Die Ikonen unserer Alltagskultur
Ein neues Buch von James B. Twitchell stellt die 20 wichtigsten Kampagnen des 20. Jahrhunderts vor
Ein neues Buch von James B. Twitchell stellt die 20 wichtigsten Kampagnen des 20. Jahrhunderts vorVon Thérèse Balduzzi James B. Twitchell, amerikanischer Autor von kritischen Büchern über Popkultur und Werbung, scheint sich mit der Allgegenwart der Werbung abgefunden zu haben. Sein neues Buch «Twenty Ads That Shook the World» ist eine Analyse von zwanzig Kampagnen, die amerikanisches Kulturgut geworden sind. Es liest sich wie eine Ode an die Werbung.
Ob man es möge oder nicht, sagt der Autor in der Einleitung zu seinem neuen Buch, Werbung habe als Bezugssystem in Konversationen das frühere literarische Allgemeinwissen ersetzt. Twitchell, der in zahlreichen Büchern die kommerzielle Kultur kritisiert hat («Adcult USA: The Triumph of Advertising in American Culture», «Lead us into Temptation: The Triumph of American Materialism» und «Carnival Culture: The Trashing of Taste in America») greift jedoch diese Realität nicht gross an und nimmt eine pragmatische Haltung ein. Er bemängelt aber, dass gleichzeitig über die Geschichte der Werbung viel zu wenig bekannt sei, dass sie selbst in Werbeschulen nicht genug gelehrt wird.
Mit seinem neuen Buch will Twitchell diese Lücke in der Geschichtsschreibung der Werbekultur füllen und die Entwicklung und den Erfolg von Kampagnen analysieren, die seiner Meinung nach die amerikanische Kultur und damit auch den durch die amerikanische Kultur beeinflussten Rest der Welt grundlegend verändert haben.
Werber schufen zum Produkt auch gleich die Bedürfnisse
Genauer begründet Twitchell seine Auswahlkriterien nicht. Freilich, es geht ihm nicht nur um die cleversten Kampagnen, sondern auch darum, mit welcher Kunst Informationen kommuniziert und aufgenommen werden, und um die Kunst der Beeinflussung der Konsumenten. Er sieht seine Liste als Analogie zu Anthologien, die jeweils die wichtigsten Werke der abendländischen Literatur zusammenstellen.
Begeistert erzählt er von den genialen Streichen, die sich Werber im Laufe der Zeit einfallen liessen. Twitchell beginnt in den dunklen Anfängen der Branche vor 120 Jahren, als ein gewisser P. T. Barnum sein Kuriositätenkabinett aus New York als «Greatest Show on Earth» bezeichnete, womit er der Urvater aller Superlative und massloser Übertreibungen in Werbetexten gewesen sei. (Auf Barnum geht das Wort «Jumbo» zurück.) Ein Geniestreich gelang auch den Verkäufern des Mundwassers «Listerine» im Jahre 1924, indem sie zuerst das Schamgefühl für das «medizinische» Problem «Halitosis» (Mundgeruch) bildeten, um gleich die Kur dagegen anzubieten. Eine ähnliche Wirkung auf Wahrnehmung und Sprache hatte der Ausdruck «Pepsodent-Smile» ausgeübt.
Werbung wird in die Nähe von Heilsversprechen gerückt
Ab den 50er-Jahren finden sich alte Bekannte wieder, die immer wieder auf solchen Zusammenstellungen auftauchen: Der Marlboro-Mann, der die vormalige Damenzigarette zum Inbegriff männlicher Unabhängigkeit stilisierte; DeBeers «Diamonds are forever»-Kampagne, die Diamanten zum festen Bestandteil von Paarungsritualen machte; die «Think small»-Kampagne für den VW-Käfer 1962, die es fertigbrachte, den Amerikanern ein kleines Auto zu verkaufen, und Clairol’s «Does she…or doesn’t she?»-Kampagne, die das Tabu des Haarfärbens durchbrach. Ab den 70ern figurieren Revlons «Charlie»-Werbung, die kühn auf das neue Selbstverständnis der Frau hinwies, die Absolut-Kampagne als perfekte «Verpackung» eines langweiligen Getränks, der legendäre Apple-1984-Spot von Chiat/Day und zu guter Letzt das Phänomen Michael Jordan.
Werbung sei ein typisch westliches Phänomen, schreibt der Autor James B. Twitchell und findet in seiner Analyse zugleich Parallelen zur christlichen Religion und ihren Heilsversprechungen. Die überzogene Kritik am Materialismus der Konsumkultur hält er jedoch für verfehlt: Wir bräuchten gerade diese Bedeutungen, die Werbung Produkten andichtet, weil wir nicht genug materialistisch seien. Die Behauptung, Werbung kreiere künstliche Bedürfnisse, basiere auf dem Mythos einer Zeit, in der Menschen nur natürliche statt auch kulturelle Bedürfnisse gehabt hätten.
Ob man es möge oder nicht, sagt der Autor in der Einleitung zu seinem neuen Buch, Werbung habe als Bezugssystem in Konversationen das frühere literarische Allgemeinwissen ersetzt. Twitchell, der in zahlreichen Büchern die kommerzielle Kultur kritisiert hat («Adcult USA: The Triumph of Advertising in American Culture», «Lead us into Temptation: The Triumph of American Materialism» und «Carnival Culture: The Trashing of Taste in America») greift jedoch diese Realität nicht gross an und nimmt eine pragmatische Haltung ein. Er bemängelt aber, dass gleichzeitig über die Geschichte der Werbung viel zu wenig bekannt sei, dass sie selbst in Werbeschulen nicht genug gelehrt wird.
Mit seinem neuen Buch will Twitchell diese Lücke in der Geschichtsschreibung der Werbekultur füllen und die Entwicklung und den Erfolg von Kampagnen analysieren, die seiner Meinung nach die amerikanische Kultur und damit auch den durch die amerikanische Kultur beeinflussten Rest der Welt grundlegend verändert haben.
Werber schufen zum Produkt auch gleich die Bedürfnisse
Genauer begründet Twitchell seine Auswahlkriterien nicht. Freilich, es geht ihm nicht nur um die cleversten Kampagnen, sondern auch darum, mit welcher Kunst Informationen kommuniziert und aufgenommen werden, und um die Kunst der Beeinflussung der Konsumenten. Er sieht seine Liste als Analogie zu Anthologien, die jeweils die wichtigsten Werke der abendländischen Literatur zusammenstellen.
Begeistert erzählt er von den genialen Streichen, die sich Werber im Laufe der Zeit einfallen liessen. Twitchell beginnt in den dunklen Anfängen der Branche vor 120 Jahren, als ein gewisser P. T. Barnum sein Kuriositätenkabinett aus New York als «Greatest Show on Earth» bezeichnete, womit er der Urvater aller Superlative und massloser Übertreibungen in Werbetexten gewesen sei. (Auf Barnum geht das Wort «Jumbo» zurück.) Ein Geniestreich gelang auch den Verkäufern des Mundwassers «Listerine» im Jahre 1924, indem sie zuerst das Schamgefühl für das «medizinische» Problem «Halitosis» (Mundgeruch) bildeten, um gleich die Kur dagegen anzubieten. Eine ähnliche Wirkung auf Wahrnehmung und Sprache hatte der Ausdruck «Pepsodent-Smile» ausgeübt.
Werbung wird in die Nähe von Heilsversprechen gerückt
Ab den 50er-Jahren finden sich alte Bekannte wieder, die immer wieder auf solchen Zusammenstellungen auftauchen: Der Marlboro-Mann, der die vormalige Damenzigarette zum Inbegriff männlicher Unabhängigkeit stilisierte; DeBeers «Diamonds are forever»-Kampagne, die Diamanten zum festen Bestandteil von Paarungsritualen machte; die «Think small»-Kampagne für den VW-Käfer 1962, die es fertigbrachte, den Amerikanern ein kleines Auto zu verkaufen, und Clairol’s «Does she…or doesn’t she?»-Kampagne, die das Tabu des Haarfärbens durchbrach. Ab den 70ern figurieren Revlons «Charlie»-Werbung, die kühn auf das neue Selbstverständnis der Frau hinwies, die Absolut-Kampagne als perfekte «Verpackung» eines langweiligen Getränks, der legendäre Apple-1984-Spot von Chiat/Day und zu guter Letzt das Phänomen Michael Jordan.
Werbung sei ein typisch westliches Phänomen, schreibt der Autor James B. Twitchell und findet in seiner Analyse zugleich Parallelen zur christlichen Religion und ihren Heilsversprechungen. Die überzogene Kritik am Materialismus der Konsumkultur hält er jedoch für verfehlt: Wir bräuchten gerade diese Bedeutungen, die Werbung Produkten andichtet, weil wir nicht genug materialistisch seien. Die Behauptung, Werbung kreiere künstliche Bedürfnisse, basiere auf dem Mythos einer Zeit, in der Menschen nur natürliche statt auch kulturelle Bedürfnisse gehabt hätten.