No more No Billag!
Die «Medienmeinung»-Kolumne von David Sieber, Chefredaktor der BZ Basel | BZ Basellandschaftlichen Zeitung, zur No-Billag-Initiative.
Es dauert noch geschlagene drei Monate, bis das Stimmvolk die No-Billag-Initiative endlich versenken darf. Es drohen drei lange Monate zu werden. Drei Monate, während denen der SRG die Tweets nur so um die Ohren fliegen. Jede missliebige Sendung, jede holprige Äusserung eines Moderators, jedes schlechte Ergebnis eines Schweizer Skistars wird als schlagender Beweis angeführt, weshalb diese elendlichen Zwangsgebühren abgeschafft gehören.
Nicht dass die SRG eine heilige Kuh wäre. Auch wenn sich deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil verhalten wie weiland der Generalstab zur GSoA-Initiative. Es fehlt eigentlich nur noch eine Diamant-Feier, an der den tapferen Altvorderen gedacht wird. Allen voran Moritz Leuenberger, Armin Walpen und Roger de Weck. Schliesslich haben sie die SRG zu einem Reduit ausgebaut. Bloss dass diese Festung das ganze Land überzieht und nicht bloss die Alpen. Der «Service public» wurde zum Kampfbegriff, der jegliche Expansion rechtfertigt. Auch jene ins Internet und auf Kosten privater Medien. Wie es sich für eine Grossmacht gehört, versuchte die SRG mit einer Appeasement-Politik, die Verleger ruhigzustellen. Parallel dazu suchte man nach Koalitionspartnern. Mit Ringier, Swisscom und jüngst der NZZ-Gruppe gelang das ganz vorzüglich. Admeira heisst die Vermarktungsorganisation, deren Hauptzweck bereits erfüllt ist: die Absicherung der eigenen Position.
Und nun soll diese Festung geschliffen werden. Mit einer Volksinitiative, die einer medienpolitischen Atombombe gleicht. Geht sie hoch, wird nicht nur die SRG pulverisiert. Der Kollateralschaden wäre enorm. Die Schweizer Medienlandschaft würde komplett umgewälzt. Aus den verseuchten Ruinen entstünde nicht etwa ein neues Angebot, das besser, hochstehender, günstiger und demütiger wäre, sondern eine Mischung von Monopolbrachen und kleinen (Internet-)Biotopen, die nur wenige Besucherinnen und Besucher anziehen. Demokratierelevante Inhalte fänden ein noch kleineres Publikum als heute. Sportereignisse von Formel 1 bis Fussball gäbe es nur noch gegen Bares. Unterhaltungskisten würden sich auf Bachelor-Niveau einpendeln. Die regionalen Privat-TV-Sender würden sich – befreit von den Konzessionsfesseln – noch mehr als Promotionsplattformen von garantiert unzerkratzbaren Pfannen positionieren. Und die Privatradios würden zu reinen Abspielstationen anspruchsloser Liftmusik. Denn sie können sich keine Journalistinnen und Journalisten mehr leisten, die die News aus der Region redaktionell aufbereiten.
No Billag ist eine Initiative von Super-Egoisten.
Und die Zeitungen? Auch sie werden die Lücke nicht füllen können. Es sprudelt nicht plötzlich der (Werbe-)Franken, weil der ärgste Feind geschlagen ist. Im Gegenteil. In dieser völlig neuen Medienwelt würden die etablierten, nach traditioneller Art finanzierten Titel noch mehr an den Rand gedrängt. Und zwar von jenen, die ein paar Milliarden Franken auf der hohen Kante haben und an den Einfluss der Medien auf das politische Leben glauben. Doch diese Spezies ist nicht einmal die schlimmste. Sondern jene, für die das Medienangebot per se gratis zu sein hat. Es ist ein verheerender Irrglaube, zu meinen, die eingesparten 365 Billag-Franken würden der Branche zugutekommen. Wenn davon ein Teil in Medien fliesst, dann in die Nutzung von Netflix, Amazon oder Games. Kommt dazu, dass die noch immer hohe journalistische Qualität der privaten Titel nicht zuletzt dem publizistischen Wettbewerb mit der SRG geschuldet ist. Da können die meist rechtsgefederten No-Billagisten sich noch so trumpisch geben, Tatsache ist, dass die Informationssendungen von Radio und TV in der Regel sehr gut gemacht sind.
No Billag ist eine Initiative von Super-Egoisten. Von Kindern unserer Zeit. Gemeinschaftliche Verantwortung ist ihnen fremd. Sie haben es geschafft, den Begriff «staatsnah» in Bezug auf die SRG als Schimpfwort zu etablieren. Als ob der Staat ein Feind wäre. Wie wenn die SRG nicht gehalten wäre, genauso kritisch und distanziert über «die da in Bern oben» zu berichten, wie über jene, die die Institutionen bei jeder Gelegenheit in den Dreck ziehen. Es ist ein sehr kurzer Weg vom SRG-Bashing zu den Systemmedien, die die ungeheuerlichen Wahrheiten über 9/11, Chemtrails und jüdische Weltverschwörung konsequent verschweigen. Die Verleger sollten ihren Eiertanz beenden und klar Stellung beziehen, bevor die Aluhüte als Nächstes ihre Produkte ins Visier nehmen. Sie müssen ja nicht gleich die Kampfstiefel schnüren, wie die No-Billag-Gegner auf ihrem unsäglichen Plakat.
David Sieber, Chefredaktor der BZ Basel | BZ Basellandschaftlichen Zeitung
Diese Kolumne ist in der Werbewoche 21/2017 erschienen.