«Ich sehe Berlin als zukünftigen Hauptsitz der WHS-Gruppe»

Reinhold Weber über WHS Zürich und International

Reinhold Weber über WHS Zürich und InternationalDie Zürcher Geschäftsstelle der internationalen Agenturgruppe Weber Hodel Schmid sieht sich mit Budgetverlusten namhaften Ausmasses konfrontiert. Nach dem Absprung der Zürich Versicherungen ist nun auch der Verbleib des Smart-Budgets ernsthaft in Frage gestellt. Just zu diesem Zeitpunkt übernimmt der Chef der Agenturgruppe, Reinhold Weber, das Ruder seiner Berliner Niederlassung.Herr Weber, seit Anfang Mai leben Sie in Berlin, wo Sie der WHS-Gruppe und der Berliner Filiale als kreativer Leiter vorstehen. Sind Sie auf der Flucht vor den Problemen von WHS in der Schweiz?
Reinhold Weber: Nein, nein, ich bin nicht nach Berlin geflohen. Vielleicht schlafe ich hin und wieder einmal nicht ganz so ruhig wie gewöhnlich. Aber sobald ich den Kopf des Aktionärs und den Bauch des Kreativen einschalte, weiss ich, dass es im Grunde kein Problem ist, diese Situation zu meistern.
Und wie wollen Sie diese Situation meistern?
Weber: Das ist ganz einfach: Erstens, wir fahren die Kosten herunter. Hierzu benutzen wir möglicherweise die Sollbruchstelle Smart Factory. Und zweitens: Wir treten aufs New-Business-Gaspedal. Natürlich ist die Situation, wie sie sich im Moment darstellt, neu. Aber so viel anders als bei der Gründung von WHS vor zehn Jahren oder als wir vor etwa fünf Jahren unsere Digital Computer installiert und wieder entfernt haben, fühlen wir uns in der aktuellen Lage nun doch auch wieder nicht. Beide Male hat Gas geben, wie man weiss, ziemlich gut funktioniert.
Das tönt nach knallhartem Businesspower.
Weber: Wir haben uns einfach gesagt: ‹Wir machen keinen Verlust, also restrukturieren wir schon einmal präventiv.› Daraus folgt, dass die beiden Agenturen zusammengelegt werden, dass wir Personal, Infrastruktur und Kosten abbauen. Im Grunde genommen wäre es schon lange nötig gewesen, die Schweiz wieder in eine Grösse zu bringen, die lustig, harmonisch und normal ist. Man hätte WHS am See und die Smart Factory bereits früher zusammenlegen können. Die Smart-Jobs verlangten ja nicht mehr gleich viel Manpower, wie dies zu Beginn der Kampagne der Fall gewesen war. Bereits vor geraumer Zeit wollten wir die Smart Factory für andere Kunden öffnen. Nun tun wir das eben jetzt.
Wie viele Leute werden Sie entlassen müssen?
Weber: Das weiss ich noch nicht genau. Es gehen schon nicht gerade keine Arbeitsplätze verloren, aber eine Massengeschichte wird das sicher nicht. Wahrscheinlich bauen wir etwa zehn Stellen ab. Ein paar Leute kommen nach Berlin. In der Schweiz sind wir danach ungefähr 55 Mitarbeitende.
Wie sah es vor der Krise aus?
Weber: Bei Smart waren es vor Urzeiten etwa 35 Mitarbeitende und am See beschäftigten wir noch einmal etwa 40 Leute. Natürlich plagt mich das Ganze. Auf der anderen Seite bin ich aber auch einen «Klumpen» los. Was will ich mit zwei halben Infrastrukturen, in denen die Stimmung halb gut ist? Noch vor zwei, drei Wochen fand ich die Situation wirklich nicht sehr lustig, mittlerweile bin ich aber relativ zuversichtlich. WHS am See wird im Schweizer Markt weiterhin eine dominante Rolle spielen können.
Gibt es Kapazitätsengpässe?
Weber: Wir müssen in der Schweiz sogar künstlich Arbeit und Income vernichten. Mandate wie etwa die Freizeitdatenbank Viviti, Media-Markt und Derendinger Autoersatzteile, die wir bisher von der Schweiz aus betreuten, nehmen wir nun nach Berlin mit.
Wie sind die Führungsaufgaben verteilt?
Weber: Yvonne Hodel ist für die Schweiz verantwortlich, Wien läuft so gut, dass wir uns am besten gar nicht einmischen, und ich fische jetzt einfach im grossen, statt im kleinen Teich, das ist die Story. Abgesehen davon gibt es in Berlin 43 Prozent Wirtschaftsförderung. Ich sehe Berlin als künftigen Hauptsitz der WHS-Gruppe.
Was passiert mit der Smart Factory?
Weber: Wenn ich will, kommen wir aus der Smart Factory bis Ende Jahr heraus. Es existiert ein Vertrag, der uns allfällige Schliessungskosten garantiert. Soweit wird es aber wohl kaum kommen. Erstens wird der zentrale Smart-Pitch ja erst im August entschieden, und sollten wirklich alle Stricke reissen, zieht eher unsere Mediaagentur Bemberg und Gedenk in der Smart Factory ein. Die Agentur ist total heiss und sucht Büros für 25 Leute.
Ist die Allianz mit RØSA gefährdet?
Weber: In der Pressemitteilung heisst es klar und deutlich, dass WHS und RØSA künftig sogar noch näher zusammenrücken werden. Und es versteht sich von alleine, dass wir gerade in Berlin gemeinsame Sache machen müssen. In Berlin wimmelt es von Multimediafirmen. Das Bewusstsein für integrierte Kommunikation ist hier viel ausgeprägter als in jeder anderen Stadt.
Wann haben Sie sich entschlossen, nach Berlin zu gehen?
Weber: Anfang Jahr, aber ich hätte schon vor einem Jahr nach Berlin ziehen sollen. Mittlerweile müsste ich nämlich schon mit Herrn Hayek nackt übers Bellevue rennen, um den Schweizer Medien überhaupt noch eine Notiz auf der Seite «Vermischte Meldungen» wert zu sein. Wenn ich das in Berlin mit Botschafter Borer täte, gäbe es eine Titelseite im Blick. Und Borer wäre seinen Job wohl los.
Interview: Ernst Weber

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