Auch für Ausserirdische

Der 8. Berner Marketingtag suchte nach «Durchblick» in einer wirrer werdenden Welt

Der 8. Berner Marketingtag suchte nach «Durchblick» in einer wirrer werdenden WeltVon Anita Vaucher Gerade in unsicheren Zeiten ist Austausch unter Gleichgesinnten besonders gefragt. Diesem Bedürfnis nach Kommunikation trägt der Berner Marketingtag Rechnung. Er stand dieses Jahr unter dem Motto «Durchblick» und bietet Marketingfachleuten eine Plattform, um sich über die neuesten Trends und Entwicklungen zu orientieren.
Der Berner Marketingtag ist längst nicht mehr ein Insidertipp für Marketingbegeisterte aus der Region Bern. Die 1986 vom Unternehmer Heinz Trachsel ins Leben gerufene Tagung lockt inzwischen alle zwei Jahre Gäste aus der ganzen Deutschschweiz an.
Dieses Jahr kamen über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Kursaal Bern, um sich vom Tagungsthema «Durchblick» inspirieren zu lassen. Ziel der Marketingtagung ist es, in kurzer Zeit einen Überblick über die wichtigsten Trends und Entwicklungen im Marketing zu geben. Dieses Jahr bekam das Tagungsthema durch die Ereignisse der vergangenen Wochen eine zusätzliche Dimension.
So meinte Beat Kappeler in seinem Referat über das Marketing für eine offene Gesellschaft, dass die Anschläge vom 11. September und die amerikanische Antwort darauf oft als «Clash of Civilizations» interpretiert würden. Dies treffe den Kern in der Sache, wenn man darin den Aufprall einer offenen, vom Markt gelenkten und demokratisch organisierten Gesellschaft gegenüber einer Gesellschaft ländlicher Sippen mit personellen anstatt sachbezogenenen Abhängigkeiten ohne klar definierte Grundrechte meine.
Eine offene Gesellschaft braucht Marketing
Die offene Gesellschaft müsse somit definiert werden als eine Gesellschaft, die Grundrechte für Individuen, nicht für Gruppen festlege und diese vor Gerichten gegenüber dem Staat und Dritten einklagbar mache, führte er weiter aus. Das Gebäude der offenen Gesellschaft setze die wirtschaftlichen und politischen Sphären gegeneinander in Wettbewerb und Kontrolle. Deshalb könne es auch ein Staatsversagen geben und nicht nur ein Marktversagen.
Staat und Wirtschaft stellten daher die für eine offene Gesellschaft typischen und notwendigen «checks and balances» dar. Weiter erklärte Kappeler, dass die offene Gesellschaft Marketing brauche, um sie in ihrer umfassenden Wirkungsweise nach aussen, gegenüber den sich entwickelnden Gesellschaften, und nach innen, gegenüber Kritikern, erklären zu können.
Praxisnahe Vermittlung von Marketing – mit Stühlen
Emanuel Berger, Direktor des Grand Hotel Victoria-Jungfrau in Interlaken, und Hannes A. Pant-li, Marketingdirektor des Uhrenherstellers IWC, zogen mit ihren Ausführungen in die unmittelbare Nähe der Marktwirklichkeit. Beide vermarkten Produkte der Luxusgüterbranche. Dass dort offenbar spezielle Marketinggesetze herrschen, zeigte Pantli anhand der Werbung.
Geschlagene zwanzig Jahre lang wurde für die Prestigemarke das gleiche Werbesujet geschaltet, eine Uhr auf leerem Hintergrund. Das ist nun vorbei: Die Anzeigen von Wirz Werbung haben der Marke einen Kreativschub verpasst. Die Kundenzeitung von IWC ist zudem des Hauses bestes Marketingtool. Mit einer Auflage von 20 000 Exemplaren ist sie übrigens das auflagenstärkste Uhrenmagazin.
Damit ein Hotelgast wieder komme, müsse man Erwartungen generieren, meinte Hoteldirektor Berger. Und das tut er offenbar erfolgreich und nicht einfach durch wahlloses Versenden der Hotelprospekte. Den amerikanischen Markt hat der rührige Hotelier erobert, indem er den Amerikanern kalorienarme Kost schmackhaft machte. Zu diesem Zweck wurde kurzerhand die Küche des Hotels Four Seasons in New York beschlagnahmt und gewichtige Journalisten von der Kochbrigade des Hotels Victoria-Jungfrau an Ort und Stelle bekocht. Das Interlakner Nobelhotel wurde vom «Gault Millau» zum Hotel des Jahres gewählt.
Dass dies nur durch harte Arbeit möglich wird, demonstrierte Hotelier Berger ganz praktisch. Er forderte die Tagungsteilnehmer auf, sich zu erheben, um unter ihren Stuhl zu schauen. Und da gab es tatsächlich einige Glückspilze, die unter ihrem Stuhl einen Gutschein für eine Übernachtung oder ein Essen in der Nobelherberge im Berner Oberland fanden. Berger lieferte die Folgerung daraus gleich nach: «Im Marketing muss man den Hintern bewegen, um einen Gewinn zu erzielen.»
Informationstechnologie – kein Ersatz für das Gehirn
David Rosenthal, Internet-Experte und Inhaber des Basler IT-Pressebüros, warnte davor, zu viele Erwartungen in die Informationstechnologie zu setzen. Zwar bleibe die IT ein Hoffnungsträger im Marketing, weil sie höhere Effizienz ermögliche, neue Formen der Marktbearbeitung und -erhebung biete und das Internet immer intensiver genutzt werde.
Doch werde die Entwicklung der Technik überschätzt, zum Beispiel was die Verfügbarkeit der Breitbandtechnik betreffe oder die Kinderkrankheiten von nicht ausgereiften Programmen. Zudem würden die Sensibilitäten der Benutzer zu wenig erkannt, so vor allem im Bereich des Datenschutzes. Wer Marketing betreiben wolle, so Rosenthals Fazit, der müsse sich mit der IT intensiv auseinander setzen. Informationstechnologie sei aber nur ein simples Werkzeug und ersetze in keinem Fall das Nachdenken und die Kreativität.
Die Rätsel der Menschheit sind auch ein Marketingmotor
Der Marketingexperte Torsten Tomczak von der Universität St.Gallen zeigte drei ganz unterschiedliche Erfolgsstrategien an den Beispielen der Marketing Exchange Company, der Marketing Coalition Company und der Marketing Hybrid Company auf.
Bei der Marketing Exchange Company besteht die Kernherausforderung im Management eines komplexen vertikalen Systems, das Konflikte in Kauf nimmt und interdependente Aufgabenverteilungen vorsieht. Hingegen ist der permanente Auf- und Ausbau signifikanter Produktevorteile in einem dynamischen Umfeld die Herausforderung an die Marketing Coalition Company.
Als Marketingvirtuose bezeichnet Tomczak die Marketing Hybrid Company. Dafür braucht es beides: Product Leadership und einen starken Lead Channel (Customer Relationship). Die Kernherausforderung für dieses Modell ist die reduzierte Flexibilität in einem dynamischen Umfeld. Und damit der Zuhörer nicht im Leeren hängen blieb und rätseln musste, ob es denn in Wirklichkeit auch solche Unternehmen gebe, lieferte der Hochschuldozent mit Hilti-Befestigungstechnik, Zürich-Versicherungen und den Autoherstellern VW und BMW die praktischen Beispiele nach.
Offenbar gehört Erich von Däniken zum Referentenfundus für Marketingveranstaltungen. Der Spezialist für Ausserirdisches hatte bereits am Marketingtag in Freiburg im vergangenen Januar seinen grossen Auftritt. Nun ereiferte er sich in Bern erneut über Rätsel rund um die ägyptischen Pyramiden. Er sei aber ganz froh, dass diese Rätsel nie gelöst würden, sonst würden die Besucher des Mistery-Parks in Interlaken, der seine Tore im November 2002 öffnen wird, wohl wegbleiben, meinte er abschliessend.

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