Medienpolitik-FAQ

Mit der RTVG-Revision rückt die Medienpolitik in den Vordergrund – die Werbewoche hat dazu die wichtigsten Fragen zusammengestellt – und einige neue Antworten gefunden.

Ist Medienpolitik für Medienprofis überhaupt wichtig?
Ja und Nein: Nein, denn das Thema ist komplex und definitiv geeignet, die Sommerlaune zu verderben. Ja, denn damit wird die Zukunft der Medienbranche wesentlich beeinflusst und somit die Frage, ob Sie nach den Sommerferien noch einen Medien-Job haben werden (bildlich gesprochen, natürlich).

Was passiert, wenn ich Medienpolitik links liegen lasse?
Dann tun das andere vermutlich genauso und unversehens gibt’s nur noch eine «Tagesschau»-Splitausgabe für die Schweiz aus Berlin (andere, schlimmere oder weniger schlimme Szenarien sind ebenso denkbar).

Warum ist Medienpolitik gerade jetzt ein wichtiges Thema?
Es stehen wichtige Weichenstellungen an. Zum einen gibt es den Entwurf für ein neues Radio- und Fernsehgesetz und zum anderen haben National- und Ständerat (gegen den Willen des Bundesrates) die Motion «Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen der Medien» gutgeheissen, die «eine Gesamtschau der schweizerischen Medienlandschaft aus regionalmedienpolitischer und gesamtmedienpolitischer Optik» und «Förderkonzepte» verlangt.

Worin unterscheiden sich die RTVG-Revision und die Motion des Parlaments?
Die RTVG-Revision steht für eine Pflästerlipolitik, die zwar pragmatisch auf akuten Handlungsbedarf reagiert, doch beim Inkrafttreten oft bereits überholt ist. Die Motion des Parlaments hat einen umfassenderen Ansatz. Dieser bietet die Chance für abgestimmte, gesamtheitliche zukunftsorientierte Lösungen, kann aber auch ins Uferlose abgleiten, womit konkrete Resultate ausbleiben.

Warum braucht es eine RTVG-Revision?
Es gibt immer mehr Geräte (PC, Notebooks, Smartphones, Tablets), mit denen Radio- und Fernsehen konsumiert werden können. Damit wird das heutige System, das für das Erheben von Radio- und Fernsehgebühren am Besitz herkömmlicher Empfangsgeräte anknüpft, zusehends überholt.

Welche Lösung für Empfangsgebühren bringt das neue RTVG?
Alle Haushalte und viele Geschäfte werden verpflichtet, eine Abgabe für Radio und Fernsehen zu bezahlen.

Was ist der Vorteil dieser Abgabe?
Die Kriterien zur Abgabepflicht sind einfacher, denn es muss nicht länger überprüft werden, ob in einem Haushalt Empfangsgeräte im Einsatz sind oder nicht.

Braucht es eine solche separate Abgabe oder kann Radio- und Fernsehen nicht mit Steuern finanziert werden?
Eine Finanzierung über die Steuern ist sehr wohl möglich, zumal dies in etlichen Ländern (Spanien und seit dem Jahr 2000 in den Niederlanden so gehandhabt wird.

Kann Radio- und Fernsehen nicht einfach über die Bundessteuer finanziert werden?
Die Idee, Radio und Fernsehen über die direkte Bundessteuer zu finanzieren, erscheint naheliegend, hat aber gewichtige Mängel: Weil sie ein geringes Einkommen haben, zahlen knapp 30 Prozent der veranlagten natürlichen Personen keine direkte Bundessteuer. Und die allermeisten juristischen Personen sind bereits beim Höchssteuersatz angelangt, der ohne Verfassungsänderung nicht erhöht werden kann. Zudem müssten die Steuerverwaltungen in den 26 Kantonen dafür zusätzliche neue Abläufe aufbauen, etwa um weiterhin vorgesehene Ausnahmeregelungen handhaben zu können.

Weshalb sieht die RTVG-Revision für Radio und Fernsehen nicht eine Mehrwertsteuererhöhung vor?
Diese wurde schon in den vorbereitenden Berichten kurz und knapp vor allem mit dem Argument abgetan, dass dafür eine Volksabstimmung nötig sei, was zu lange daure.

Was spricht für eine Finanzierung von Radio- und Fernsehen über eine Mehrwertsteuererhöhung?
Es braucht so keine aufwendige Inkassostelle (heute: Billag), wie sie die RTVG-Revision weiterhin vorsieht. Mit der dafür nötigen Volksabstimmung kann ein neues Vorgehen beim Stimmvolk verankert werden. Die dafür nötigen Vorbereitungen bieten (im Sinne der Motion der eidgenössischen Räte) die Chance zu einer breite Debatte zur künftigen Ausgestaltung der Medienpolitik, wobei alte Zöpfe abgeschnitten und neue zeitgemässe Konzepte aufgebaut werden können. Um die heutigen Gebühreneinnahmen über die Mehrwertsteuer zu finanzieren, müsste diese gemäss Angaben des Bakom um 0,5 Prozent erhöht werden.

Welche Nachteile hat die vorgeschlagene RTVGRevision?
Ihre vollständige Umsetzung ist nicht vor 2017 möglich, da nach Inkrafttreten des Gesetzes die Inkassostelle neu ausgeschrieben und vergeben werden muss. Heute klar erkennbare Trends wie etwa Catchup-TV, Smart-TV, Second Screen (die Werbewoche hat in den kürzlich erschienenen Ausgaben darüber berichtet) werden bis dann das Medienkonsumverhalten beim breiten Publikum markant verändert haben, sodass sich eine erneute Anpassung aufdrängen wird. Umstritten ist zudem die Ausdehnung der Abgabepflicht auf Betriebe. Zudem fokussiert das Gesetz nur auf Radio- und Fernsehen und lässt andere Mediengattungen unberührt.

Welches sind die wichtigsten Fragen, wenn es um eine neue Medienpoltik geht?
Da stehen gleich mehrere Elefanten im Raum: Braucht es die SRG künftig überhaupt noch und falls ja, in welcher Form? Können die Verlage, die sich zunehmend zu Handelshäusern und Event-Veranstaltern wandeln, künftig noch ihre Rolle zur Meinungsbildung wahrnehmen? Welche Pflichten hat der Staat, um nicht nur die Kommunikationsinfrastruktur zu gewährleisten, sondern allenfalls auch um (subsidiär) Inhalte zu fördern?

Wie können die Aufgaben der heutigen SRG künftig wahrgenommen werden?
Was der Markt offensichtlich zu leisten imstande ist, muss nicht länger mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanziert werden: TV-Serien, die in den USA ausschliesslich werbefinanziert verbreitet werden, können auch bei uns nach diesem Muster gesendet werden. Und auch kommerzielle ausländische Filmproduktionen und Sportübertragungen müssen nicht länger mit öffentlich-rechtlich erhobenen Abgaben eingekauft werden, wenn es dazu keinen klaren Bezug zur Schweiz gibt. Für verbleibende, im Interesse des Landes liegende Inhalte werden Leistungsaufträge ausgeschrieben.

Wie können Leistungsaufträge im Medienbereich funktionieren?
Für verschiedene Themenbereiche (aktuelle Nachrichten, Konsum- oder Politik-Magazin, Gesprächsrunden) werden Anforderungen beschrieben. Zusammen mit der Ausschreibung werden Finanzierungsmodalitäten (Werbezeitanteile, Sponsoring etc.) geregelt. Wer das beste Angebot bringt, erhält den (befristeten) Zuschlag, zusammen mit einer gesicherten Finanzierung und einem festen Sendeplatz.

Welche Vorteile haben Leistungsaufträge?
Die Medienbranche in der Schweiz wird belebt, indem private Medienhäuser die bestehenden SRG-Redaktionen herausfordern können. Dabei bleibt die Qualität gewahrt, wie sie von den Leistungsaufträgen vorgegeben wird. Zudem können Leistungsaufträge nicht nur für Radio- und Fernsehen vergeben werden, sondern auch für andere Mediengattungen, wo ein Marktversagen erkannt wird. So entsteht ein wirksames Instrument, um privatwirtschaftliche Medienbetriebe zu stärken und zu fördern und gleichzeitig Mindestanforderungen aufrechtzuerhalten.

Ist mit Leistungsaufträgen nicht zwangsläufig eine neue Medienbürokratie verbunden?
Diese kann schlank gehalten werden, wenn das Publikum über zeitgemässe interaktive Kommunikationskanäle mit einbezogen wird, namentlich bei der Qualitätssicherung. So können abstrakte und teure Studien vermieden werden. Christoph J. Walther

Sechs Thesen zur Medienpolitik

Als Sommerlektüre skizziert die Werbewoche Grundzüge einer möglichen künftigen Medienpolitik, die hier auf sechs Thesen konzentriert sind. Und nach den Sommerferien wollen wir wissen, wie diese bei Exponenten der Medien- und vor allem der Werbebranche ankommen. Reaktionen bitte an: www.WEmad.org/umfrage

1. Was der Markt offensichtlich zu leisten imstande ist, muss nicht länger mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanziert werden.

2. Sofern private Unternehmen nicht in der Lage sind, Inhalte zu produzieren, die im Interesse des Landes sind, kann der Bund unabhängig der Mediengattung deren Produktion ganz oder teilweise unterstützen, wofür Leistungsaufträge ausgeschrieben und vergeben werden.

3. Die Finanzierung einer neuen Medienpolitik soll über das Bundesbudget erfolgen. Falls nötig, kann dafür die Mehrwertsteuer erhöht werden.

4. Der aktuelle Entwurf für ein neues RTVG ist mit einer zukunftsorientierten Medienpolitik nicht vereinbar und ist deshalb zurückzuweisen.

5. Anstatt einer Pflästerlipolitik braucht es eine umfassende Debatte für eine neue Medienpolitik mit einer Volksabstimmung über einen neuen Medienartikel.

6. Es ist im vitalen Interesse der Medienbranche, eine neue Medienpolitik zu fördern und aktiv mit zu gestalten.
 

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