bild und Text, zwischen Presse und TV und Internet, immer mehr verwischen. Ein Beispiel: Das Journal de l’Horlogerie bietet neuerdings auch eine Videoversion auf Internet an. Das ist die Zukunft. Aber die Wettbewerbskommission hat das noch nicht kapiert. Dort sitzen vor allem Juristen. Wenn sich Juristen mit Medienfragen abgeben, dann kommt es selten gut heraus.
Die Verwischung der Grenzen bedeutet wohl, dass Edipresse immer mehr an eine Diversifizierung im Bereich TV denkt?Lamunière: Unsere Strategie ist klar: Wir wollen kein Fernsehen fürs grosse Publikum machen. Eine Beteiligung à la TV3 kommt für uns absolut nicht in Frage, «télévision généraliste» interessiert mich nicht. Aber ich könnte mir durchaus ein Engagement an einem Spartensender vorstellen.
Wird die Edipresse allfällige Diversifizierungsschritte gewissermassen intern generieren, oder denken Sie an Beteiligungen und Übernahmen?Lamunière: Ich schliesse Übernahmen und Beteiligungen keineswegs aus. Alle Mittel, die unsere Position stärken können, werden studiert. Ich nehme an, dass wir bis Ende Jahr eine oder zwei Operationen ankündigen können.
Wir sind gespannt! Monsieur Lamunière, vielen Dank.
Interview: Christophe Büchi
Pierre Lamunière: Vor einem Jahr wollten wir einige kleine Quartierzeitungen übernehmen. Wir mussten durch eine regelrechte Papier- und Formularmühle hindurch, um die Genehmigung zu erhalten. Aber dies ist nur ein Beispiel. Schauen Sie, was zurzeit im Raum Bern passiert: Die Gruppe Berner Zeitung will sich etwas ausdehnen, und die Wettbewerbskommission macht eine Riesensache daraus. Das ist doch völlig absurd. Die Schweizer Mediengruppen können kaum mehr wachsen. Dabei muss man wachsen können, um eine Zukunftschance zu haben.
Andere Länder betreiben doch auch Wettbewerbsschutz, um Monopole und marktbeherrschende Positionen zu verhindern.
Lamunière: Klar, aber die anderen Länder sind viel grösser. In den USA ist die Situation auf dem amerikanischen Medienmarkt entscheidend, und dieser besteht aus Hunderten von Millionen Menschen. Wir dagegen sind sieben Millionen. Und die Wettbewerbskommission teilt den Schweizer Markt zusätzlich in Sprachregionen auf. Noch schlimmer: Sie nimmt die regionalen Märkte als Richtgrössen und untersucht beispielsweise, ob im Raum Bern marktbeherrschende Positionen bestehen. Das ist, wie wenn die amerikanischen Wettbewerbsbehörden dafür sorgen wollten, dass im Süden von South Carolina keine marktbeherrschende Position entsteht.
Wäre es denn besser, man liesse die Sache einfach laufen?Lamunière: Man muss den Wettbewerb laufen lassen. Sehen Sie, es ist völlig falsch, heute den Presse- und Medienmarkt als einen abgeschlossenen Markt zu betrachten. In Zukunft werden die Bereiche Presse, TV, Telecom, Computer, Internet usw. mehr und mehr zusammenwachsen. Gruppen wie beispielsweise Microsoft, Warner und Telefonica schmieden Megafusionen; die alten Grenzen fallen. Wenn die Schweiz eine Chance haben will, müssen die grossen Schweizer Mediengruppen frei sein, Fusionen durchzuführen, ohne zuvor fünf Monate lang Formulare ausfüllen zu müssen. Denn allein diese Verspätung kann fatal sein.
An der PK haben Sie gesagt, die Schweiz brauche vielleicht fünf grosse und starke Mediengruppen. Wen zählen Sie dazu? Edipresse, Ringier, TA-Media, Gruppe NZZ, Gruppe Basler Zeitung?
Lamunière: Vielleicht auch die Gruppe Berner Zeitung, vielleicht noch andere. So genau habe ich mir das nicht überlegt. Aber wir dürfen nicht nur an die grossen Verlagsgruppen denken. Worauf es mir ankommt: Wenn die Schweiz eine Chance haben will, müssen die grossen Verlagsgruppen, aber auch Publigroupe und Swisscom wachsen und fusionieren können. Doch was geschieht heutzutage? Man limitiert sie – angeblich, weil sie marktbeherrschend sind oder zu werden drohen. Wenn ich höre, dass Edipresse eine «position dominante» haben solle, muss ich lachen.
Aber in der Westschweizer Pressewelt sind Sie doch dominant?Lamunière: Nochmals: Sie dürfen den Pressemarkt nicht gesondert betrachten. Es ist durchaus möglich, dass ausländische Betreiber von spezialisierten TV-Kanälen eines Tages auch in der Schweiz Printprodukte anbieten: In ein paar Jahren wird ja der TV-Apparat mit einem Drucker gekoppelt sein. Etwas Ähnliches bahnt sich im Bereich Online an: Internetsites werden immer mehr auch Printservice bieten. Das Zusammenwachsen von Internet und TV-Apparat dank der Technologie der Westschweizer Firma Kudelski …
… deren Chef André Kudelski im Edipresse-Verwaltungsrat sitzt …Lamunière: … richtig, dieses Zusammenwachsen hat zur Folge, dass die Grenzen zwischen Bild und Text, zwischen Presse und TV und Internet, immer mehr verwischen. Ein Beispiel: Das Journal de l’Horlogerie bietet neuerdings auch eine Videoversion auf Internet an. Das ist die Zukunft. Aber die Wettbewerbskommission hat das noch nicht kapiert. Dort sitzen vor allem Juristen. Wenn sich Juristen mit Medienfragen abgeben, dann kommt es selten gut heraus.
Die Verwischung der Grenzen bedeutet wohl, dass Edipresse immer mehr an eine Diversifizierung im Bereich TV denkt?Lamunière: Unsere Strategie ist klar: Wir wollen kein Fernsehen fürs grosse Publikum machen. Eine Beteiligung à la TV3 kommt für uns absolut nicht in Frage, «télévision généraliste» interessiert mich nicht. Aber ich könnte mir durchaus ein Engagement an einem Spartensender vorstellen.
Wird die Edipresse allfällige Diversifizierungsschritte gewissermassen intern generieren, oder denken Sie an Beteiligungen und Übernahmen?Lamunière: Ich schliesse Übernahmen und Beteiligungen keineswegs aus. Alle Mittel, die unsere Position stärken können, werden studiert. Ich nehme an, dass wir bis Ende Jahr eine oder zwei Operationen ankündigen können.
Wir sind gespannt! Monsieur Lamunière, vielen Dank.
Interview: Christophe Büchi