Wenn Werber Indianer spielen
Wie man mit Trackingstudien die Qualitäten von Kampagnen messen und bestehende umkrempeln kann
Wie man mit Trackingstudien die Qualitäten von Kampagnen messen und bestehende umkrempeln kannWolfgang J. Koschnick Es gibt ein Mittel für alle Werbekrankheiten. Es vollbringt Wunder, wenn Kampagnen ins Schlingern geraten, und selbst in deren Verlauf kann man damit noch das Ruder herumwerfen. So wenigstens lauten die Verheißungen der Marktforscher, wenn sie ihre Werbetrackingangebote lobpreisen. Doch leisten Trackingstudien wirklich, was sie verheißen?
Tracking oder Advertising Tracking heißen in der angelsächsischen Welt heute Formen kontinuierlicher Beobachtung von Werbewirkungen im Lauf einer Kampagne. Es sind Versuche, das große Dilemma der klassischen behavioristischen Werbewirkungsforschung zu überwinden. Diese betrachtet das Werbegeschehen bekanntlich als eine Blackbox. Was da drinnen vorgeht, lässt sich nur nach dem Reiz-Reaktions-Schema erschließen. Ein auslösender Reiz (Werbung) vor der Blackbox führt hinterher zu einer Reaktion (Werbewirkung).
Klassische Werbeforschung bedient sich Pretests und Posttests: Wenn sich etwas, das man vorher gemessen hatte, nachher veränderte, muß die Veränderung wohl mittels Werbung eingetreten sein. Solange man keine Zweifel hegte, daß Werbung so funktioniert, kamen Zweifel an diesem Schema erst gar nicht auf.
Inzwischen weiß man aber, daß Werbung so nicht funktioniert, und deshalb auch ist dieses Messverfahren in höchstem Maße ungenügend. In der Praxis läuft Werbetracking nämlich darauf hinaus, daß in mehreren Befragungswellen gleichartige Stichproben von Zielpersonen über eine konkrete Werbekampagne befragt werden, um herauszufinden, ob sich seit Beginn der Kampagne bei den Befragten etwas geändert hat, ob sie also Wirkungen ausgelöst hat.
Marktforscher versprechen die Lösung aller Probleme mit ihren Trackingstudien. Man könne mit diesem Instrument eine Werbekampagne in ihrem Gesamtverlauf einer ständigen Erfolgskontrolle unterziehen und laufende Korrekturen in der Kampagne vornehmen.
Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Reparatur des Rennwagens bei laufendem Motor, und auch noch ohne Boxenstopp. Selbst wenn eine Kampagne auf dem linken Fuß anfinge, ließen sich mit Hilfe von Tracking Fehler in der laufenden Kampagne korrigieren, und aus einem langweiligen Werbefeldzug würde am Ende ein Meisterwerk der wirkungsstarken Kommunikationskunst.
Doch in Wirklichkeit hängen die Trauben viel höher. Die alles entscheidende Frage ist zugleich das Fundamentalproblem der Werbewirkungsforschung: Wie definiert und wie operationalisiert man Werbewirkung? An der Antwort auf diese Frage scheitern die meisten der auf dem Markt verbreiteten kommerziellen Trackingangebote.
Man kann ja noch so viele Befragungswellen über eine Zielgruppe hinweggehen lassen: Wenn die entscheidenden Fragen nach der Werbewirkung falsch gestellt, schlecht operationalisiert sind und auch noch irreführend interpretiert und analysiert werden, hilft auch eine Vielzahl von Befragungswellen in kurzen Abständen und auch eine große Vielfalt an Fragen nicht. Dabei entstehen immer nur «Befunde»: Daten ohne Fleisch, Zahlen
ohne Bedeutung, Ergebnisse ohne Erkenntniswert.
Auch der Glücksfall wirft
viele Fragen auf
Die Grenzen des Instruments Werbetracking sind viel enger gezogen, als seine Anbieter verheißen. Man muß bei der Interpretation der Befunde sehr vorsichtig vorgehen. Ein solcher Umgang aber und eine feinsinnige Zurückhaltung bei der Bewertung von Befragungsdaten zählen nicht gerade zu den herausragenden Charaktereigenschaften der Werbewirtschaft.
Als Fortsetzung der gar nicht so guten alten Blackboxmodelle mit neuzeitlicheren Mitteln sind alle Trackingstudien Posttests. Sie gehen davon aus, daß der Einsatz von Stimuli (der Werbung) zu Reaktionen auf dem Markt (der Werbewirkung) führt. Und diese Reaktionen messen sie sequenziell.
Was eine Werbekampagne leistet, würde man nur wissen, wenn man herausfinden könnte, was in der Blackbox wirklich vorgeht. Dafür stehen jedoch bestenfalls Indikatoren bereit. Und sie indizieren im günstigsten Fall, wie Werbung wirken könnte. Sie sind nicht die Wirkung selbst. Selbst der einfachste denkbare Fall ist komplizierter als er auf den ersten Blick erscheint: Wenn im Anschluss an eine Kampagne die Verkäufe eines Produkts deutlich steigen, ist das für die Werbeleute der Himmel auf Erden. Doch auch dieser Glücksfall wirft viele Fragen auf, mit denen sich die Werbewirtschaft ernsthaft auseinander setzen sollte:
• War es tatsächlich die Werbekampagne, die den Markterfolg ausgelöst hat? Wäre er auch ohne sie eingetreten? Jeder Werber hat darauf die spontane Antwort: «So eine Frage kann nur ein weltfremder Akademiker stellen.»
• Hätte man nicht einen noch größeren Markterfolg mit einer etwas anderen Kampagne oder einem etwas stärkeren Werbedruck erreichen können? Wurde nicht umgekehrt der eigene Werbeerfolg durch den wesentlich höheren Werbedruck eines Wettbewerbers beeinträchtigt?
• Wie ist die langfristige Wirkung der Kampagne, auf die es in der Regel mehr ankommt als auf die kurzfristigen Abverkaufserfolge?
All dies sind – beiläufige – Fragen, die gestellt werden müssen, wenn man es mit der Accountability in Advertising ernst meint. Die WerbeWoche hat sich damit in zwei vorgegangenen Ausgaben ausführlich beschäftigt. Wenigstens Teilaspekte dieser Grundsatzfragen lassen sich mit Hilfe von Trackinguntersuchungen gar nicht mal so schlecht beantworten. Ihr Ziel ist es also, über Umsatzwirkungen hinaus auch psychologische Wirkungen einer Werbekampagne bei den Konsumenten zu erheben.
Untersuchungsziele müssen operationalisiert werden
Zu diesem Zweck werden die Verbraucher in Kampagnen begleitenden Umfragen in mehreren Wellen befragt. Trackingstudien sind also kontinuierliche Wellenerhebungen, die in regelmäßigen Abständen als Posttests durchgeführt werden. Die Erhebung erfolgt bei einer repräsentativen Stichprobe von meist 200 bis 500 wechselnden Personen durch persönliche oder telefonische Interviews.
In der Regel sollen Trackingtests folgende Fragen beantworten: Welche Wirkung wird mit dem je gegebenen Werbeaufwand absolut erreicht? Wie reagieren die untersuchten Werte auf Änderungen beim Werbeaufwand? Wie verändern sich die Werte im Zeitverlauf? Sind die beobachteten Veränderungen einmalige Ereignisse oder handelt es sich um eindeutige Trends?
Werbetracking richtet sich meist an die «relevante Zielgruppe» der Marktkommunikation. Normalerweise sind das die Verwender der untersuchten Produktekategorie. Geht es um die Kampagne für einen Schokoriegel, wählt man eine Stichprobe von Schokoriegelkäufern. In gesättigten Märkten, in denen es um Marktanteile geht, ist das vernünftig. Aber natürlich kann es in neuen, wachsenden Märkten auch sinnvoll sein, in die Stichprobe Personen einzubeziehen, die das neue Produkt noch nicht nutzen.
Werbeziele sind ungeeignet für eine standartisierte Befragung
Die alles entscheidende Frage lautet nun: Wie werden im Werbetracking die Untersuchungsziele operationalisiert, um die Wirkung von konkreten Kampagnen zu erkennen? Hier liegt in aller Regel und in Einzelfällen der Hase im Pfeffer. Denn gemessen werden in den Studien nicht die Werbewirkung selbst, sondern eine Reihe von Indikatoren der Werbewirkung. Das ist bei standardisierten Befragungen zwar ganz und gar unvermeidlich, aber auch nicht gerade zwingend.
Man könnte auch nur die Werbewirkung als solche messen. Dazu müsste man allerdings die genauen Werbeziele herauskristallisieren. Und die sind von Fall zu Fall und von Kampagne zu Kampagne verschieden, also oft nicht geeignet für eine standardisierte Befragung.
Jedes Trackingmodell hat seine Eigenarten. Aber im allgemeinen werden im Rahmen von Werbetrackingstudien standardmäßig folgende Indikatoren der Werbewirkung gemessen:
– die Bekanntheit einer Marke (Brand Awareness)
– die Erinnerung an Markenwerbung (Advertising Recall)
– die Erinnerung an bestimmte Inhalte von Markenwerbung (Copy Recall)
– die Erkennung der Aussage einer Werbebotschaft (Advertising Awareness)
– die Einstellung zur Marke, beziehungsweise zur Werbung für eine Marke (Attitude toward Brand)
– das Image einer Marke (Brand Image)
– das Gefallen einer Marke
(Liking of Brand)
– die Markenpräferenz (Brand Preference)
– Kaufabsichten (Purchase Intention)
Welche und wie viele dieser und ähnlicher Indikatoren in die Untersuchung einbezogen werden, variiert von Institut zu Institut und hängt auch vom Untersuchungszweck ab. Es ist auch eine Frage des Geldes, denn Werbetracking ist teuer. Mit weniger als 250000 Franken sind brauchbare Ergebnisse in einer Kampagne kaum zu gewinnen. Und welchem mittleren oder auch etwas größeren Unternehmen steht dieser Betrag für nicht mehr als die Feststellung zur Verfügung, daß die eigene Kampagne nicht funktioniert oder eben ganz gut funktioniert?
Tracking hat viele Tücken und Fallen, die man kennen muss
Selbst dann ist Tracking ein Abenteuer, bei dem man von Fallgrube zu Fallgrube stolpern kann. Erhebt man Indikatoren wie Recall oder Awareness, kommt es zu Erinnerungsverzerrungen: Die Befragten behaupten mehrheitlich, sie hätten eine bestimmte Werbung im Fernsehen gesehen, auch wenn sie das in Wahrheit im Radio gehört oder in einer Anzeige gelesen haben. Kein Wunder, daß Werbetrackings bei den Vermarktern von Fernsehwerbung so beliebt sind.
Eine andere Fehlerquelle ergibt sich aus dem meist eng begrenzten Zeitrahmen. Selbst wenn er sich über die gesamte Laufzeit einer Kampagne erstreckt, vernachlässigt er doch längerfristige Werbewirkungen, die für den Aufbau einer Marke wichtig sind. Langfristige Werbewirkungen werden in Trackinguntersuchungen unter den Tisch gekehrt. Dies führt zu einer Verzerrung: Transitorische Medien schneiden systematisch besser ab als statuarische Werbeträger, die noch Wochen und Monate nach Abschluß einer Kampagne fleißig Kontakte aufbauen können, obwohl keine Trackingstudie davon noch etwas merkt.
Damit fallen die Trackings der Werbung in den Rücken. Alles, was an Werbung wichtig ist und sie von Verkaufs- und Absatzförderung unterscheidet, das meint die langfristige Kommunikation einer Botschaft und der dauerhafte Aufbau eines Markenimages, kann durch Trackingstudien gar nicht mehr gemessen werden, weil sie längst fertig sind, wenn diese Wirkungen eintreten. Trackings sind in aller Regel zu kurzatmig, um messen zu können, was Werbung insgesamt bewirken soll.
Als Ergebnis einer jeden Trackinguntersuchung stellt man am Ende die Verlaufskurven der erhobenen Indikatoren wie etwa des Werberecalls denen der Werbeaufwendungen gegenüber. Doch die damit implizierte Kausalität der Beziehung zwischen Werbeaufwand (gleich Werbeaufwendungen) und Werbewirkung ist in hohem Masse problematisch. Denn selbstverständlich ist die Wirkung der Werbung nicht allein von den Werbeausgaben, sondern auch vom Einsatz aller übrigen Instrumente des Marketingmix abhängig.
Und ganz selbstredend spielen qualitative Komponenten wie die kreative Umsetzung eines Werbekonzepts oft eine größere Rolle als die Menge des eingesetzten Geldes. Alles in allem sind also auch die unmittelbaren Erkenntnisse aus einer Trackinguntersuchung von bestenfalls begrenztem Wert.
Von geradezu unschätzbarem Wert sind hingegen die im Verlauf vieler Jahre praktischen Werbetrackings aufgebauten intensiven Erfahrungen eines Instituts. Jahr für Jahr kumulieren sie Daten und Fakten über Werbekampagnen für unterschiedliche Produkte, Produktekategorien, Marken und Werbung treibende. Und von Jahr zu Jahr wächst der Schatz an praktischen Marketingerfahrungen. Und das kumulativ gewachsene Wissen, das sich in Datenbanken im Wortsinne verborgen hält, ist oftmals womöglich wertvoller als jede Einzelerkenntnis aus einer Trackingstudie.
Tracking oder Advertising Tracking heißen in der angelsächsischen Welt heute Formen kontinuierlicher Beobachtung von Werbewirkungen im Lauf einer Kampagne. Es sind Versuche, das große Dilemma der klassischen behavioristischen Werbewirkungsforschung zu überwinden. Diese betrachtet das Werbegeschehen bekanntlich als eine Blackbox. Was da drinnen vorgeht, lässt sich nur nach dem Reiz-Reaktions-Schema erschließen. Ein auslösender Reiz (Werbung) vor der Blackbox führt hinterher zu einer Reaktion (Werbewirkung).
Klassische Werbeforschung bedient sich Pretests und Posttests: Wenn sich etwas, das man vorher gemessen hatte, nachher veränderte, muß die Veränderung wohl mittels Werbung eingetreten sein. Solange man keine Zweifel hegte, daß Werbung so funktioniert, kamen Zweifel an diesem Schema erst gar nicht auf.
Inzwischen weiß man aber, daß Werbung so nicht funktioniert, und deshalb auch ist dieses Messverfahren in höchstem Maße ungenügend. In der Praxis läuft Werbetracking nämlich darauf hinaus, daß in mehreren Befragungswellen gleichartige Stichproben von Zielpersonen über eine konkrete Werbekampagne befragt werden, um herauszufinden, ob sich seit Beginn der Kampagne bei den Befragten etwas geändert hat, ob sie also Wirkungen ausgelöst hat.
Marktforscher versprechen die Lösung aller Probleme mit ihren Trackingstudien. Man könne mit diesem Instrument eine Werbekampagne in ihrem Gesamtverlauf einer ständigen Erfolgskontrolle unterziehen und laufende Korrekturen in der Kampagne vornehmen.
Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Reparatur des Rennwagens bei laufendem Motor, und auch noch ohne Boxenstopp. Selbst wenn eine Kampagne auf dem linken Fuß anfinge, ließen sich mit Hilfe von Tracking Fehler in der laufenden Kampagne korrigieren, und aus einem langweiligen Werbefeldzug würde am Ende ein Meisterwerk der wirkungsstarken Kommunikationskunst.
Doch in Wirklichkeit hängen die Trauben viel höher. Die alles entscheidende Frage ist zugleich das Fundamentalproblem der Werbewirkungsforschung: Wie definiert und wie operationalisiert man Werbewirkung? An der Antwort auf diese Frage scheitern die meisten der auf dem Markt verbreiteten kommerziellen Trackingangebote.
Man kann ja noch so viele Befragungswellen über eine Zielgruppe hinweggehen lassen: Wenn die entscheidenden Fragen nach der Werbewirkung falsch gestellt, schlecht operationalisiert sind und auch noch irreführend interpretiert und analysiert werden, hilft auch eine Vielzahl von Befragungswellen in kurzen Abständen und auch eine große Vielfalt an Fragen nicht. Dabei entstehen immer nur «Befunde»: Daten ohne Fleisch, Zahlen
ohne Bedeutung, Ergebnisse ohne Erkenntniswert.
Auch der Glücksfall wirft
viele Fragen auf
Die Grenzen des Instruments Werbetracking sind viel enger gezogen, als seine Anbieter verheißen. Man muß bei der Interpretation der Befunde sehr vorsichtig vorgehen. Ein solcher Umgang aber und eine feinsinnige Zurückhaltung bei der Bewertung von Befragungsdaten zählen nicht gerade zu den herausragenden Charaktereigenschaften der Werbewirtschaft.
Als Fortsetzung der gar nicht so guten alten Blackboxmodelle mit neuzeitlicheren Mitteln sind alle Trackingstudien Posttests. Sie gehen davon aus, daß der Einsatz von Stimuli (der Werbung) zu Reaktionen auf dem Markt (der Werbewirkung) führt. Und diese Reaktionen messen sie sequenziell.
Was eine Werbekampagne leistet, würde man nur wissen, wenn man herausfinden könnte, was in der Blackbox wirklich vorgeht. Dafür stehen jedoch bestenfalls Indikatoren bereit. Und sie indizieren im günstigsten Fall, wie Werbung wirken könnte. Sie sind nicht die Wirkung selbst. Selbst der einfachste denkbare Fall ist komplizierter als er auf den ersten Blick erscheint: Wenn im Anschluss an eine Kampagne die Verkäufe eines Produkts deutlich steigen, ist das für die Werbeleute der Himmel auf Erden. Doch auch dieser Glücksfall wirft viele Fragen auf, mit denen sich die Werbewirtschaft ernsthaft auseinander setzen sollte:
• War es tatsächlich die Werbekampagne, die den Markterfolg ausgelöst hat? Wäre er auch ohne sie eingetreten? Jeder Werber hat darauf die spontane Antwort: «So eine Frage kann nur ein weltfremder Akademiker stellen.»
• Hätte man nicht einen noch größeren Markterfolg mit einer etwas anderen Kampagne oder einem etwas stärkeren Werbedruck erreichen können? Wurde nicht umgekehrt der eigene Werbeerfolg durch den wesentlich höheren Werbedruck eines Wettbewerbers beeinträchtigt?
• Wie ist die langfristige Wirkung der Kampagne, auf die es in der Regel mehr ankommt als auf die kurzfristigen Abverkaufserfolge?
All dies sind – beiläufige – Fragen, die gestellt werden müssen, wenn man es mit der Accountability in Advertising ernst meint. Die WerbeWoche hat sich damit in zwei vorgegangenen Ausgaben ausführlich beschäftigt. Wenigstens Teilaspekte dieser Grundsatzfragen lassen sich mit Hilfe von Trackinguntersuchungen gar nicht mal so schlecht beantworten. Ihr Ziel ist es also, über Umsatzwirkungen hinaus auch psychologische Wirkungen einer Werbekampagne bei den Konsumenten zu erheben.
Untersuchungsziele müssen operationalisiert werden
Zu diesem Zweck werden die Verbraucher in Kampagnen begleitenden Umfragen in mehreren Wellen befragt. Trackingstudien sind also kontinuierliche Wellenerhebungen, die in regelmäßigen Abständen als Posttests durchgeführt werden. Die Erhebung erfolgt bei einer repräsentativen Stichprobe von meist 200 bis 500 wechselnden Personen durch persönliche oder telefonische Interviews.
In der Regel sollen Trackingtests folgende Fragen beantworten: Welche Wirkung wird mit dem je gegebenen Werbeaufwand absolut erreicht? Wie reagieren die untersuchten Werte auf Änderungen beim Werbeaufwand? Wie verändern sich die Werte im Zeitverlauf? Sind die beobachteten Veränderungen einmalige Ereignisse oder handelt es sich um eindeutige Trends?
Werbetracking richtet sich meist an die «relevante Zielgruppe» der Marktkommunikation. Normalerweise sind das die Verwender der untersuchten Produktekategorie. Geht es um die Kampagne für einen Schokoriegel, wählt man eine Stichprobe von Schokoriegelkäufern. In gesättigten Märkten, in denen es um Marktanteile geht, ist das vernünftig. Aber natürlich kann es in neuen, wachsenden Märkten auch sinnvoll sein, in die Stichprobe Personen einzubeziehen, die das neue Produkt noch nicht nutzen.
Werbeziele sind ungeeignet für eine standartisierte Befragung
Die alles entscheidende Frage lautet nun: Wie werden im Werbetracking die Untersuchungsziele operationalisiert, um die Wirkung von konkreten Kampagnen zu erkennen? Hier liegt in aller Regel und in Einzelfällen der Hase im Pfeffer. Denn gemessen werden in den Studien nicht die Werbewirkung selbst, sondern eine Reihe von Indikatoren der Werbewirkung. Das ist bei standardisierten Befragungen zwar ganz und gar unvermeidlich, aber auch nicht gerade zwingend.
Man könnte auch nur die Werbewirkung als solche messen. Dazu müsste man allerdings die genauen Werbeziele herauskristallisieren. Und die sind von Fall zu Fall und von Kampagne zu Kampagne verschieden, also oft nicht geeignet für eine standardisierte Befragung.
Jedes Trackingmodell hat seine Eigenarten. Aber im allgemeinen werden im Rahmen von Werbetrackingstudien standardmäßig folgende Indikatoren der Werbewirkung gemessen:
– die Bekanntheit einer Marke (Brand Awareness)
– die Erinnerung an Markenwerbung (Advertising Recall)
– die Erinnerung an bestimmte Inhalte von Markenwerbung (Copy Recall)
– die Erkennung der Aussage einer Werbebotschaft (Advertising Awareness)
– die Einstellung zur Marke, beziehungsweise zur Werbung für eine Marke (Attitude toward Brand)
– das Image einer Marke (Brand Image)
– das Gefallen einer Marke
(Liking of Brand)
– die Markenpräferenz (Brand Preference)
– Kaufabsichten (Purchase Intention)
Welche und wie viele dieser und ähnlicher Indikatoren in die Untersuchung einbezogen werden, variiert von Institut zu Institut und hängt auch vom Untersuchungszweck ab. Es ist auch eine Frage des Geldes, denn Werbetracking ist teuer. Mit weniger als 250000 Franken sind brauchbare Ergebnisse in einer Kampagne kaum zu gewinnen. Und welchem mittleren oder auch etwas größeren Unternehmen steht dieser Betrag für nicht mehr als die Feststellung zur Verfügung, daß die eigene Kampagne nicht funktioniert oder eben ganz gut funktioniert?
Tracking hat viele Tücken und Fallen, die man kennen muss
Selbst dann ist Tracking ein Abenteuer, bei dem man von Fallgrube zu Fallgrube stolpern kann. Erhebt man Indikatoren wie Recall oder Awareness, kommt es zu Erinnerungsverzerrungen: Die Befragten behaupten mehrheitlich, sie hätten eine bestimmte Werbung im Fernsehen gesehen, auch wenn sie das in Wahrheit im Radio gehört oder in einer Anzeige gelesen haben. Kein Wunder, daß Werbetrackings bei den Vermarktern von Fernsehwerbung so beliebt sind.
Eine andere Fehlerquelle ergibt sich aus dem meist eng begrenzten Zeitrahmen. Selbst wenn er sich über die gesamte Laufzeit einer Kampagne erstreckt, vernachlässigt er doch längerfristige Werbewirkungen, die für den Aufbau einer Marke wichtig sind. Langfristige Werbewirkungen werden in Trackinguntersuchungen unter den Tisch gekehrt. Dies führt zu einer Verzerrung: Transitorische Medien schneiden systematisch besser ab als statuarische Werbeträger, die noch Wochen und Monate nach Abschluß einer Kampagne fleißig Kontakte aufbauen können, obwohl keine Trackingstudie davon noch etwas merkt.
Damit fallen die Trackings der Werbung in den Rücken. Alles, was an Werbung wichtig ist und sie von Verkaufs- und Absatzförderung unterscheidet, das meint die langfristige Kommunikation einer Botschaft und der dauerhafte Aufbau eines Markenimages, kann durch Trackingstudien gar nicht mehr gemessen werden, weil sie längst fertig sind, wenn diese Wirkungen eintreten. Trackings sind in aller Regel zu kurzatmig, um messen zu können, was Werbung insgesamt bewirken soll.
Als Ergebnis einer jeden Trackinguntersuchung stellt man am Ende die Verlaufskurven der erhobenen Indikatoren wie etwa des Werberecalls denen der Werbeaufwendungen gegenüber. Doch die damit implizierte Kausalität der Beziehung zwischen Werbeaufwand (gleich Werbeaufwendungen) und Werbewirkung ist in hohem Masse problematisch. Denn selbstverständlich ist die Wirkung der Werbung nicht allein von den Werbeausgaben, sondern auch vom Einsatz aller übrigen Instrumente des Marketingmix abhängig.
Und ganz selbstredend spielen qualitative Komponenten wie die kreative Umsetzung eines Werbekonzepts oft eine größere Rolle als die Menge des eingesetzten Geldes. Alles in allem sind also auch die unmittelbaren Erkenntnisse aus einer Trackinguntersuchung von bestenfalls begrenztem Wert.
Von geradezu unschätzbarem Wert sind hingegen die im Verlauf vieler Jahre praktischen Werbetrackings aufgebauten intensiven Erfahrungen eines Instituts. Jahr für Jahr kumulieren sie Daten und Fakten über Werbekampagnen für unterschiedliche Produkte, Produktekategorien, Marken und Werbung treibende. Und von Jahr zu Jahr wächst der Schatz an praktischen Marketingerfahrungen. Und das kumulativ gewachsene Wissen, das sich in Datenbanken im Wortsinne verborgen hält, ist oftmals womöglich wertvoller als jede Einzelerkenntnis aus einer Trackingstudie.