Was bedeutet eigentlich… «Prävalenz»?

Benno Maggi erklärt in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich...?» Begriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal setzt er sich mit der «Prävalenz» auseinander.

Benno Maggi

Werberinnen und Werber nutzen gerne Worte aus anderen Branchen. Neben der Finanzindustrie sind die Aviatik und das Gesundheitswesen hierfür beliebte Quellen.

Prävalenz stammt ursprünglich aus Letzterer. Sie bezeichnet den Anteil einer Population, auf den ein bestimmter Zustand zutrifft – seien das nun Covid-, Grippe-, oder Aids-Erkrankte. Errechnet wird diese Rate, indem man sie in Beziehung setzt mit der Gesamtzahl der betrachteten Menschen; dargestellt als Bruch, Prozentsatz oder als Anzahl Fälle.

In der Marktforschung und im Marketing wurde der Begriff bisher meist nur von Statistik-Nerds angewendet in Bezug auf hohe Prävalenz einer Zielgruppe, angeklickter Ads oder verkaufter Produkte. Aktuell taucht sie aber wegen der Omikron-Welle – oder -Wand, je nachdem, welchen Statistiken man glaubt – immer häufiger auch in den Werbeagenturen, den Medien und der Kommunikation auf.

Wer soll da noch drauskommen?

Hand aufs Herz: Prävalenz war bislang für viele unverständlich. Und ist es vielleicht heute noch. Aber in einer Zeit, da auch im Marketing alles viral gehen muss, will sich schliesslich niemand eine Blösse geben. Deshalb werden Aussagen über Prävalenz in Sitzungszimmern oder Calls jeweils mit ernsten Gesichtern oder zustimmendem Nicken quittiert, ohne viel Ahnung davon zu haben.

Hier ein Erklärungsversuch: Prävalenz meint die Antwort auf die Frage «Wieviele der Gruppe ‹Bärli› haben blonde Haare?» – Im Kindergarten schreien dann alle wild irgendwelche Zahlen oder Namen durcheinander. Später in der Schule wird das Geschrei noch verwirrender, weil ergänzt mit Aussagen wie «2 von 11» oder «jeder Dritte», «die Hälfte», «20%» oder frech «ich nöd». Dieses Durcheinander an Aussagen kennen alle pflichtbewussten Bürgerinnen und Bürger, die heute bemüht sind, sich über Dinge wie Symptome, Isolation oder PCR-Test zu informieren.

Dabei lernten doch Agenturen mit Präventions-Kampagnen-Erfahrung – und das sind einige im Land – in Ausschreibungstexten oder Briefing-Sitzungen den Begriff schon viel früher kennen als alle anderen. Deshalb dürfte erwartet werden, dass das auch verständlich kommuniziert wird! Allein das Bundesamt für Gesundheit gibt pro Jahr nämlich fast 20 Millionen Franken für solche Kampagnen aus. Covid ausgeschlossen, da kämen nochmals 36 Millionen Franken dazu. Die gute Nachricht für verwirrte Steuerzahlende: Auch wenn diese Zahl hoch erscheint, die Prävalenz in Bezug auf die Gesamtausgaben zur Eindämmung der Pandemie ist gering.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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