Was bedeutet eigentlich… «-ish»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er die Endung «-ish».

Ist ihnen das Anhängsel in der letzten Zeit auch begegnet? Gesprochen wird es: «isch». Und bedeutet leider nicht, was es in Schweizerdeutsch meint, sondern genau das Gegenteil. Die Schweizerdeutsche Form des Verbs «sein» in der dritten Person Präsenz, also er/sie/es «ist» – oder eben «isch», meint, das etwas ist. Definitiv. Unveränderbar. Die gleich ausgesprochene englische Nachsilbe «-ish» hingegen ist eine informelle Form für «ungefähr», «so ähnlich» oder «vielleicht». Die Endung wird mittlerweile so häufig verwendet, dass «Ish» als eigenständiges Wort betrachtet werden kann. Auf die Frage «Treffen wir uns um 8», kann man mit «Ish» antworten, um sich eine gewisse Flexibilität offen zu lassen.

Warum ist denn es grad in der Schweiz so hip geworden, alles plötzlich zu ver-ishen? Schweizerinnen und Schweizer sind doch gerade beim zeitlichen Einhalten von Verabredungen so pflichtbewusst und pünktlich, dass kein Raum für Unschärfen ist.

Wie gross genau dieses zeitliche Spektrum ist, hängt stark von der kulturellen Herkunft der jeweiligen Person ab. Für Menschen aus den USA oder Grossbritannien ist «-ish» gleichbedeutend wie das im deutschsprachigen Kulturraum verbreitete, «plus minus 10 Minuten». Wobei hier festzuhalten ist, dass Schweizerinnen und Schweizer gar dazu tendieren, zu früh zu erscheinen, um nicht unpünktlich zu sein, was aber mit Verlaub eben auch unpünktlich ist.

Apropos Unpünktlichkeit, gäbe es da noch die akademische Viertelstunde, die gerne von Akademikerinnen und Akademikern als Entschuldigung für Verspätungen vorgeschoben wird. Es ist eigentlich ein reiner Hinweis, dass Vorlesungen an Universitäten eine Viertelstunde später beginnen als angegeben – kann im privaten Rahmen aber etwas peinlich wirken. In lateinischen Ländern ist man da entspannter. Hier gilt die «hora latina», was bedeutet, dass alles bis 30 Minuten nach vereinbarter Zeit, voll in Ordnung ist. Und englischsprachige Menschen aus Indien sehen «-ish» gar als die Zeitspanne zwischen den Stunden. «Let’s say 8ish» meint also, dass das Treffen irgendwann zwischen 8.00 und 8.59 Uhr stattfinden wird.

Höhepunkt der Unverbindlichkeit

«-ish» bedeutet aber nicht nur Unpünktlichkeit, sondern eben auch Unverbindlichkeit. Während das schweizerische «isch» im Sinne von «sein» eine Verbindlichkeit darstellt, so ist das englische «-ish» genau das Gegenteil. Bist du gestresst? «-ish». Hast du viel zu tun? «-ish». Wie läufts? «-ish». Usw. Aber auch Adjektive werden mit der trendy Endung versehen. Und da wird es in der deutschsprachigen Anwendung problematisch. Während die Endung so etwas wie eine Metapher für Unverbindlichkeit geworden ist, wäre in unsicheren Zeiten doch gerade Verbindlichkeit wichtig. Was nützt es einem, wenn alles, das präsentiert und gewagt werden will, mit einem «-ish» neutralisiert wird? Gerade mal nichts. Dabei wäre es doch angesagt, dass Kunden und Kundenverantwortliche in den Agenturen ihre Entscheidungskompetenz stärken und klar Haltung beziehen, statt unpräzise Entscheidungen zu fällen, die cool tönen. Statt jede Beurteilung mit dem modischen Anhängsel zu versehen, lieber konsequent sein und klar sagen, wie es ist. Oder eben «isch».


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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