Auffrischung eines Klassikers

Der neu strukturierte Landdienst will sich ein jüngeres Image zulegen

Der neu strukturierte Landdienst will sich ein jüngeres Image zulegenVon Luca AloisiDie Vermittlungszahlen für den Landdienst stagnieren seit Jahren auf mässigem Niveau. Zwar ist die Situation nicht alarmierend wie in den Achtzigerjahren, als der freiwillige Frondienst ums Überleben kämpfte. Trotzdem tut Stilanpassung Not. Will die urhelvetische Einrichtung wieder Popularität gewinnen, ist eine neue Strategie gefragt, um das junge Publikum zu ködern.
«Wir arbeiten nach modernen Methoden», ist Bruno Pfeuti, seit 14 Jahren Landdienst-Geschäftsleiter, überzeugt und beschreibt, wie er das «pädagogisch wertvolle Angebot» dem jungen Publikum – vor allem 14- und 15-Jährige – wieder schmackhafter machen will. Denn: Gute Öffentlichkeitsarbeit für Fundraising hin, lustige Werbeauftritte für Rekrutierung her: die in den ersten Neunzigerjahren dynamisierte Popularität des 55-jährigen Landdienstes (LD) – «nebenbei auch ein glaubwürdiges und sinnvolles PR-Instrument der Landwirtschaft», so Pfeuti – ist flügellahm geworden.
Das veränderte Freizeitverhalten und das Ferienjobangebot der letzten Jahre verringerten die Vermittlungszahlen (2000: 3302). Trotzdem bleibt dies eine beachtliche Zahl für die fünf übers Jahr summierten Vollzeitstellen und die überaus günstigen Vermittlungskosten des LD. Allerdings: Gemessen an den durchschnittlich rund 90000 Jugendlichen pro Jahrgang scheint beim Nischenprodukt LD noch viel Marktpotenzial brachzuliegen.
Dabei bleibt Pfeuti realistisch, wenn er gar nicht erst an die Blüte des Vereins anzuknüpfen versucht. In den Sechziger- und Siebzigerjahren flogen noch ganze Schulklassen aus, um beispielsweise bei der Traubenlese anzupacken. Sich einen Platz in der kommerzialisierten Freizeit der funorientierten Jugendlichen zu erobern, wird immer schwieriger, weiss er.
Ein bunter Strauss an hehren Idealen…
Ein neues Organisationsleitbild und eine jugendgerechtere Kommunikationstaktik sind gefragt. Schon Ende 1999 machten sich die LD-Verantwortlichen an einer Klausurtagung Gedanken zum Angebot der gemeinnützigen Tätigkeit, um die Positionierung des leistungsabhängig subventionierten privaten Vereins neu zu profilieren.
Ausgehend von der Positionierung in Bezug auf Gesellschaft, Landwirtschaft, Jugend und Schule sowie verschiedenen Zukunftsszenarien – vom Worst bis zum Best Case –, leiteten sie einerseits mögliche Entwicklungen ab. Andererseits hielten sie fest, dass der Landdienst zwar ein Angebot für eine Minorität ist, jedoch bei verschiedenen Bevölkerungsgruppen gut verankert ist und seine hohe Glaubwürdigkeit wirtschaftlich noch besser ausschöpfen könnte. Auch das Wachstumspotenzial sehe bei einer auf Bildung (Schulen) und Kulturbereich zielenden Positionierung positiv aus. So machen neuerdings Platzierungen ins nahe Ausland das Angebot attraktiver.
Anstatt in mehr Werbung und Kampagnen müsse der Verein mehr in Produktgestaltung durch Aufwertung und in Kooperationen investieren. Gleichzeitig müsse der direkte wie auch der inhärente Nutzen für die Jugendlichen präzise formuliert und kommuniziert werden. «Der Jugendliche lernt im Landdienst in vielen Fällen ein Mehrfaches von dem, was in er in der Schule abhockt», meint Pfeuti. Auch zu spüren, dass man gebraucht werde, sei für Jugendliche motivierend. Die Erfahrung, einen wertvollen Beitrag zu leisten, helfe den Selbstwert aufzubauen.
Um die zeitweilige Erziehungsinstanz Bauernfamilie in dieser Rolle zu unterstützen, hat der LD seit kurzem ein Qualitätsprogramm eingeführt, das die Schwachstellen ausmerzen soll. Schöne Worte für hehre Ideale. Nur: Wie wurden diese Werte bisher kommuniziert? Man stellt fest, dass der LD seine Vorsätze bisher nur zum Teil an das Banner seiner Öffentlichkeitsarbeit geheftet hat. Immerhin scheut der LD weder Kritik noch Transparenz.
…harrt einer frischeren
Kommunikationstaktik
Beginnen wir bei der Marke: Bruno Pfeuti ist sich durchaus bewusst, dass der Name Landdienst nicht optimal ist, um Jugendliche für das Angebot zu begeistern. Tatsächlich sieht man in der neuen Dachkampagne, dass der Name eigentlich nur noch auf der Homepage auftaucht. Und bei den anderen Werbemitteln hat sich inzwischen die Wortmarke «Power beim Bauer» etabliert, die eine nachhaltige Imagebelebung bewirken dürfte.
Der LD muss auch gegen die
Konkurrenz bestehen können
1997 wurde nicht nur das Logo von dem Freelancer/Cartoonisten Beat Sigel neu entworfen. Auch ein neuer Brand wurde vorgeschlagen: Agristage. Dieser sei dynamisch, jung, klar, aussagekräftig, prägnant und würde sprachgruppenspezifisch zum Slogan «Power beim Bauer» besser passen, argumentierte damals Geschäftsleiter Pfeuti.
Da aber die neue Marke eine Abkoppelung vom historischen und sinngebenden Begriff bedeuten würde, befürchtet man den Rückhalt der Bauernfamilien zu verlieren. Und so haftet der Marke immer noch ein etwas miefiger Zeitgeistbeigeschmack an, der an die «Blut und Boden»-Terminologie und an die «Anbauschlacht» Friedrich Traugott Wahlens erinnert.
Bruno Pfeuti hat für solche Bedenken nur ein müdes Lächeln übrig. Viel mehr beschäftigt ihn das krisen- und skandalerschütterte Image der Agrarbranche, das unvermeidlich auf den LD ausstrahlt. Dem Bauernstand scheint derzeit keine positive Schlagzeile vergönnt zu sein.
Vor diesem Hintergrund kommt der idyllische LD-Auftritt fast wie ein Anachronismus daher. «Natürlich leidet auch das Image unseres Vereins unter den Auswüchsen der industriellen Tierproduktion», sagt Pfeuti. Das anhaltende Wegsterben echter Haupterwerbs- und Familienbetriebe macht seine Aufgabe ebenso schwierig wie die wachsende Konkurrenz im In- und Ausland – Ferien auf dem Bauernhof, Bio Terra, Schweizer Bergheime, Working Guest Program oder Willing Workers on Organic Farms (WWOF) –, die, wenn auch nicht gleich positioniert, doch ein ähnliches Angebot feilbietet.
Endlich gewinnt die Kampagne an Authentizität
Mit welchen Werbeumsetzungen wehrt sich nun der LD gegen diese Tendenzen? «Wir behaupten nicht, dass wir eine extrem originelle Werbung haben», gesteht Pfeuti. Es gelte auch, Rücksicht zu nehmen auf die eher konservative Kundschaft. Andererseits ist er überzeugt, dass der bisher etwas handgestrickt wirkende LD-Werbeauftritt dank der Kontinuität einen gewissen Erfolg zeitigte. «Wir wären aber nicht unglücklich, wenn eine etablierte Werbeagentur auf uns zukäme und auf Grund unserer Vorarbeit uns unter die Arme greifen würde», meint er nachdrücklich.
Dass er aber als Auftraggeber nicht nur finanziell enge Rahmenbedingungen setzt, wird spätestens dann deutlich, wenn Pfeuti auf die Jahreszeitung des LD zu sprechen kommt. Zu Gunsten eines qualitativen und seriösen Stils und Layouts schlug er ein Angebot einer PR-Agentur ab, die ihm eine Zeitschrift anbot, die sich mit Inseraten finanziert hätte. Zu billig, urteilte Pfeuti, der die vierseitige Publikation auch als Fundraising-Mittel einsetzen will.
Wenigstens bei der Dachkampagne weht ein frischerer Wind: Zum einen ersetzte der «grösste Ferienjobvermittler» (Eigenwerbung) das Visual der reizlosen Mistgabel (2000) durch den bunten Snapshot-Bilderbogen, zum anderen vertieft er die Headline – «Das farbige Erlebnis».
Zur frühen Sensibilisierung für das Sommerangebot hat schon während der Skiferien in mehreren Privatbahnen ein erster Aushang stattgefunden, der nun von Plakatgesellschaften zu günstigen Konditionen auf weiteren grösseren Flächen fortgesetzt wird. Erst nach der Plakatierungszeit anderer grosser NPO folgt in den Sommerferien – dann zwar nicht mehr rekrutierungswirksam – die zweite Welle, die immerhin imagefördernd und bestätigend mit dem Bauernbrunch am 1. August und der Zeit zusammenfällt, in der die meisten Teilnehmer im Einsatz sind. Um den Response noch zu steigern, kommen dieses Jahr flankierend ein Wettbewerb und Give-aways zum Einsatz, was den Direktmarketinganteil im Werbemediensplit erhöht.
Die Bio-Masche zieht beim
Jogurt, nicht aber beim LD
Als weiteres Marketingelement sollen nebst Sponsoringpartnern, die den Medienzugang erleichtern, auch Public Relations dem LD zu einem zeitkonformeren Image und Selbstverständnis verhelfen. Mit gutem Grund: Der Wandel kommt nämlich von innen. Während 40 Jahren vermittelte der LD dezentralisiert in den Kantonsverwaltungen, meist in den Arbeitsämtern. Doch als privater Verein war im Hinblick auf die Zukunft der Rückgriff auf öffentliche Strukturen nicht haltbar. Vor zwei Jahren wurde deshalb eine Organisationsreform beschlossen.
Die bisher geschaffenen überkantonalen, an die Bauernsekretariate angegliederten Regionalstellen haben den Vorteil, dass sie die Auftraggeber kennen und besser kontrollieren können. Nach aussen hofft der LD mit der schlankeren Infrastruktur auch in breitesten Kreisen – wie öffentliche Verwaltungen, Politiker, Medienkreise – mehr Goodwill generieren zu können.
Weiter strebt der LD bewusst Vernetzungen mit anderen NPO an, um die Jugendlichen auf die Thematik Landwirtschaft zu sensibilisieren. Projekte wie «Schule auf dem Bauernhof», eine eintägige Unterrichtseinheit, die in ein paar Jahren flächendeckend in den obligatorischen Schulstufen und Berufsschulen zum Unterricht gehören könnte, zählt Pfeuti auf, der übrigens in der Jugendarbeit Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen gesammelt hat.
Auf einen werbewirksamen Trumpf wird er paradoxerweise weiterhin verzichten: Dass die Vermittlung des LD nicht expli-zit das emotionale Schlagwort «Bio» ausspielen kann, liegt daran, dass die Schweiz schlicht zu wenig Biobetriebe hat. Pfeuti relativiert: «Beim Bezug auf die Erlebnisqualität im Landdienst ist die Produktionsmethode sowieso nicht so entscheidend wie beim Verzehr eines Bio-Jogurts.»

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