Online-Netzwerke löschen laut EU-Datenbank millionenfach Inhalte
Kinderpornografie, Hassrede oder Terrorpropaganda: Mehr als 960 Millionen fragwürdige Inhalte haben Amazon, Facebook, YouTube, Instagram, Pinterest, TikTok und X (vormals Twitter) im vergangenen halben Jahr gelöscht oder eingeschränkt. Das geht aus einer EU-Datenbank hervor, die von der EU-Kommission geschaffen wurde.
Insgesamt waren im April mehr als 16 Milliarden Einträge von 16 grossen Plattformen in der Datenbank zu finden. Neben grossen sozialen Netzwerken müssen auch Anbieter wie Zalando, Booking.com sowie verschiedene Google-Dienste gelöschte oder eingeschränkte Inhalte melden.
Hintergrund ist ein EU-Gesetz über digitale Dienste – der Digital Service Act «DSA» –, wonach grosse Online-Plattformen und Suchmaschinen solche Inhalte schneller löschen und die Gründe dafür transparent machen müssen. Die Daten können nach Kategorien wie Hassrede, Gewalt oder Pornografie gefiltert und ausgewertet werden.
Plattformen melden sehr unterschiedlich
Dabei zeigt sich ein stark unterschiedliches Meldeverhalten der einzelnen Plattformen. So entfallen mit mehr als 14 Milliarden Meldungen mit Abstand die meisten auf Google Shopping. Das sind knapp 94 Prozent aller seit Ende September gemeldeten Beiträge.
Bei der Social-Media-Plattform TikTok wurden seit der Einführung der Meldepflicht knapp 508 Millionen Beiträge gemeldet und mehr als 348 Millionen Beiträge gelöscht. Das sind fast 70 Prozent aller von TikTok gemeldeten Inhalte.
Instagram meldete im ersten halben Jahr rund 19 Millionen Beiträge. Komplett gelöscht wurden davon etwas mehr als 6,6 Millionen, knapp 35 Prozent. Bei Facebook wurden bisher mehr als 148 Millionen Beiträge gemeldet. Davon wurde mit knapp 54 Millionen etwas mehr als ein Drittel gelöscht.
Bei der Online-Plattform X wurden im gleichen Zeitraum laut Datenbank lediglich etwas mehr als 832’000 Inhalte gemeldet. Gelöscht wurden davon – Stand Anfang April – nur 24 Beiträge.
Spielraum bei Meldungen für Plattformen
Für Kommunikationsforscher Jakob Ohme, der umfassend zu Desinformation forscht, hat das abweichende Meldeverhalten der Netzwerke mehrere Gründe: «Erstens: Plattformen sind unterschiedlich aktiv bei der Inhaltsmoderation. Zweitens: Plattformen nehmen die Meldepflicht unterschiedlich ernst.»
So befinde sich die Plattform X gerade in einem Umbruch und sei «nicht dafür bekannt, sich an Regulierungen zu halten, die nicht auch strikt durchgesetzt werden». TikTok wiederum versuche, «eine gute Figur zu machen».
Verbesserungsbedarf sieht auch Digitalisierung-Expertin Julia Kloiber: So basiere die Datensammlung nur auf Selbstauskünften der Plattformen. «Die Unternehmen können in ihren Transparenzberichten viel behaupten. Wichtig ist, dass es auch eine gründliche Prüfung der Angaben gibt.»
EU-Kommission untersucht Einhaltung
Die EU-Kommission könne bei dem Verdacht eines Verstosses Zugang zu Daten beantragen, um die Einhaltung der Transparenzvorschriften zu überprüfen, hiess es auf Nachfrage von der Brüsseler Behörde. Schwankungen bei gemeldeten Inhalten lägen an verschiedenen Strategien und unterschiedlichen Inhalten auf den Plattformen.
Grundsätzlich laufen auf Grundlage des DSA bereits Untersuchungen, ob sich unter anderem X und TikTok an die DSA-Vorschriften halten und genug gegen die Verbreitung illegaler Inhalte tun. Eine Entscheidung und damit auch mögliche Strafen gibt es aber bisher nicht. Sollte die Kommission zu dem endgültigen Schluss kommen, dass Anbieter gegen den DSA verstossen, können Geldbussen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. (SDA)