«Monopole aufbrechen ist billiger als Unternehmen aufkaufen»

Gérard Unger, Präsident von Mediavision, über das schrittweise Erobern neuer Märkte

Gérard Unger, Präsident von Mediavision, über das schrittweise Erobern neuer Märkte«Monopole aufbrechen ist billigerals Unternehmen aufkaufen»
Vor zwei Jahren expandierte der französische Kinovermarkter Mediavision in den Westschweizer Markt und brach damit das Monopol von Cinecom auf. Derweil hat Mediavision in der Westschweiz 44 Kinosäle unter Vertrag und kommt dort so auf 37 Prozent Marktanteil (siehe Seite 23). Der Schritt in die übrige Schweiz ist vorbereitet.
1999 drang Mediavision in den Schweizer Markt vor mit der Vermarktung der Kinowerbung für das Multiplex Balexert in Genf und brach damit das Monopol von Cinecom auf. Was bringt Ihnen der Schweizer Markt?
Gérard Unger: Wir sind auf internationalem Expansionskurs. Dabei folgen wir unseren wichtigsten Geschäftspartnern, also jenen Kinogruppen, die auch ausserhalb von Frankreich tätig sind. Für die Schweiz ist das die Village-Road-Show (VRS), die das Multiplexkino Balexert Genf betreibt. Unsere Strategie besteht also nicht darin, nur Präsenz zu markieren, was meist mit Verlusten verbunden ist. Zudem ist es ja immer einfacher, in einem Land ohne viel Konkurrenz Fuss zu fassen. Es ist auch kein Zufall, dass in den meisten Ländern Duopole oder Oligopole bestehen. Ein Monopol ist immer sehr fragil.
Haben Sie mit Ihrer Expansionsstrategie noch andere Monopole aufbrechen können?
Unger: Ja, in Holland.
Hat Mediavision selber in einem Land ein Monopol?
Unger: Nein, aber in Frankreich beherrschen wir zwei Drittel des Marktes, in den Niederlanden 50, in Polen 55 und in Spanien sind
es rund 30 Prozent. In der Westschweiz sind es vorläufig 37 Prozent. Wie gesagt, ein Monopol ist sehr anfällig, deshalb streben wir das auch nicht an.
Welches sind für Mediavision die drei wichtigsten Kinogruppen in Europa?
Unger: In Frankreich ist dies Gaumont Pathé, die jetzt unter Europalace operiert, an zweiter Stelle kommt UCI, die hauptsächlich in Spanien, Portugal, Italien und ausserhalb Europas in Brasilien tätig ist. An dritter Stelle steht VRS. Kinepolis ist für uns einzig in Frankreich ein wichtiger Partner.
Im vergangenen Jahr hat Mediavision in der Schweiz 3 Prozent des Kinowerbeumsatzes erreicht – obwohl die Bruttoumsätze 2000 in dieser Branche um 7,9 Prozent zurückgegangen sind. Wie konnten Sie ein solches Resultat erzielen?
Unger: Balexert war das erste grosse Multiplex in der Schweiz und steht zudem in einer so wichtigen Stadt wie Genf. Das zieht sehr viele Leute an. Deshalb auch das überraschend gute Resultat.
Seit Beginn dieses Jahres hat Mediavision 31 weitere Kinosäle unter Vertrag. Und nächstes Jahr sollen noch einmal mindestens 13 dazukommen. Was bieten Sie den Kinobetreibern Besonderes an?
Unger: Mit dem Aufbrechen des Cinecom-Monopols haben wir Leben in den Schweizer Markt gebracht. Die Kunden bekommen auch Lust zu vergleichen. In der Westschweiz kannte man zudem Mediavision schon. Wir geniessen hier einen sehr guten Ruf. Wir bringen auch eine über 70-jährige Erfahrung mit.
Generell gesehen: Was unterscheidet Ihr Angebot von dem der Konkurrenz, also von Cinecom?
Unger: Nebst den Tarifstrukturen, die sich kaum von der Konkurrenz unterscheiden, und dem Werbepotenzial spielen sicher auch der Service und die Beratung eine grosse Rolle. Auch der Chemie zwischen den Partnern messen wir grosse Bedeutung zu. Wir können massgeschneiderte Lösungen anbieten, wovon unsere Schweizer Kunden bald profitieren werden.
Der Schweizer Markt ist aber vergleichsweise sehr klein. Was sind für Mediavision die Besonderheiten dieses Marktes?
Unger: Die Grösse des Marktes ist für uns eigentlich gar nicht so wichtig. Viel entscheidender ist die Frage, was und wie viel aus einem Markt herausgeholt werden kann. Der Schweizer Werbemarkt ist hoch entwickelt. Bezüglich Zuschauer ist das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft.
Letzten Herbst hat RMB Cinecom übernommen. Wäre das nicht auch eine Gangart für Mediavision gewesen, leichter in den Schweizer Markt vorzudringen?
Unger: Nein, das ist nicht unsere Philosophie. Einem Kunden, das heisst einem Kinobetreiber in ein Land zu folgen, um ein Monopol aufzubrechen, ist viel wirkungsvoller und weit billiger.
Bis jetzt ist Mediavision ja nur im Westschweizer Kinowerbemarkt tätig. Was hindert Sie daran, in den Deutschschweizer Markt oder ins Tessin vorzustossen?
Unger: Es sind eher kulturelle Probleme, zudem sprechen wir nicht die gleiche Sprache. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir bereits Schritte unternommen haben und entsprechende Kontakte bestehen. Wir sind an diesem Teil der Schweiz sehr interessiert.
Haben Sie denn auch Besitzer von kleinen und mittleren Kinos kontaktiert, oder haben Sie kein Interesse an dieser Kundschaft?
Unger: Oh doch. Wenn wir in Frankreich zwei Drittel des Marktes beherrschen, so auch darum, weil wir an kleinen und mittleren Betrieben interessiert sind. Hier in der Westschweiz haben wir eine ganze Anzahl Verträge mit kleinen und mittleren Kinohäusern abgeschlossen.
Seinerzeit setzte Mediavision auf VRS, welche Balexert in Genf besitzt, um im Schweizer Markt aktiv zu werden. VRS wird Balexert verkaufen und sich aus der Schweiz zurückziehen, wenn nicht gar Europa ganz verlassen. Über welche Perspektiven verfügt denn nun Mediavision?
Unger: Wäre dies vor sechs Monaten geschehen, hätte uns das sicher Kopfzerbrechen bereitet, weil wir damals nur dieses eine Kinozentrum in der Westschweiz bedienten. Unterdessen haben wir ja Verträge mit zahlreichen andern Kinos abschliessen und somit definitiv Fuss fassen können. Natürlich hoffen wir, auch mit dem zukünftigen Besitzer von Balexert – wer immer das auch sein mag – zusammenarbeiten zu können.
Die schweizerische Tabakindustrie denkt laut darüber nach, die Kinowerbung für ihre Produkte aufzugeben. Das würde für Sie einen grossen Verlust bedeuten. Welche langfristige Entwicklung sehen Sie für den Schweizer Markt?
Unger: Es würde sich dabei nur um einen zeitlich beschränkten Verlust handeln. Wir haben das ja in Frankreich erlebt. Dort wurde 1991 nicht nur die Werbung für Tabakprodukte in den Kinos verboten, sondern auch für Alkohol. 1993/94 hatten wir die Krise überwunden. Wir suchten ganz einfach andere Werbepartner, die auf ein junges, kulturell interessiertes Publikum ausgerichtet waren und Produkte anbieten konnten wie Mobiltelefone, Jeans und Parfums.
Welches waren 2000 Ihre wichtigsten Werbekunden? Und welche Kunden haben Sie für dieses Jahr bereits verpflichten können?
Unger: British American Tobacco BAT, Coop, Swisscom. In diesem Jahr neu dazu gekommen sind Nike, Henniez, Nivea, Nestlé, Fiat, Amag und SSR-Reisen.
Mit welchen Möglichkeiten kontrolliert Mediavision die Ausstrahlung ihrer Werbefilme?
Unger: Wir haben zum einen Kontrolleure, die stichprobenmässig und anonym die Kinos besuchen. Zum andern muss der Kinobetreiber ja ein Formular über die ausgestrahlten Filme ausfüllen.
Cinecom hat eben ein Büro in der Westschweiz eröffnet. Stört Sie das?
Unger: Mediavision und RMB sind in allen Ländern die grössten Konkurrenten. Einmal sind wir es, die einen Erfolg markieren, das andere Mal halt die Konkurrenz.
Sie sagen es, denn Cinecom hat eben mit Metrociné oder neu Europlex, der zweitgrössten Kinokette der Schweiz, die Verträge mit 29 Kinos für eine längere Periode erneuert. Ihr Angebot hatte offenbar keine Chance. Weshalb?
Unger: Wahrscheinlich waren wir zu teuer. Wir sind aber der Ansicht, dass eine gute Leistung ihren Preis hat. Wenn wir also unsere Dienstleistungen korrekt erbringen wollen, können wir kein Preisdumping betreiben.
Interview: Anita Vaucher

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