«Radio ist eine Liebesgeschichte»

Im exklusiven Interview mit Werbewoche.ch teilt Ralf Brachat, Managing Director von Swiss Radioworld, seine Faszination fürs Radio und seine Leidenschaft für die Audiovermittlung. Dabei gibt er Einblicke in die Radiowelt, die Digitalisierung und zukünftige Trends. Von Radiopots bis Spotify und Ingame-Werbung spannt sich das Themenspektrum, wobei Brachat die Wichtigkeit von Kreativität hinter der Entwicklung von Audio-Werbung betont.

 

Werbewoche.ch: Wie entdeckten Sie Ihre Leidenschaft für Audiovermarktung und was hat Sie dazu bewogen, in diesem Bereich tätig zu werden?

Ralf Brachat: Ja, das ist tatsächlich eine Art Liebesgeschichte. Ich habe zuvor 15 Jahre bei Warner Music im Bereich Musiklabel gearbeitet. Dort haben wir wöchentlich die neuesten Singles an die Radios geschickt. Dadurch hatte ich bereits eine enge Verbindung zu Radios aufgebaut. Die Hoffnung war immer, dass die Radiosender unsere Singles spielen und so eine gute Promotion für die neuen Alben erhalten. Dann ergab sich zufällig die Möglichkeit, bei Swiss Radioworld die Stelle als Geschäftsführer zu übernehmen. Ich musste nicht lange überlegen.

 

Erinnern Sie sich an eine Kampagne aus Ihren Anfängen?

Ja, nicht unbedingt an die allererste, aber an eine, die schon sehr lange zurückliegt. Es handelte sich um eine Kampagne für den Zürcher Verkehrsverbund. Die Idee war, Touristen im Tram darauf hinzuweisen, dass das Tram zwei Minuten Verspätung hat. Die Amerikaner konnten kaum glauben, dass auf eine solch minimale Verspätung hingewiesen wird und haben sich halb tot gelacht. Damit wollte der ZVV auf eine spielerische Art darauf hinweisen, wie pünktlich bei uns die ÖV ist. Und das ist ja auch tatsächlich so im Vergleich zu anderen Ländern. Die Kampagne war kreativ und gut umgesetzt, leider wurde sie nicht mehr wiederholt.

 

In der sich ständig entwickelnden Medienlandschaft hat sich viel verändert. Welche Veränderungen im Bereich der Audiovermarktung haben Ihrer Meinung nach die grösste Auswirkung gehabt?

Es gab zahlreiche Veränderungen. Vor 10 Jahren, als ich hier anfing, verkauften wir 15- oder 20-sekündige Radiospots. Inzwischen hat eine enorme Digitalisierung stattgefunden. Menschen hören heute oft Musik oder Radio mit Kopfhörern. Wir verkaufen nicht mehr nur Radiospots, sondern bieten auch die Verlängerung in den Digital Audio Bereich an. Radiostationen haben gleichzeitig Webchannels, und es gibt Plattformen wie Spotify oder Tunein. Und zudem haben wir ein  Audionetzwerk und Podcastnetzwerk aggregiert, welche wir bewerben können. Je nach Zielgruppe und Werbeziel können wir unterschiedliche Angebote machen oder das eine mit dem anderen ergänzen.

 

Swiss Radioworld ist Teil des Goldbach-Vermarktungsuniversums. Wie gestaltet sich die Integration auf Kampagnenebene, und welche Vorteile ziehen Ihre Kunden daraus?

Ja, das sind wir in der Tat. Wir können von gemeinsamen Ressourcen profitieren und sind an verschiedenen Standorten der Goldbach präsent. Swiss Radioworld ist mittlerweile auch in den Räumlichkeiten von Goldbach ansässig. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit den anderen eigenständigen Units sind sehr positiv. Wir haben gemeinsame Vermarktertage, bei denen wir Agenturen einladen und alle Medien gleichzeitig präsentieren. . Das ermöglicht den Agenturen, kurzfristig von umfassendem Know-how zu profitieren.

 

Gibt es besonders erfolgreiche Kombinationen von Audio mit anderen Medienformen in der Werbung?

Studien belegen, dass Audio besonders gut mit Bildern funktioniert. Gerade im Zusammenspiel mit TV, während der Spitzenzeiten am Abend, erzielt Audio am Morgen in der «Drivetime», also wenn die Leute im Auto sitzen und Radio hören, eine hohe Wirkung. Wenn der Spot über das Audio-Signal gehört wird, erscheint das Bild im Kopf, welches am Vorabend gesehen wurde. Die Kombination von Audio und Bild verstärkt die Wirkung der Botschaft erheblich.

 

Welche Produktkategorien gelten als Klassiker im Bereich Audio- und Audiowerbung, da sie sich besonders gut für diese Medienform eignen?

Neben dem Branding kann Radio besonders gut als Traffic-Tool eingesetzt werden. Im Möbelbereich haben wir klassischerweise Kunden, aber auch im Retail-Bereich für Aktionen und im Auto-Bereich. Die Verfügbarkeit von Autos hat sich nach einer kurzen Unterbrechung in der Radiowerbung wieder normalisiert. Radio eignet sich hervorragend für den klassischen Abverkauf. Es kommt nicht selten vor, dass Kampagnen gestoppt werden müssen, weil das Angebot ausverkauft ist.

 

Und im Imagebereich?

Im Imagebereich ist Audio ebenfalls sehr effektiv. Hier spielen verschiedene Komponenten eine Rolle, insbesondere der Wiedererkennungswert. Marken können mit einem Audio-Logo, einer einheitlichen Stimme und kreativen Ansätzen gleichzeitig Aktions- als auch Brandingwerbung effektiv umsetzen.

 

Obwohl Ihr Brand «Swiss Radioworld» auf Radio hinweist, scheint das Angebot darüber hinauszugehen. Können Sie erläutern, aus welchen Komponenten Ihr Angebot besteht?

Unser Audio-Geschäft umfasst verschiedene Komponenten. Das klassische Radio-Geschäft ist nach wie vor der Haupttreiber. Aber wir haben auch eine Spotify-Plattform im Digitalbereich, ein Audio-Netzwerk, ein Podcast-Netzwerk und neuerdings auch ein Ingame-Geschäft, wo auf Handypielen Audio Werbung platziert werden kann, mit dem Vorteil, dass das Spiel nicht unterbrochen wird.

 

Ingame-Werbung klingt interessant. Können Sie das genauer erklären?

Wenn Menschen, zum Beispiel im Zug, in der Strassenbahn oder auch zu Hause, ihr Handy benutzen und Spiele spielen, können wir sie neuerdings mit Audiospots ansprechen. Wenn also jemand ein Spiel auf seinem Handy spielt, kann er Audiospots hören, ohne dass sein Spiel unterbrochen wird.

 

Die aktuellen Zahlen des IGM Digimonitor zeigen eine anhaltend wachsende Popularität von klassischem Audio. Wie schätzen Sie die Zukunft dieser Medienform ein?

Wir freuen uns über die genannten Zahlen. Über 6 Millionen Schweizer hören regelmäßig Radio, und in der letzten Messung haben wir sogar 100.000 neue Hörer und Hörerinnen dazu gewonnen. Audio wird über verschiedenste Verbreitungswege konsumiert, sei es über das  TV-Gerät, über DAB, Internet, CarPlay und mehr. Die Attraktivität von Audio und Radio bleibt stark, und wir glauben, dass der Boom in diesem Bereich weitergehen wird.

 

Bei unserem letzten Treffen im August, während Ihres Festes am Zürichsee, waren Sie optimistisch für das zweite Halbjahr. Hat sich das bewahrheitet?

Es war ein kompliziertes Jahr, nicht nur für uns bei Swiss Radiworld, sondern für alle. Aber die Hoffnung, vor allem für das letzte Quartal, hat sich tatsächlich erfüllt. U.a. kehrte die Autobranche ins Radio zurück, Lieferengpässe sind überwunden, um nur ein erfreuliches Beispiel zu nennen. Es sind viele positive Anzeichen, die den Start in das neue Jahr prägen.

 

Gibt es neue Branchen, die in die Audio-Werbung einsteigen?

Ja, und das freut mich ganz besonders. Im Moment sprechen wir mit vielen Kunden aus verschiedenen Branchen über die Möglichkeiten im Radio, die lange nicht Radiokunden waren. Wir freuen uns dementsprechend über etliche Neukunden, die die Stärke von Radio entdeckt haben.

 

Die Altersstruktur der Audiohörerschaft ist laut Digimonitor im Durchschnitt 51 Jahre alt, jedoch hören auch viele junge Menschen Audio. Welche Strategien verfolgen Sie, um die jüngere Zielgruppe zu erreichen?

Die Radiosender sind dafür verantwortlich, aber wir integrieren es mit Social Media, Internet und anderen Plattformen. Das Radio ist nicht nur ein Medium, sondern auch eine Marke. Über verschiedene Kanäle, darunter Spotify und Ingame-Werbung, sprechen wir unterschiedliche Altersgruppen an.

 

Ihre Studie zeigt, dass Digital Audio für Aktivierungsziele genutzt wird. Warum ist Radio hier besonders effektiv?

Neben dem Radio ist auch digitales Audio äusserst aktivierend. Unsere Studie mit «Activ Fitness» zeigt, dass Digital Audio die Bekanntheit steigert und Abonnements erfolgreich verkauft. Der klassische Audiospot vor dem Stream erzielt nachweislich eine starke Wirkung und geniesst eine unheimliche Aufmerksamkeit.

 

Wie wichtig ist die Kreation von Audio-Werbung?

Das Audio-Logo oder das Audio-Design ist entscheidend. Werbetreibende sollten langfristig planen, um effektive Audio-Logos zu entwickeln. Die Auswahl von Sprecher:innen spielt ebenfalls eine Rolle, wie Ikea mit seiner sofort erkennbaren Stimme mit schwedischem Akzent zeigt.

 

Gibt es besonders schlechte Beispiele?

Ein Kunde aus der Autoindustrie war ein Beispiel für Audiowerbung, die man besser lassen sollte. Jeder Spot war anders konzipiert, ohne Wiedererkennungswert.Einmal Hochdeutsch, das nächste Mal Schweizerdeutsch, dann eine Frau und wiederum das nächste Mal ein Mann. Damit wird das grosse Potenzial von wiederkehrenden Radiokampagnen nicht ausgeschöpft.

 

Gibt es einen Benchmark für gelungene Werbung?

Ikea mit dem schwedischen Akzent und Hornbach mit ihrem einprägsamen Slogan sind starke Beispiele. Wenige Worte können eine starke Wirkung erzielen.

 

Abschliessend, was steht als Nächstes auf dem Programm der Swiss Radioworld?

Wir investieren stark in Technik. Nach der programmatischen Buchbarkeit von Digital Audio ist der nächste Schritt, lineares Radio programmatisch buchbar zu machen.

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