Aus der Not wird eine Tugend
Wie Deutschschweizer Buchhändler mit minimalen Werbebudgets hohe Aufmerksamkeit erzielen
Wie Deutschschweizer Buchhändler mit minimalen Werbebudgets hohe Aufmerksamkeit erzielenVon Carlo Bernasconi Deutschschweizer Sortimenter haben es schwer: Ihre Gewinne sind so schmal, dass an Werbung kaum zu denken ist. Dennoch wagen auch kleinere Buchhändler, mithin auch in einen Kommunikationsberuf eingebunden, den Schritt zum Aufbau eines strategischen Markenbildes und verbuttern zwischen zwei und drei Prozent ihres Umsatzes für Werbung.
Tatsächlich haben betriebswirtschaftliche Untersuchungen von kleinen und mittleren Buchhandlungen in den vergangenen Jahren selten positive Ergebnisse zu Tage gefördert. Kein Wunder, dass das Thema Werbung in diesen ums Überleben strampelnden Sortimenten eher ein Tabu als ein Muss ist. Anders sieht es aus bei Grossbuchhandlungen. Dort hat man erkannt, nach welcher Melodie der Einzelhandel in den kommenden Jahren tanzen wird: Wirb oder stirb. Aus einem einfachen Grund. Die Produkte (Bücher) sind in allen Betrieben die gleichen. 80 Prozent der Bücher stammen aus der Bundesrepublik Deutschland – unterscheiden kann man sich als Händler nur durch den Aufbau eines starken Markenbildes.
Einer der ersten, der dies erkannt hat, ist Jens Stocker von der Buchhandlung Bider&Tanner in Basel. Am Aeschenplatz gelegen, knapp vor Basels 1-a-Lage, der Freie Strasse, wird er in diesen Tagen seine Ladenfläche verdoppeln. Diese Vergrösserung wird er mit Plakaten und Anzeigen in der Basler Zeitung ankündigen. Radiospots lässt der gelernte Sawi-Werbeleiter Stocker aus: «Wir sind auf Print ausgerichtet, schon wegen der Branche.»
Stocker gehört in der Branche zu den Buchhändlern, die bei der Werbung powern. So stark zuweilen, dass ihn seine Agentur Hess & Müller stoppen muss. Texter Tom Seinige dazu: «Stocker ist ein innovativer Geist.»
Buchhandlungen müssen auf Kontinuität setzen
ADC-Mitglied Seinige betreibt seit zweieinhalb Jahren «in einem partnerschaftlichen Vertrauensverhältnis» Imagewerbung für Bider&Tanner, und zwar mit dem gleichen Erscheinungsbild: zur Hauptsache Aussenwerbung und Tramplakate.
Aber auch Lesezeichen in der auf englischsprachige und Reisebücher spezialisierten Buchhandlung kommen zum Einsatz. Und das äusserst erfolgreich. Bei einer fachgerechten Jurierung von Buchhandelswerbung, ausgerichtet vom deutschen Branchenmagazin Buchmarkt, gewannen diese Lesezeichen eine bronzene Auszeichnung. Die Begründung dieser Wahl durch die Jury: Sie überzeugen durch «die überraschende, kreative und liebenswürdige Idee».
Dass sich solcher Einsatz nicht unmittelbar an der Kasse auswirkt, davon müssen Buchhändler erst noch überzeugt werden. Seinige vertritt die Ansicht, dass «es eine gewisse Inkubationszeit braucht», bis der Return on Invest in der Kasse sichtbar wird. Freilich, diese Maxime gilt etwa für den Internetbuchhändler Bertelsmann Online (BOL) weni-ger, meint Marketingdirektor An-dreas Németh, der sich auf Radio- und TV-Spots konzentriert und in Sachen Werbung viel Geld aus-geben muss, weil er noch am Aufbau der Marke arbeitet: «Ent- weder man geht sofort rein, wenn man den Spot gesehen oder gehört hat, oder lässt es bleiben», sagt Németh.
Bringt nur Onlinewerbung unmittelbaren Respons?
BOL geht davon aus, dass viele Surfer auch Radio hören und vom Spot auf die Homepage gelenkt werden. Besonders wichtig ist für Németh die Bannerplatzierung auf dem Bluewin-Portal. Dort hat er die Internetabteilung der Buchhandlung Orell Füssli abgelöst. Die Onlinewerbung ist
für BOL schon deshalb wichtig, weil sie unmittelbaren Respons bringt, und den «sieht man beim Inserat nicht», meint Németh.
Dem würde indessen Ursula Weber, Koordinatorin Kommunikation bei der Orell Füssli Buchhandels AG, widersprechen. Ihre Kampagne für die Homepage mit halbseitigen Anzeigen in der Neuen Zürcher Zeitung wertet sie als erfolgreich. Ihre Kommunikationsbemühungen dehnt Weber auch auf Werbung am Point of Sale, also im Laden, aus. «Wir beschäftigen einen eigenen Dekorateur, der Welten rund um ein Buch schafft, ohne es zu erdrücken», sagt sie. Sie fokussiert im Gegensatz zu Bider&Tanner ihre Werbeaktivitäten auf die einzelnen Bücher und arbeitet für den Werbeauftritt von Orell Füssli mit der Werbe- und DM-Agentur Alex Schmid AG zusammen. «Bei uns steht klar das einzelne Buch im Mittelpunkt», betont Weber, «denn jedes Buch hat seinen eigenen Charakter.» Eine Werbephilosophie, die auch die St.Galler Buchhandlung Rösslitor stützt – wenn auch mit anderen Werbemitteln. Rösslitor-CEO Martin Brühwiler setzt ebenfalls auf Imagewerbung und das Buch in den Mittelpunkt. Für ihre Werbeauftritte hat Rösslitor die Rorschacher Agentur Erat Thoma & Herzog beschäftigt. Copywriter Hank Sulkowsky verknüpft das einzelne Buch mit dem Auftritt des St.Galler Leaders. «Es geht darum, ein Staunen auszulösen», wenn Rösslitor-Plakate in der Gallusstadt gehängt oder Dias in Kinos gezeigt werden. «Wir stellen uns die Headline vor und suchen einen Buchtitel, der dazu passt», ergänzt Sulkowsky.
Budgets bilden mitnichten einen kreativen Hemmschuh
Dass Erat Thoma & Herzog ebenso wie die anderen Agenturen, die im Dienste der Buchhändler stehen, mit kleineren Budgets zu hantieren haben, stört Sulkowsky keineswegs. «Das ist doch kein Problem für einen Werber, wenn man eine gute Idee hat», meint er im Brustton der Überzeugung, um aus der Not eine Tugend zu schmieden: «Das niedrige Budget ist die Stärke der Kampagne. Unsere Agenturleistung besteht zur Hauptsache in der Recherche», so der Copywriter.
Bider&Tanner-Plakate als begehrtes Wohnungsdekor
Die Beschränkung auf Text als Werbemittel ist für Tom Seinige eine eigene Herausforderung. Dass er und sein Kunde sie so gut gemeistert haben, erkennt man zum einen daran, dass die Bider-&Tanner-Kunden die Plakate gerne bei sich zu Hause hätten. «In Basel ist Bider&Tanner die Buchhandlung mit den lustigen Sprüchen», meint Seinige zur Wirkung des Imageauftritts.
Zumindest hat er Katja Muchenberger von der Grossbuchhandlung Jäggi dazu inspiriert, den Baslern die Jäggi-Läden ebenfalls mit einer Imagekampagne in Erinnerung zu rufen. Klarer Fall für sie, dass diese Kampagne Lust am Lesen wecken sollte. «Lesch+Frei hat den Auftrag so umgesetzt, wie ich es mir vorgestellt habe», sagt die seit Mai amtierende Werbe- und Kommunikationsleiterin in Basel.
Für CD Thomas Lüber von Lesch+Frei war vor dem Briefing schon fast alles klar: Jäggi hatte die Plakatstellen schon gebucht und auch das Budget stand von Anfang an fest. «Wenn das Briefing nicht darauf fixiert ist, Probleme zu lösen, wird die Werbung zu einem weiten Feld», meint Lüber. Kein Problem für ihn und sein Beratungsteam.
Dass man am Ende doch bei einer Textlösung angelangt ist, hängt für ihn mit dem Medium Buch zusammen: «Der Text ist näher am Medium und man muss sich darauf einlassen.» Lösungen mit Bildern hätten zwar auch vorgelegen, aber «der Gedanke zum Text ist stärker als das Bild», meint Lüber – und noch etwas: Er liess sich prägnant umsetzen. Denn am Ende wirbt Lesch+Frei mit dem, was sich die gesamte Printbranche wünscht, ob Zeitung, Zeitschrift oder Buch: «Viel Spass beim Lesen.»
Tatsächlich haben betriebswirtschaftliche Untersuchungen von kleinen und mittleren Buchhandlungen in den vergangenen Jahren selten positive Ergebnisse zu Tage gefördert. Kein Wunder, dass das Thema Werbung in diesen ums Überleben strampelnden Sortimenten eher ein Tabu als ein Muss ist. Anders sieht es aus bei Grossbuchhandlungen. Dort hat man erkannt, nach welcher Melodie der Einzelhandel in den kommenden Jahren tanzen wird: Wirb oder stirb. Aus einem einfachen Grund. Die Produkte (Bücher) sind in allen Betrieben die gleichen. 80 Prozent der Bücher stammen aus der Bundesrepublik Deutschland – unterscheiden kann man sich als Händler nur durch den Aufbau eines starken Markenbildes.
Einer der ersten, der dies erkannt hat, ist Jens Stocker von der Buchhandlung Bider&Tanner in Basel. Am Aeschenplatz gelegen, knapp vor Basels 1-a-Lage, der Freie Strasse, wird er in diesen Tagen seine Ladenfläche verdoppeln. Diese Vergrösserung wird er mit Plakaten und Anzeigen in der Basler Zeitung ankündigen. Radiospots lässt der gelernte Sawi-Werbeleiter Stocker aus: «Wir sind auf Print ausgerichtet, schon wegen der Branche.»
Stocker gehört in der Branche zu den Buchhändlern, die bei der Werbung powern. So stark zuweilen, dass ihn seine Agentur Hess & Müller stoppen muss. Texter Tom Seinige dazu: «Stocker ist ein innovativer Geist.»
Buchhandlungen müssen auf Kontinuität setzen
ADC-Mitglied Seinige betreibt seit zweieinhalb Jahren «in einem partnerschaftlichen Vertrauensverhältnis» Imagewerbung für Bider&Tanner, und zwar mit dem gleichen Erscheinungsbild: zur Hauptsache Aussenwerbung und Tramplakate.
Aber auch Lesezeichen in der auf englischsprachige und Reisebücher spezialisierten Buchhandlung kommen zum Einsatz. Und das äusserst erfolgreich. Bei einer fachgerechten Jurierung von Buchhandelswerbung, ausgerichtet vom deutschen Branchenmagazin Buchmarkt, gewannen diese Lesezeichen eine bronzene Auszeichnung. Die Begründung dieser Wahl durch die Jury: Sie überzeugen durch «die überraschende, kreative und liebenswürdige Idee».
Dass sich solcher Einsatz nicht unmittelbar an der Kasse auswirkt, davon müssen Buchhändler erst noch überzeugt werden. Seinige vertritt die Ansicht, dass «es eine gewisse Inkubationszeit braucht», bis der Return on Invest in der Kasse sichtbar wird. Freilich, diese Maxime gilt etwa für den Internetbuchhändler Bertelsmann Online (BOL) weni-ger, meint Marketingdirektor An-dreas Németh, der sich auf Radio- und TV-Spots konzentriert und in Sachen Werbung viel Geld aus-geben muss, weil er noch am Aufbau der Marke arbeitet: «Ent- weder man geht sofort rein, wenn man den Spot gesehen oder gehört hat, oder lässt es bleiben», sagt Németh.
Bringt nur Onlinewerbung unmittelbaren Respons?
BOL geht davon aus, dass viele Surfer auch Radio hören und vom Spot auf die Homepage gelenkt werden. Besonders wichtig ist für Németh die Bannerplatzierung auf dem Bluewin-Portal. Dort hat er die Internetabteilung der Buchhandlung Orell Füssli abgelöst. Die Onlinewerbung ist
für BOL schon deshalb wichtig, weil sie unmittelbaren Respons bringt, und den «sieht man beim Inserat nicht», meint Németh.
Dem würde indessen Ursula Weber, Koordinatorin Kommunikation bei der Orell Füssli Buchhandels AG, widersprechen. Ihre Kampagne für die Homepage mit halbseitigen Anzeigen in der Neuen Zürcher Zeitung wertet sie als erfolgreich. Ihre Kommunikationsbemühungen dehnt Weber auch auf Werbung am Point of Sale, also im Laden, aus. «Wir beschäftigen einen eigenen Dekorateur, der Welten rund um ein Buch schafft, ohne es zu erdrücken», sagt sie. Sie fokussiert im Gegensatz zu Bider&Tanner ihre Werbeaktivitäten auf die einzelnen Bücher und arbeitet für den Werbeauftritt von Orell Füssli mit der Werbe- und DM-Agentur Alex Schmid AG zusammen. «Bei uns steht klar das einzelne Buch im Mittelpunkt», betont Weber, «denn jedes Buch hat seinen eigenen Charakter.» Eine Werbephilosophie, die auch die St.Galler Buchhandlung Rösslitor stützt – wenn auch mit anderen Werbemitteln. Rösslitor-CEO Martin Brühwiler setzt ebenfalls auf Imagewerbung und das Buch in den Mittelpunkt. Für ihre Werbeauftritte hat Rösslitor die Rorschacher Agentur Erat Thoma & Herzog beschäftigt. Copywriter Hank Sulkowsky verknüpft das einzelne Buch mit dem Auftritt des St.Galler Leaders. «Es geht darum, ein Staunen auszulösen», wenn Rösslitor-Plakate in der Gallusstadt gehängt oder Dias in Kinos gezeigt werden. «Wir stellen uns die Headline vor und suchen einen Buchtitel, der dazu passt», ergänzt Sulkowsky.
Budgets bilden mitnichten einen kreativen Hemmschuh
Dass Erat Thoma & Herzog ebenso wie die anderen Agenturen, die im Dienste der Buchhändler stehen, mit kleineren Budgets zu hantieren haben, stört Sulkowsky keineswegs. «Das ist doch kein Problem für einen Werber, wenn man eine gute Idee hat», meint er im Brustton der Überzeugung, um aus der Not eine Tugend zu schmieden: «Das niedrige Budget ist die Stärke der Kampagne. Unsere Agenturleistung besteht zur Hauptsache in der Recherche», so der Copywriter.
Bider&Tanner-Plakate als begehrtes Wohnungsdekor
Die Beschränkung auf Text als Werbemittel ist für Tom Seinige eine eigene Herausforderung. Dass er und sein Kunde sie so gut gemeistert haben, erkennt man zum einen daran, dass die Bider-&Tanner-Kunden die Plakate gerne bei sich zu Hause hätten. «In Basel ist Bider&Tanner die Buchhandlung mit den lustigen Sprüchen», meint Seinige zur Wirkung des Imageauftritts.
Zumindest hat er Katja Muchenberger von der Grossbuchhandlung Jäggi dazu inspiriert, den Baslern die Jäggi-Läden ebenfalls mit einer Imagekampagne in Erinnerung zu rufen. Klarer Fall für sie, dass diese Kampagne Lust am Lesen wecken sollte. «Lesch+Frei hat den Auftrag so umgesetzt, wie ich es mir vorgestellt habe», sagt die seit Mai amtierende Werbe- und Kommunikationsleiterin in Basel.
Für CD Thomas Lüber von Lesch+Frei war vor dem Briefing schon fast alles klar: Jäggi hatte die Plakatstellen schon gebucht und auch das Budget stand von Anfang an fest. «Wenn das Briefing nicht darauf fixiert ist, Probleme zu lösen, wird die Werbung zu einem weiten Feld», meint Lüber. Kein Problem für ihn und sein Beratungsteam.
Dass man am Ende doch bei einer Textlösung angelangt ist, hängt für ihn mit dem Medium Buch zusammen: «Der Text ist näher am Medium und man muss sich darauf einlassen.» Lösungen mit Bildern hätten zwar auch vorgelegen, aber «der Gedanke zum Text ist stärker als das Bild», meint Lüber – und noch etwas: Er liess sich prägnant umsetzen. Denn am Ende wirbt Lesch+Frei mit dem, was sich die gesamte Printbranche wünscht, ob Zeitung, Zeitschrift oder Buch: «Viel Spass beim Lesen.»