Belästigung oder Bereicherung?

SMS verlangt als Werbemedium ein Gespür für Privatsphäre

SMS verlangt als Werbemedium ein Gespür für PrivatsphäreVon Bruno AmstutzSMS ist als Kommunikationsform etabliert – Werbung damit zu verschicken ist jedoch heikel. Handybesitzer fühlen sich leicht gestört.
Eigentlich müsste das Mobiltelefon das ideale Werbemedium darstellen: Ein breites Zielpublikum ist direkt und unabhängig vom Standort erreichbar, und eine hohe Aufmerksamkeit ist garantiert. Trotzdem sind die Möglichkeiten, das Handy als Werbemedium zu nutzen, beschränkt. SMS als reines Textmedium kann erstens keine Grafiken unterbringen und bietet zweitens nicht viel Platz für Werbebotschaften. Die WAP-Technologie, welche solche Hindernisse hingegen nicht mehr kennt, ist zum heutigen Zeitpunkt noch zu wenig benutzerfreundlich.
Auf reiner SMS-Basis ergibt sich die Möglichkeit, Sponsormeldungen in Textnachrichten zu integrieren. Diese erscheinen üblicherweise, wenn SMS von Websites aus gratis verschickt werden oder wenn abonnierte Dienste ihre Meldungen an einen registrierten Abonnentenstamm verschicken. Die Sponsorenmeldungen sollen in erster Linie Traffic zur entsprechenden Website generieren. Die dritte Werbemöglichkeit ist mit einem SMS gegeben, das ausschliesslich als Werbebotschaft konzipiert ist.
Mehr Optionen bieten die Kombinationen von SMS mit WAP. Per Textnachricht kann eine Aufforderung gesendet werden, eine WAP-Seite mit mehr Informationen zu besuchen. Auf WAP-Seiten bieten sich ähnliche Werbemöglichkeiten wie im Internet: Banner, Links oder sogenannte Interstitials, bildschirmfüllende Werbebotschaften, die entweder weggeclickt werden können oder nach einigen Sekunden verschwinden. Seit neustem lassen sich per WAP-Link auch direkt Telefonverbindungen herstellen.
Permission Marketing heisst das Zauberwort
Der grosse Vorteil von Handys, ihre weite Verbreitung und die Nähe zum Benutzer, hat auch eine heikle Seite. Das Mobiltelefon wird als persönlicher Gegenstand wahrgenommen. Ungefragte Werbung kann schnell störend wirken. Breit gestreute unaufgeforderte Werbesendungen sind im E-Mail-Bereich als Spamming verpönt. In der Schweiz sind sie zurzeit nicht verboten, können sich aber als Schuss in den Ofen erweisen.
«Professionelle Vermarkter betreiben kein Spamming, es erweist sich als kontraproduktiv», erklärt Martin Radelfinger, Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung des Internetvermarkters AdLink. Seit einigen Monaten hat AdLink auch SMS- und WAP-Werbung in die Dienstleistungspalette aufgenommen. Ähnliche Töne schlägt Robi Weber an, der ein Beratungsmandat für Marketing und Kommunikation der Firma Pagemedia innehat: «SMS ist ein äusserst sensibles Medium», so Weber, «die User fühlen sich sehr schnell in ihrer Privatsphäre tangiert.» Pagemedia ist ein Content Provider für SMS-Dienste. In diesen Dienstleistungen sieht Weber die besten Möglichkeiten, Werbebotschaften unterzubringen.
User, die sich per SMS mit Informationen zu ausgewählten Themen beliefern lassen, erklären sich auch bereit, Werbung aus diesem Themenfeld zu empfangen. Dieses Permission Marketing bietet denn auch praktisch die einzige Möglichkeit, aus der Flut von Handynummern Zielgruppen zu definieren. «Seriöse Anbieter müssen Permission Marketing betreiben», ist auch Erwin Schnee, Leiter der Fachgruppe Telekommunikation des Schweizer Direktmarketingverbandes, überzeugt, «die Grenze zwischen Akzeptanz und Belästigung ist sehr schmal.» Mit der Verlockung eines preiswerten und schnellen Vertriebskanals muss vorsichtig umgegangen werden.
«Bei SMS-Werbung ist es wichtig, dass der User die Nachricht als persönlichen Nutzen empfindet», erklärt Werner Fuchs, Mitglied der Geschäftsleitung von Dolphin Systems. Mit eCall bietet das Unternehmen einen Web-basierten SMS-Dienst, mit welchem Massensendungen verschickt, Empfangsbestätigungen abgefragt und Meldungen zu vorbestimmten Zeiten gesendet werden können.
Gemäss Fuchs liegt im Bereich SMS noch sehr viel ungenutztes Potenzial brach. Unternehmen könnten interessierte Empfänger schnell und billig über die aktuellsten Angebote oder Dienstleistungen informieren, Kunden an Termine erinnern oder Abholungseinladungen verschicken. Werbung paart sich so auf direktestem Weg mit dem Kundennutzen.
WAP ist mit der heutigen Technologie zu instabil
Schlechte Noten bekommt gegenwärtig die WAP-Technologie. Zu langsam sind die Anwendungen, zu instabil kommen die Verbindungen zu Stande, zu teuer und umständlich gehen die Einwahlprozeduren vonstatten. Dennoch bietet WAP interessante Zukunftsperspektiven. Roberto Donati, Geschäftsleiter von Kauf.com, ist diesbezüglich sehr optimistisch. Sein Unternehmen stellt sich für diverse WAP-Dienste zur Verfügung, zum Beispiel mit Wapitout, einer der grössten WAP-Suchmaschinen.
Schon jetzt aber generiert WAP-Werbung gemäss Donati mehr Clicks als Banner auf dem Internet, vor allem weil sie wegen der kleinen Handydisplays besser wahrgenommen wird. «WAP ist ausserdem evolutionär», fügt Donati hinzu, «das Wireless Application Protocol ist lediglich die Basis, und die Übertragungstechnologien werden sich rasch entwickeln.» Für die Werbung interessant ist vor allem die Möglichkeit der geografischen Lokalisierung von Handys. Local Based Marketing heisst das passende Schlagwort.
Vorstellbar sind Szenarien, in denen Handybenutzerinnen und -benutzer je nach Standort die Werbung der Geschäfte in ihrer Umgebung auf die WAP-Applikationen geschaltet bekommen. «Dann kann zum Beispiel auch die Bäckerei von nebenan elektronische Werbung betreiben», prognostiziert Donati, «das Internet ist für solche Unternehmen als Werbeplattform denkbar ungeeignet.» Auf einem Stadtplan im Handydisplay könnte in Zukunft das nächstliegende Kino eingeblendet werden, die Trailer der aktuellen Filme würden auf das Telefon gespielt, und die Ticketreservation könnte ebenfalls per Handy vorgenommen werden.
Von solchen Visionen ist die Realität aber momentan noch weit entfernt. Die Telefongesellschaften werden zwar ab Anfang des nächsten Jahres Local Based Solutions in ihr Angebot integrieren. Gleichzeitig wird mit GPRS eine leistungsfähigere Übertragungstechnologie in Betrieb genommen. Doch auf Seite der Werberinnen und Werber ist das Interesse an der Wireless-Werbung nach wie vor gering.
In der Werbebranche herrscht Skepsis vor
«Wir nehmen SMS und WAP wahr, aber bis jetzt hat es noch in keine Werbekampagne gepasst», befindet Peter Döbeli, Geschäftsführer der Mediaagentur Micom Carat. «SMS ist ein Mittel, das man in Spezialfällen einsetzen kann», schätzt Heinz Bischof, Geschäftsführer der Mediaagentur Media Planning, die Lage ein, «bei WAP, wie es sich heute präsentiert, bin ich skeptisch.»
Konkrete Erfahrungen mit WAP-Werbung hat hingegen der Getränkehersteller Rivella bereits gesammelt. Im Zusammenhang mit den olympischen Spielen in Sydney vom vergangenen September schaltete das Unternehmen Links auf WAP-Seiten, die mittels eines Wettbewerbs einen Rücklauf generierten. «Rivella ist ein dynamisches Unternehmen. Neue Technologien und deren Akzeptanz bei unseren Konsumenten werden ernst genommen und umgesetzt», erklärt Catrin Wetzel von Rivella-Marketing die Strategie.
Die Bedeutung von WAP sieht sie in flankierenden Massnahmen bei Promotionen und Kampagnen mit starkem Aktualitätsbezug. Das erste Experiment in eine neue mediale Richtung hat bei Rivella die Erwartungen jedenfalls erfüllt.
Service

Die Geschicht der Gebrauchsgrafik
Christoph Bignens stellt mit seiner Publikation «Swiss
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