«Wir schaffen eine zweite Preisebene»
Holtzbrinck-Vize Michael Grabner über 20-Minuten-Klone und Aldi als verlegerische Inspirationsquelle.
Holtzbrinck-Vize Michael Grabner über 20-Minuten-Klone und Aldi als verlegerische Inspirationsquelle.WW Herr Grabner, für Schweizer Augen sehen 20 Cent und News aus wie 20 Minuten-Klone. Trügt dieser Schein?Grabner Nicht, was 20 Cent betrifft. Für dessen Entwicklung war die Schweizer Ausgabe des Pendlerblatts tatsächlich die Hauptinspirationsquelle. News hingegen ist ein erster Feldversuch in der Gattung «Tagesmagazin». Hier geht es darum, die richtige Mischung aus einem schnellen, einfach konsumierbaren Newsstream und magazinartigen Artikeln zu finden.
Ist News jene Neuerfindung der Tageszeitung, auf welche die Krisen geschüttelte Branche lange schon wartet?Solch hehre Ansprüche haben wir nicht. Printprodukte mit ähnlichem Hybridcharakter gibt es in Südeuropa schon länger. Richtungsweisend finde ich etwa die spanischen Blätter El Païs und El Periodico. Für unsere Breiten ist News wohl ein neues Format, folgt aber einer alten, pragmatischen Strategie: Wir testen, untersuchen laufend die Resultate und testen auf deren Grundlage weiter.
Wie teuer ist dieses Live-Experiment und welche Auflage peilen Sie da-mit im Frankfurter Grossraum mittelfristig an?
Über Auflagezahlen geben wir keine Auskünfte. Und die Kosten übersteigen jene eines Laborversuchs nur unwesentlich. Zugleich sind die daraus gewonnenen Erkenntnisse um ein Vielfaches wertvoller.
Halten Sie Holtzbrincks Tagesmagazin-Konzept für exportfähig?Keine Ahnung. Import-Interessierte können sich aber jederzeit bei mir melden. (lacht)
Mit 50 Cent kostet News – wie Welt kompakt – weniger als die Hälfte des bisher Üblichen. Ähnliches gilt für die durchschnittliche Anzeigenseite. Ist diese Aldisierung des Zeitungsgeschäfts längerfristig nicht doch ein zu hoher Preis für die Akquisition von Neulesern?
Nein, das zeigen Top-Discounter wie Aldi und Lidl. Die nagen ja auch nicht am Hungertuch. Ausserdem haben sie den gesamten Lebensmittelhandel dynamisiert und ausgeweitet. Ich sehe keinen Grund, warum uns das nicht auch gelingen sollte.
Demnach steuern wir auf eine Zweiklassengesellschaft aus Premium- und Billiglesern zu…
…nur dass diese keineswegs trennscharf ist, sondern sich beide Klassen munter durchmischen. So wie immer mehr Menschen heute H&M und morgen Gucci tragen, steigt die Zahl der Wechselleser. Die Leute lassen sich auch in diesem Bereich nicht mehr festlegen – zumal jene, die unsere Innovationen erreichen sollen: die Jungen und die Frauen.
News will ausser neuen journalistischen Formen also auch eine zweite Preisebene schaffen.
Genau. Ihren Ursprung hat diese in anderen Branchen längst gängige Praxis übrigens in der Schweiz. Bis zur Einführung der Swatch war die Uhrenindustrie tot. Auch die Textil- und Möbelindustrie waren am Boden, bevor sie von H&M respektive Ikea aufgemischt wurden. Insofern kann diese Entwicklung auch der seit jeher etwas konservativeren Zeitungsindustrie nicht schaden.
Halten Sie auch eine Rückkehr der Pendlerzeitung 20 Minuten nach Deutschland für denkbar? Das Terrain dafür scheinen Sie jedenfalls gerade zu bereiten.
Nicht alles, was denkbar ist, ist auch lohnenswert. Deutschlands Agglomerationen sind keine Pendlerzeitungsräume. Liesse sich dieses attraktive Distributionsmodell hier nachrechnen, wären wir wohl selber aktiv geworden. Ein Unterschied jedoch bleibt: Wir wollen und werden unsere Produkte auch in Zukunft nicht verschenken.
Entretien : Oliver Classen
Ist News jene Neuerfindung der Tageszeitung, auf welche die Krisen geschüttelte Branche lange schon wartet?Solch hehre Ansprüche haben wir nicht. Printprodukte mit ähnlichem Hybridcharakter gibt es in Südeuropa schon länger. Richtungsweisend finde ich etwa die spanischen Blätter El Païs und El Periodico. Für unsere Breiten ist News wohl ein neues Format, folgt aber einer alten, pragmatischen Strategie: Wir testen, untersuchen laufend die Resultate und testen auf deren Grundlage weiter.
Wie teuer ist dieses Live-Experiment und welche Auflage peilen Sie da-mit im Frankfurter Grossraum mittelfristig an?
Über Auflagezahlen geben wir keine Auskünfte. Und die Kosten übersteigen jene eines Laborversuchs nur unwesentlich. Zugleich sind die daraus gewonnenen Erkenntnisse um ein Vielfaches wertvoller.
Halten Sie Holtzbrincks Tagesmagazin-Konzept für exportfähig?Keine Ahnung. Import-Interessierte können sich aber jederzeit bei mir melden. (lacht)
Mit 50 Cent kostet News – wie Welt kompakt – weniger als die Hälfte des bisher Üblichen. Ähnliches gilt für die durchschnittliche Anzeigenseite. Ist diese Aldisierung des Zeitungsgeschäfts längerfristig nicht doch ein zu hoher Preis für die Akquisition von Neulesern?
Nein, das zeigen Top-Discounter wie Aldi und Lidl. Die nagen ja auch nicht am Hungertuch. Ausserdem haben sie den gesamten Lebensmittelhandel dynamisiert und ausgeweitet. Ich sehe keinen Grund, warum uns das nicht auch gelingen sollte.
Demnach steuern wir auf eine Zweiklassengesellschaft aus Premium- und Billiglesern zu…
…nur dass diese keineswegs trennscharf ist, sondern sich beide Klassen munter durchmischen. So wie immer mehr Menschen heute H&M und morgen Gucci tragen, steigt die Zahl der Wechselleser. Die Leute lassen sich auch in diesem Bereich nicht mehr festlegen – zumal jene, die unsere Innovationen erreichen sollen: die Jungen und die Frauen.
News will ausser neuen journalistischen Formen also auch eine zweite Preisebene schaffen.
Genau. Ihren Ursprung hat diese in anderen Branchen längst gängige Praxis übrigens in der Schweiz. Bis zur Einführung der Swatch war die Uhrenindustrie tot. Auch die Textil- und Möbelindustrie waren am Boden, bevor sie von H&M respektive Ikea aufgemischt wurden. Insofern kann diese Entwicklung auch der seit jeher etwas konservativeren Zeitungsindustrie nicht schaden.
Halten Sie auch eine Rückkehr der Pendlerzeitung 20 Minuten nach Deutschland für denkbar? Das Terrain dafür scheinen Sie jedenfalls gerade zu bereiten.
Nicht alles, was denkbar ist, ist auch lohnenswert. Deutschlands Agglomerationen sind keine Pendlerzeitungsräume. Liesse sich dieses attraktive Distributionsmodell hier nachrechnen, wären wir wohl selber aktiv geworden. Ein Unterschied jedoch bleibt: Wir wollen und werden unsere Produkte auch in Zukunft nicht verschenken.
Entretien : Oliver Classen