«Es gibt keinen Weg zurück»
Dominique Leroux hat als CEO von Philip Morris International Schweiz in den letzten Jahren den grundlegenden Wandel der Marke vorangetrieben. Mit m&k Werbewoche.ch spricht er über die Herausforderungen der Aufklärungsarbeit aus Sicht eines Tabakunternehmens.
Werbewoche.ch: Dominique Leroux, immer wieder sagen Sie, dass Sie die Leute dazu bringen möchten, mit dem Zigarettenrauchen aufzuhören. Eine eher ungewöhnliche Aussage für den CEO eines seit über 120 Jahre tätigen Tabakunternehmens.
Dominique Leroux: Wir machen einen tiefgreifenden Wandel durch. Unser Ziel ist es, Zigaretten durch wissenschaftlich fundierte Alternativen zu ersetzen, die das Potenzial haben, die Gefahren für Raucherinnen und Raucher zu verringern, wobei diese Alternativen allerdings nicht risikofrei sind. Am besten ist es jedoch immer, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen oder entsprechend damit aufzuhören. Und für diejenigen, die andernfalls weiterhin Zigaretten konsumieren würden, empfiehlt es sich, auf bessere Alternativen wie rauchfreie Produkte umzusteigen. Ich frage mich täglich, wie ich den Raucherinnen und Rauchern am besten erklären kann, weshalb sie auf Produkte umsteigen sollten, die keinen Tabak verbrennen. Der Verbrennungsprozess erzeugt nämlich den grössten Teil der schädlichen Chemikalien im Rauch. Ich habe aber das Gefühl, dass die Botschaft ankommt. Die zeigt sich auch in den Zahlen: Unser rauchfreies Produkt «Iqos» hat in der Schweiz einen Marktanteil von über 9,5 Prozent.
Sie arbeiten seit mehr als zwei Jahrzehnten für das Unternehmen. Wann war der «Wendepunkt» erreicht, wann wurde diese Entscheidung getroffen?
Unser Unternehmen arbeitet schon seit vielen Jahren daran, bessere Alternativen zu entwickeln. Mit der Zeit konnten wir dank Fortschritte in Wissenschaft und Technik auch wissenschaftlich fundierte Produkte auf den Markt bringen. Uns ist wichtig, das Potenzial unserer Produkte zur Schadensminderung wissenschaftlich belegen zu können. Dafür investieren wir auch viel in die Entwicklung, Prüfung und Vermarktung von rauchfreien Produkten – seit 2008 waren es mehr als 9,1 Milliarden US Dollar. Ich würde also sagen, dass es eher ein anspruchsvoller Prozess und nicht ein Wendepunkt war, der dazu geführt hat, dass sich PMI im Jahr 2016 einer rauchfreien Zukunft bekannt hat.
Kam dieser Entscheid aus Überzeugung oder aufgrund von immer weiteren Einschränkungen wie beispielsweise Tabaksteuer oder Rauchverbote?
Wir können die Millionen Menschen, die Zigaretten rauchen, verstehen. Viele von ihnen sind auf der Suche nach einer weniger schädlichen, aber dennoch befriedigenden Alternative. Philip Morris bietet ihnen diese Möglichkeit, weil wir das heute dank Wissenschaft, Technologie und Innovation können. Wir tragen eine Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitenden und unseren Aktionären, die wir erfüllen, indem wir diesen Weg zu nachhaltigem Erfolg einschlagen. Wir haben ebenfalls eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, die von uns erwartet, dass wir verantwortungsvoll handeln. Und genau das, denke ich, tun wir. Indem wir für eine rauchfreie Zukunft sorgen.
Wie können Sie ein jahrhundertealtes, etabliertes Unternehmen so grundlegend verändern? Welche Schritte haben Sie dazu eingeleitet?
Wie bereits erwähnt, spielen Wissenschaft und Technologie bei der Umgestaltung von PMI eine wesentliche Rolle. Lassen sie mich am Beispiel der Schweiz Massnahmen aufzeigen, die wir ergriffen haben, um den Wandel voranzutreiben: Die drei grossen Tabakkonzerne regulieren sich bereits seit vielen Jahren selbst, indem sie unter anderem die Online-Werbung für herkömmliche Zigaretten einschränken. 2018 habe ich entschieden, einen Schritt weiterzugehen und in der Schweiz auch keine Werbung mehr für die Zigarettenmarken von PMI in Zeitungen, Zeitschriften, auf Plakatwänden, auf Festivals und in Kinos zu schalten. Seither konzentrieren wir unsere gesamte Kommunikation für erwachsene Raucherinnen und Raucher in diesen Kanälen auf rauchfreie Produkte und insbesondere auf das Angebot von Tabakprodukten zum Erhitzen. Ausserdem haben die altersgeschützte E-Commerce-Website für Zigaretten eingestellt. Mit solchen Schritten kommt man vorwärts. Und es gibt keinen Weg zurück.
Der Zukunftsforscher Tom Goodwin nannte mir kürzlich vier verschiedene Strategien, wie sich grosse Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten können: «Selbstkannibalisierung», indem sie neue Produkte mit ihren eigenen, älteren Produkten konkurrieren lassen; Innovation als festen Bestandteil des Jahresplans; begrenzte Experimente mit neuen Produktlinien und Investitionen in Start-ups und Hedgefonds. Die erstere Strategie sei zwar der riskanteste, aber auch der lohnenswerteste Weg. Welche dieser Wege trifft auf Ihr Unternehmen zu?
Die Selbstkannibalisierung trifft eindeutig zu. Denn unser Tabakprodukt zum Erhitzen ist nicht für Nicht- beziehunsweise Ex-Raucher:innen bestimmt, sondern für Erwachsene, die bereits rauchen. So haben wir vor acht Jahren damit begonnen, unseren eigenen Konsument:innen den Umstieg auf Iqos zu empfehlen. Tausende sind umgestiegen. Unsere Bemühungen, Raucher:innen von unseren rauchfreien Produkten zu überzeugen, beschränken sich heute jedoch nicht mehr nur auf unsere Konsument:innen. Zur Verwirklichung unseres Ziels, rauchfrei zu werden, mussten wir auch innovativ sein und neue Technologien entwickeln, über die wir heute verfügen. Dabei haben wir uns auf das Know-how vieler KMU und Startups verlassen. Ich würde also sagen, dass mehrere der genannten Faktoren zusammenkommen.
Wie überzeugen Sie die Raucher:innen davon, dass Sie ihnen wirklich eine gesündere Alternative anbieten wollen? Ist es bereits Werbung, oder handelt es sich dabei gewissermassen immer noch um Aufklärungsarbeit?
Erstmal muss man sich vor Augen führen, dass unsere rauchfreien Produkte nicht risikolos sind. Eine wirksame Schadensminderung für Raucherinnen und Raucher ist das Ergebnis der folgenden Gleichung: Man braucht ein wissenschaftlich fundiertes Produkt, das von den Raucher:innen akzeptiert wird. Das eine kann ohne das andere nicht funktionieren. Und beides muss ihnen erklärt und vermittelt werden. Erstens die Tatsache, dass unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse von Fachleuten begutachtet werden, und dass viele unabhängige Studien und Regierungsberichte viele unserer wichtigsten Ergebnisse bestätigt haben. Aber auch, dass unser Produkt das Ritual und die Befriedigung einer Zigarette bietet, aber ohne den Rauchgeruch oder die Asche. Beide Aspekte sind wichtig, und wir haben viel erreicht, indem wir erwachsene Raucher:innen über bessere Alternativen informiert haben.
Wie können Kommunikation und Werbung den Vorurteilen, mit denen sich Tabakunternehmen konfrontiert sehen, begegnen?
Es ist völlig normal, dass es eine Debatte über unsere wissenschaftliche Forschung gibt. Und wir laden unabhängige Forscher:innen dazu ein, ihre eigenen Studien durchzuführen und ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Wenn jedoch Kritik laut wird, nur weil wir ein Tabakunternehmen sind, ohne dass das Erreichte dabei berücksichtigt wird, dann bereitet mir das Mühe. Das heisst, wenn wir den Raucher:innen weiterhin erklären wollen, was rauchfreie Produkte sind, müssen wir dazu entsprechende Kommunikationskanäle haben. Aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz verschärfen sich zunehmend. Vielleicht steht uns bald ein totales Werbeverbot bevor. Der Vorschlag des Bundesrates zur Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» ist übertrieben und geht weit darüber hinaus, was die Initiative ursprünglich verlangt hat. Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, erwachsene Raucher:innen über bessere Alternativen zu informieren, erschwert dies die Bemühungen zur Schadensminderung beim Tabakkonsum. Ich denke, es ist möglich, Minderjährige vom Tabak- und Nikotinkonsum abzuhalten und gleichzeitig Anstrengungen zur Schadensminderung zu unternehmen. Das haben wir mit der Kommerzialisierung von Iqos bewiesen.
Welche Schritte planen Sie als nächstes auf dem Weg zu einer «rauchfreien Welt»?
Rauchfreie Produkte sollen bis 2025 mehr als 50 Prozent unseres weltweiten Umsatzes ausmachen. Wir sind zudem überzeugt, dass der Verkauf von Zigaretten in bestimmten Ländern innerhalb von 10 bis 15 Jahren eingestellt werden kann, wenn die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, der Dialog gefördert wird und wir die Unterstützung der Zivilgesellschaft erhalten. Diesen Wandel können wir aber nicht allein bewerkstelligen: Es braucht Wissenschaftler:innen sowie andere Fachleute, die uns dabei unterstützen, indem sie die Öffentlichkeit korrekt über die relativen Risiken dieser Produkte im Vergleich zum fortdauernden Zigarettenrauchen informieren. Und die Regierungen müssen mit den Herstellern zusammenarbeiten, um Innovationen in diesem Bereich zu fördern und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die Raucher:innen den Umstieg auf diese besseren Alternativen erleichtern.