Fensterlen lohnt sich

TV Die Werbefenster trotzen der Krise und legen munter weiter zu. Jetzt versprechen Sonderwerbeformen und die RTVG-Revision neue Impulse.

TV Die Werbefenster trotzen der Krise und legen munter weiter zu. Jetzt versprechen Sonderwerbeformen und die RTVG-Revision neue Impulse.Werbefenster bleiben in der helvetischen TV-Landschaft eine kontroverse Angelegenheit, trotzdem haben sie sich erfolgreich im Markt behauptet. Mediafachleute anerkennen, dass sie den gesamten Schweizer TV-Werbemarkt in eine Dynamik versetzt haben, die ohne sie undenkbar gewesen wäre. Der Erfolgsausweis ist eindrücklich: Seit Einführung des ersten Fensters auf RTL im Jahr 1993 schnellte die Zahl der beworbenen Produkte bis im Jahr 2002 auf 1400. Das entspricht beinahe einer Verdoppelung. Im gleichen Zeitraum konnte die Zahl der im TV werbenden Unternehmen von knapp 400 auf über 720 ausgebaut werden, wie die Prognos AG in einer im Frühjahr im Auftrag der Werbefenstervermarkter veröffentlichten Studie vorrechnete («Daten und Fakten zum Werbemarkt Schweiz – ein Diskussionsbeitrag zum neuen RTVG»).Der beschleunigte Ausbau des TV-Werbemarktes wird eindrücklich auch durch die Zuwachsraten belegt. In den noch «fensterlosen» Jahren 1989 bis 1992 wuchs der Gesamtumsatz der TV-Werbung um durchschnittlich 2,8 Prozent pro Jahr. Betrachtet man hingegen den Zeitraum zwischen 1993 und 2002 (allerdings ohne das katastrophal schlechte 2001), ergibt sich laut Prognos eine rekordverdächtige jährliche Zuwachsrate von knapp 5 Prozent.
Auch in der Krise im VormarschSogar in den Krisenjahren 2001 und 2002 haben die Werbefenster an
Attraktivität zugelegt. «Wir konnten die Umsätze weiter steigern, während SF DRS zwei Jahre in Folge verloren hat», erklärt Michi Frank, CEO des Werbefenstervermarkters IPM. Das ging laut Mediafocus – auch im laufenden Jahr so weiter. «Im ersten Halbjahr 2003 legten wir um 4,7 Prozent zu, die SRG-Sender hingegen haben in der gleichen Zeitspanne 4,1 Prozent verloren», rechnet Frank vor.
Zwar sind derzeit sämtliche möglichen Werbefenster geöffnet (siehe Kasten), trotzdem dürften die Umsätze auch in den kommenden Jahren munter weiter nach oben klettern. «Zum Beispiel dank steigenden Stellenwerts von Sonderwerbeformen mit crossmedialem Ansatz, welche die TV-Plattform noch attraktiver machen», erklärt Frank.
Einen wichtigen Wachstumsimpuls verspricht man sich von der Inkraftsetzung des neuen Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) in zwei oder drei Jahren – wenn die heute noch verbotene Unterbrecherwerbung erlaubt sein wird. Dann werden Werbefenster in die Lage versetzt, vorhandene Inspill-Effekte (Werbedruck, der durch die Nutzung von Werbung in ausländischen Programmen entsteht) weiter zu reduzieren. Indem zusätzliche Werbeinseln mit Schweizer Werbung überblendet werden können. Das theoretische Potenzial ist mit 140 Millionen Franken brutto (Prognos) beträchtlich – so viel müsste die Wirtschaft zusätzlich für TV-Werbung in der Schweiz ausgeben, falls sämtliche Inspill-Effekte entfallen würden. Auch wenn dereinst kaum jemals alle Werbeblöcke der deutschen Privatsender überblendet sein werden – etwa weil TV-Werbung in der Schweiz rund doppelt so teuer ist wie in Deutschland –, dürften die Wachstumsimpulse dennoch erheblich sein.
IPM und Publisuisse vereint?Mit dem Ziel, Fernsehumsätze weiter voranzutreiben, könnten aber auch bisherige Tabus fallen. So denkt Frank laut über eine Zusammenarbeit zwischen IPM und Publisuisse nach. «Wir müssen gemeinsam versuchen, neue Werbekunden ins Fernsehen zu holen», erklärt er. Diesbezüglich sei er bereits mit Martin Schneider, dem designierten Publisuisse-CEO, in Kontakt getreten. «Gemeinsam Kunden zu akquirieren, müsste auch für Publisuisse attraktiv sein. Weil die SRG-Sender das unverzichtbare Basismedium für jede Fernsehkampagne sind, fliessen ohnehin zwei Drittel aller TV-Werbeinvestitionen an Publisuisse.»
Sind damit die langen Jahre der erbitterten Konkurrenz zwischen IPM und Publisuisse bald Vergangenheit? Schneider gibt sich offen: «Es gibt sicher Ideen, die man miteinander diskutieren kann.» Gleichzeitig verweist er aber auf die unterschiedliche Angebotsphilosophie, die einer Zusammenarbeit Grenzen setze. «IPM setzt auf eine aggressive Preisstrategie, was ihr gutes Recht ist. Doch dies bewirkt, dass wir nicht kompatibel sind. Denn Publisuisse fährt eine Premiumstrategie, bei der qualitative Aspekte im Vordergrund stehen», so Schneider. Vordringlich sei für ihn im Moment aber ohnehin die Rückkehr zu einem gemeinsamen Gattungsmarketing (WW 28/03). Er habe es sehr bedauert, dass IPM vor zwei Jahren bei der Screen-up ausgestiegen sei.
Innovative Werbesendung von IPM: Viviane Walder (Bild) moderiert zusammen mit Nadja Schildknecht die multimediale Werbesendung «Ahead» auf MTV.
(Fast) alles schon offenVier Jahre blieb das 1993 lancierte Schweizer Werbefenster auf RTL allein. Doch ab 1997 gings rasch voran: Drei neue Fenster kamen in jenem Jahr hinzu: ProSieben, Sat 1 und RTL 2. Zwei Jahre später folgten Kabel 1 und MTV. 2002 gingen die bisher letzten Werbefenster auf Vox und M6 auf.
Von den derzeit acht Angeboten wird nur jenes auf Sat 1 von Cinecom & Media vermarktet, alle andern Fenster stecken im Portefeuille von IP Multimedia (Schweiz).
Mit dem Werbefenster auf M6, das nach heftigem Widerstand nur unter Ausschluss von Lausanne und Genf zu Stande kam, ist die Decke bereits erreicht. Unter den einstrahlenden deutschen Privatsendern ist heute nur noch Super RTL ohne Werbefenster. «Da es sich dabei um ein Kinderprogramm handelt, ist dieses für uns nicht interessant», erklärt Frank. Ein weiterer attraktiver Kandidat stünde in der Romandie bereit: TF 1. Frank winkt ab: «Nach dem heftigen Widerstand gegen M6 wäre ein weiteres Werbefenster ohne Chancen.» An M6 werde IPM aber festhalten – selbst wenn kaum mehr Hoffnung bestehe, dass die Kabelnetze von Lausanne und Genf das Schweizer Angebot noch aufschalteten. «Auch ohne diese Agglomerationen machen unsere Kunden mit», so Frank. «Im laufenden Jahr ist der Umsatz um über 30 Prozent gewachsen.» (dse)
Daniel Schifferle

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