Karriere mit Ausserirdischen

Der junge Lausanner Grafiker Albin Christen hat mit seinen Figuren ein Markenzeichen geschaffen

Der junge Lausanner Grafiker Albin Christen hat mit seinen Figuren ein Markenzeichen geschaffenVon Anita VaucherEigentlich meinte Albin Christen, Zeichnen sei nicht sein Ding. Heute sind die eigenwilligen Figuren, Ausserirdische mit Glupschaugen und überdimensionalen Lippen, sein Markenzeichen. Den Grafiker kennt man nun auch in Asien und den USA.
Das Montreux Jazz Festival 2000 hat sich auf das Schaffen des jungen Lausanner Grafikers Albin Christen nachhaltig ausgewirkt. Sein Plakat für die kulturelle Grossveranstaltung und die eigens für das Montreux Jazz Festival hergestellte Swatch mit seinen Figuren ging um die ganze Welt.
Die Kult-Plastikuhr fand bei den eingeschworenen Sammlern regen Absatz. So türmen sich derzeit im Atelier des Grafikers Uhren aus aller Welt in Lausanne, um von Albin Christen signiert zu werden. New Business beschert ihm vor allem das Plakat. So hat eine Bank in Atlanta USA bei ihm eine Arbeit in Auftrag gegeben. In Tokio ist man ebenfalls auf den Lausanner Grafiker aufmerksam geworden. Das tröstet Christen ein wenig darüber hinweg, dass seine Bemühungen, in Zürich und Paris geschäftliche Beziehungen zu knüpfen, bislang gescheitert sind.
Seit sich Christen im Alter von 23 Jahren nach Abschluss der Grafikerlehre selbstständig gemacht hat, kommt ihm sein Dasein oft wie ein Traum vor. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes den Job seiner Träume realisieren können und würde sich allenfalls noch als Koch wohl fühlen, müsste er einen andern Beruf ausüben.
Parallelen zwischen dem Beruf des Grafikers und des Kochs sieht er in der Spontaneität der Kreation, aber vor allem in der Kurzlebigkeit des erzeugten Produktes. Ein gutes Essen mache Freude und bringe kurzfristigen Genuss, danach vergesse man es aber relativ rasch, sinniert Albin Christen. Genau so sei es mit seinen Arbeiten für die Werbebranche, die er als sehr kurzlebig einstuft.
Aus dem Bauch heraus kommunizieren
Faszinierend an seiner Arbeit findet der junge Grafiker das Kommunizieren mit Bildern, die aus dem Bauch heraus entstehen. Dabei war Zeichnen überhaupt nicht seine Lieblingsbeschäftigung. Albin Christen machte erst eine Lehre als Typograf und war fest davon überzeugt, dass er kein Talent zum Zeichnen hatte.
Ihn faszinierte alles, was mit Druckarbeiten zu tun hatte. Eher zufällig landete er in der Lausanner Werbeagentur Trio. Dort entdeckte er ebenfalls eher zufällig, aber nachhaltig seine Liebe zur Grafik und absolvierte eine Grafikerlehre. Der AD der Agentur sah auf dem Pult des Lehrlings dessen Zeichnungen herumliegen und unterbreitete sie prompt dem Kunden Publicitas für dessen neue Kampagne.
Von diesem Augenblick an waren die Figuren mit ihren Glupschaugen und pneuartigen Lippen das Markenzeichen von Christen. Bis jetzt hatten seine Zeichnungen bloss Freunde und Bekannte amüsiert, wenn er für sie Glückwunschkarten entwarf. Nun stellte der Grafikerlehrling mit Erstaunen fest, dass seine glupschäugigen und ausserirdisch wirkenden Wesen auch ein grösseres Publikum ansprachen.
Der Entscheid, sich nach der Lehre selbstständig zu machen, fiel ihm daher leicht, und die ersten Aufträge liessen nicht lange auf sich warten. In seiner Küche, die er kurzfristig in ein provisorisches Atelier umfunktionierte, führte Albin Christen die ersten Aufträge für das Westschweizer Wochenmagazin L’Hebdo aus.
Seit drei Jahren illustriert er nun schon. Vor noch nicht allzu langer Zeit entwarf der Grafiker für die Grüne Partei ein Wahlplakat. Und erst kürzlich konnte er die Weinetikette des Waadtländer Weinjahrgangs 2000 kreieren. Sein neuester Auftrag, die Kreation einer neuen Plastikuhr, kommt von Swatch. Sie soll nächstes Jahr lanciert werden. Mehr will er dazu nicht sagen.
Druck erzeugt Kreativität und verhindert Routine
Teamarbeit und der damit verbundene kreative Austausch, die ihm eine Agentur hätten bieten können, vermisst Christen kaum. In einer Agentur würde er immer im Hintergrund arbeiten, während die Selbstständigkeit den direkten Kontakt zum Kunden erlaube.
Dieser Draht zum Auftraggeber ist für seine Arbeit unabdingbar, um sich immer wieder neu inspirieren zu lassen, aber auch um sein Schaffen von Zeit zu Zeit in Frage zu stellen. Sich in Frage stellen heisse für ihn, sich weiterentwickeln zu können.
Die Chemie zwischen ihm und dem Auftraggeber müsse stimmen, damit er für diesen arbeiten könne, argumentiert er. Dabei ist Albin Christen alles andere als ein dünnhäutiges Wesen. Er beeindruckt seine Umgebung aber durch Bescheidenheit und Zurückhaltung. Ebenso wichtig für kreatives Schaffen ist für ihn ein gewisser Druck bei der Arbeit. Dies stimuliere ihn und bewahre ihn vor Routine, ist er überzeugt.
Statt für Werber zeichnete Christen für die Armee
Zur Werbung pflegt Albin Christen ein ambivalentes Verhältnis. Sie fasziniere ihn zwar, doch stelle er sich oft die Frage, ob die Agenturen nicht Selbstzweck betrieben und die Wünsche des Kunden oft kaum berücksichtigten. Er würde es schon spannend finden, vermehrt Ansprechpartner für Werbeagenturen zu sein. Sein Handicap seien aber seine Figuren, die sich nicht in ein x-beliebiges Konzept einbinden liessen, bedauert der Grafiker.
Mehr Glück hatte er mit der Schweizer Armee. Obwohl er mit dieser Institution privat eher Mühe bekundet, wollte es der Zufall, dass er für L’Hebdo einen Artikel über die Kleiderkosten der Armee illustrierte. Ein Kommandant war von der Arbeit derart begeistert, dass er tags darauf bei Christen anrief, weil er dessen Zeichnungen für seine Unterrichtsfolien verwenden wollte.
Christens Traum wäre es übrigens, wenn seine Figuren eines Tages laufen lernten, das heisst: wenn er mit ihnen einen Zeichentrickfilm realisieren könnte.

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