«Eine europäische Lösung für globale Ansprüche»

Auf der Dachterrasse von «Decentriq» in Zürich West gibt Gründer Maximilian Groth Einblicke in sein Deep-Tech-Unternehmen und erklärt, inwiefern es eine entscheidende Rolle bei der Post-Third-Party-Cookie-Ära in der Schweiz spielt.

Decentriq-Gründer Maximilian Groth auf der Dachterrasse seines Unternehmens in Zürich West. (Bild: Anna Kohler)

m&k: Maximilian Groth, erklären Sie uns kurz, wie es zur Gründung von Decentriq kam?

Maximilian Groth: Vor fünf Jahren habe ich gemeinsam mit meinem Geschäftspartner Stefan Deml Decentriq gegründet. Inzwischen sind wir 30 Mitarbeitende. Geboren ist die Idee zu dieser Plattform, als wir beide in einer Firma arbeiteten, die weltweit Handydaten analysiert und dann auch monetarisiert – dies geschieht zusammen zusammen mit Mobilfunkanbietenden. Dabei kam die Frage auf, ob wir helfen könnten, diese Daten anzureichern mit Daten von Drittanbietern wie Kreditkartenanbietern. Daten zu kombinieren ist aus Gründen von Datenschutz und Datensicherheit sehr schwer. Und vor allem vertraut man seine wertvollen Daten ja nicht einfach einer anderen Firma an.

 

Aus diesem Gedanken heraus entstand also Decentriq?

Genau. Wir hatten dann die Idee, eine technologische Plattform zu bauen, die es den Unternehmen erlaubt, einfacher und Compliance-sicher zusammenzuarbeiten. Wir haben als Firma einen stark technologischen Background, werden als Deep-Tech-Firma kategorisiert. Vor ein paar Wochen haben wir den ZKP-Pionierpreis Technopark gewonnen, der seit 2001 jedes Jahr an ein Unternehmen vergeben wird. Dieser Preis ist dotiert mit 100’000 Franken. Dies ist für uns eine grosse Anerkennung. Unser Spitzname bei ausländischen Unternehmen ist oft «The Switzerland of Data».

 

Weshalb werden Sie so genannt?

Wir haben eine neutrale Umgebung geschaffen, auf der man sicher und benutzerfreundlich auf sensitiven Daten zusammenarbeiten kann. So ein bisschen wie die Schweiz eben (lacht). Was die Schweiz politisch ist, bringen wir in die Datenökonomie ein. Der Swissness-Faktor kommt gut an. Wir sagen daher, dass wir wirklich nicht eine SaaS Firma im Sinne von «Software as a service» sind, sondern eine «SaaS Switzerland as a Service». Wir verkörpern auf technologischer Ebene, was die Schweiz politisch verspricht: Vertrauen, Wertigkeit, Neutralität, Zuverlässigkeit.

 

Wer nutzt die Decentriq-Plattform?

Wir sind generisch aufgestellt. Uns nutzen die verschiedensten Branchen – der Gesundheitssektor, Banken, Markenkonzerne, Sportdatenunternehmen. Gerade im Gesundheitssektor nutzen grosse Spitäler unsere Plattform, um Daten für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Wir haben schon mit dem Verteidigungsministerium zusammengearbeitet im Bereich Cybersecurity und mit der Stadt Zürich im Bereich öffentlicher Nahverkehr. Im privaten sowie im öffentlichen Sektor arbeiten wir mit renommierten Unternehmen zusammen. Dabei haben Datenschutz und Datensicherheit oberste Priorität, das können wir technologisch garantieren.

 

Wie kann man sich die Plattform genau vorstellen? Wie wird die Datensicherheit gewährleistet?

Wir haben unseren Background in der Kryptographie. Alle Daten, die auf unserer Plattform hochgeladen werden, werden vorher verschlüsselt – und das bleiben sie auch. Das Unternehmen kann definieren, wie und vom wem die Daten genutzt werden dürfen. Das wird «purpose bound data sharing» genannt. So können wir kryptographisch sicherstellen, dass die Daten nur zu einem bestimmten Zweck genutzt werden. Kurz gesagt: Daten sind wertvoll, und damit sie nicht für jede:n zugänglich und nutzbar sind, gibt es uns. Die Kontrolle der Daten liegt stets beim Unternehmen und es bestimmt, wer es nutzen darf, wie die Daten genutzt werden dürfen und wie lange. Nun können Daten genutzt werden, die vorher, wie zum Beispiel im Gesundheitssektor aus Datenschutzgründen nicht genutzt werden konnten.

 

Was steckt da für eine Technologie dahinter?

Die Technologie, die wir nutzen, nennt sich «Confidential Computing». Das ist die gleiche Technologie, die Google in Zukunft bei ihrer «Privacy Sandbox» nutzt. Apple nutzt die gleiche Technologie, um seinen iPhone-Nutzer:innen Datensicherheit gewährleisten zu können.

 

Wie nutzen Medien und Media-Unternehmen diese Plattform?

Wir bieten Lösungen für die Post-Third Party Cookie-Ära an. Marken möchten Compliance-konform ihre Zielgruppe erreichen. So arbeiten wir mit den grossen Medienunternehmen zusammen – nicht nur in der Schweiz, auch international. Zum Beispiel ist RTL Ad Alliance in Deutschland unsere Kundin.

 

Wie kann man sich das genau vorstellen?

Nehmen wir ein Beispiel: Goldbach, mit denen wir seit über einem Jahr erfolgreich zusammenarbeiten, legen ihre First-Party-Daten verschlüsselt auf die Plattform, Brands tun das ebenso. Dann wird ein Seed kreiert, worauf basierend Audiences erstellt und Kampagnen gezielt an die Zielgruppen ausgespielt werden können. Auch über mehrere Publisher ist das möglich. Wir arbeiten mit vielen Schweizer Publishern. Dadurch haben wir so etwas wie einen Swiss Garden erstellt.

 

Sie bieten diesen Firmen also einen Weg, die Werbegelder im Land zu halten.

Genau. Die Werbeindustrie ist ein Milliardengeschäft, und so viel fliesst einfach ab an die grossen ausländischen Techkonzerne. Die meisten Schweizer:innen verbringen neben den amerikanischen und chinesischen Plattformen die meiste Zeit auf nationalen Plattformen. Weshalb also soll dieses Verhalten nicht werblich genutzt werden – und dies eben sogar übergreifend. Auch grosse Agenturen wie Publicis setzen auf unsere Plattform. Wenn ich bei einer Europäischen Firma pitche, starte ich mit dem Claim «Eine europäische Lösung für globale Ansprüche».

 

Wie setzen sich die 30 Mitarbeitenden von Decentriq fachlich zusammen?

Auf einer kulturellen Ebene ist für uns klar und steht auch in unseren Values, dass wir Datenschutz und Datensicherheit als Menschrechte sehen. Diesbezüglich lassen wir nicht mit uns diskutieren. Etwa 20 Personen widmen sich dem Engineering und Produktentwicklung, und ungefähr zehn sind bei Operations und Commercial angesiedelt. Wir haben grosse Kunden, die wir betreuen, die Plattform bekommt regelmässig neue Features, wird skaliert, weiterentwickelt, aber gleichzeitig treiben wir das Marketing und Vertrieb voran.

 

Wie macht man Marketing bei einem Deep-Tech-Produkt wie Ihrem?

Wir lernen täglich. Wir arbeiten daran, wie man das Abstrakte greifbar machen kann. Sehr geholfen hat die Analogie zur Schweiz – die Neutralität, die Sicherheit, die Qualität, das kann man sich merken. Ich persönlich habe das lange unterschätzt. Die Kund:innen müssen das vor dem inneren Auge haben. Oft starte ich mit der Frage, ob jemand weiss wofür SaaS steht. Alle wissen es, ich sage dann aber «Switzerland as a Service». Und dann ist das Eis schon gebrochen. Es ist dann aber noch ein weiter Bogen zur Verschlüsselungstechnologie,

 

Wie überzeugt Decentriq auf der inhaltlichen Ebene?

Wir haben investiert in technische Dokumentation, in juristische Abklärungen von renommierten internationalen Kanzleien – denn saubere Use Cases sind wichtig. Und natürlich sind auch die Unternehmen, mit denen wir arbeiten und die auf unsere Technologie setzen, eine gute Referenz.

 

Zum Beispiel?

Im DACH-Raum sind das zum Beispiel Goldbach, Ikea, RTL Ad Alliance, Adverserve, das Schweizerische Militär, im Gesundheitssektor das Universitätsklinikum Aachen. Wir arbeiten auch mit grossen Banken zusammen. Auch der Award, den wir gewonnen haben, als ein führendes Deep Tech Unternehmen der Schweiz, ist natürlich eine Referenz.

 

Was treibt Sie persönlich an?

Gemeinsam mit unserem Team aus der Schweiz heraus eine Plattform zu kreieren, die Organisationen weltweit kollaborativ nutzen, um vernetzt auf Daten zu arbeiten und dadurch gesellschaftlichen Mehrwert stiften. So ist beispielsweise Werbung essenziell in der Finanzierung von Qualitätsjournalismus.

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