«Shine on!»: Besuch bei Shining
Beim Besuch der Produktionsfirma Shining wird deutlich, wie stark die Geschäftsführung auf Respekt und Wertschätzung achtet, auch im Umgang und in der Ausbildung von jungen Talenten. Mit dem Bronzelöwen, den sie mit Farner in Cannes gewonnen haben, untermauert Shining ihr Können. Wie sie seit Jahrzehnten konstant Spitzenleistung bringen und warum die Serie «Tschugger» der Katalysator für shining nice war, erzählen die vier Partner:innen im Gespräch mit m&k.
Alle Geschäftsmitglieder an einen Tisch zu bringen war ungefähr so einfach, wie einen Pudding an die Wand zu nageln. Als wir endlich einen Termin haben und zusammen in der Sofaecke Platz nehmen, merkt man, wie sehr sie sich selber freuen, einander mal wieder komplett zu begegnen. «Mensch, hier auf dem Sofa sass ich mit euch noch nie», platzt es dann auch lachend aus Stefan Bircher heraus. Genau in diesem Moment drückt der Fotograf ab … und schon ist das Gruppenbild im Kasten.
Der Aufhänger meines Besuchs in Wollishofen bei Shining ist eigentlich der Erfolg in Cannes, zusammen mit Team Farner. Schnell wird klar, dass alle sehr stolz sind, auch auf die gute Zusammenarbeit mit Farner, trotzdem ist ihnen wichtig, Erfolge nicht zu sehr breitzutreten, sondern auf die Bereiche hinter den Erfolgen zu schauen. Und das sind? «Unsere Mitarbeitenden», sagt Stefan Bircher mit Nachdruck. Das Team Shining ist 20 Personen stark. Viele von ihnen haben sie selber ausgebildet, gefördert und ihre Stärken herausgeschält. Leonardo Sanfilippo ist sehr wichtig zu betonen: «Der negative Effekt von Fluktuation trifft Unternehmen im Dienstleistungsbereich besonders stark. Wir wollen auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung führend sein, weil wir glauben, dass, wer Mitarbeitern spannende Perspektiven gibt und sie dadurch länger begleiten darf, nachhaltiger und effizienter am Markt teilnimmt.» Caroline Braun ergänzt: «Wir hatten letztes Jahr eine kleine, feine Produktion mit einer Minicrew von sechs Personen. Auf dem Dreh wurde mir plötzlich bewusst, dass von den sechs Crewmitgliedern vier ihre Karrieren ursprünglich als Praktikant:innen bei Shining starteten. Jede:r ist seinen individuellen Weg gegangen, als Regisseur:in, Produktionsleiter:in, Kameraassi und DIT. Sie waren voller Enthusiasmus, professionell und engagiert. Das hat mich sehr stolz gemacht.»
«Nur wenn sich alle gesehen fühlen, können alle ihr Bestes geben, wie in einer guten Familie.»
Stefan Girtanner betont ausserdem, welch hohen Stellenwert Praktikannt:innen bei Shining geniessen. Sie könnten sehr viel mitnehmen, wenn sie engagiert seien und wüssten, was sie lernen wollten. «Wir haben im Verlauf der Jahre unsere Praktika-Dauer verlängert, damit beide Seiten mehr von dem Engagement haben», sagt er. Praktika könnten sowohl auf Produktionsebene wie auch in der Postproduktion angeboten werden, da Shining relativ breit aufgestellt sei und eine interne Postproduktion führe, ergänzt er noch. «Viele wechseln nach dem Praktikum in eine unbefristete Festanstellung bei uns.»
Stefan Bircher räuspert sich leicht gerührt, ob all der positiven Resonanz und hebt sein (Wasser-)Glas: «Auf die Festen und Freien, ihr seid Shining, ihr habt Shining zu dem gemacht, was wir heute sein dürfen. Tausend Dank und: SHINE ON, YOU CRAZY DIAMONDS!»
Die Anfänge
Stefan Bircher und Caroline Braun gründen Shining Pictures 2007. Sie wollen sich auf Werbeauftragsfilme spezialisieren. Die Branche verjüngen. Erst auf dem Weg zur Handelskammer machten sie sich Gedanken über den Namen der Firma. «Ich weiss nicht mehr, wer auf die Idee Shining Pictures kam …», beginnt Stefan zu erzählen, Caroline unterbricht ihn lachend: «Giants stand auch zur Debatte, weil wir beide gross gewachsen sind, heute bin ich froh, haben wir den nicht gewählt.» Die Firma wächst langsam und organisch. Sophie Toth kommt 2013 mit Shining in Kontakt, erst arbeitet sie als Freie, dann mit Festanstellung und wird bald Teil der Geschäftsführung. «Ich bin eine Macherin, Caroline ist die Überlegte, Leo der emotionale Diplomat und Stefan Bircher der Zusammenhalter, wir ergänzen uns gut», so Sophies Fazit.
«Grosse Talente frühzeitig zu erkennen und zu unterstützen ist unserer Meinung nach ein Must-have.»
Während des Start-ups arbeitet Caroline Teilzeit und gründet eine Familie. 2017 entschliesst sich Stefan Bircher zu einem einjährigen Sabbatical. Weil die Auftragsbücher voll sind, wird Leonardo Sanfilippo angeworben.
Als Stefan Bircher 2018 aus der Auszeit zurückkehrt, verändert sich die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftspartner:innen noch einmal. Alles wird gemeinsam entschieden, jede:r bringt sein Können und seine Art des Denkens und Handelns ein. «Wir teilen gemeinsame Werte, haben alle aber komplett verschiedene Charaktere», fasst es Sophie zusammen. «Wir lieben Familie, haben Respekt vor dem Leben, den Menschen, der Natur, wir mögen Nachhaltigkeit, Stabilität, langfristige Beziehungen», ergänzt Leo. So wird 2020 aus der Shining Pictures GmbH schliesslich Shining Film – mit vier gleichberechtigten Partnern.
2019 kommt Stefan Girtanner in die Shining-Familie. Er arbeitet schon länger als Produktionsleiter für die Firma, ist eine Bereicherung, stabil, humorvoll, kompetent, macht die Dinge möglich. Er hat als Puzzleteil noch gefehlt. Ist die Shining-Führungsebene nun komplett? «Wir haben jetzt nach 17 Jahren eine gute Basis gelegt», sagt Stefan Bircher. «Wir haben tolle Leute aufgebaut, die einen ziehen weiter, die anderen bleiben, wir ermöglichen allen, zu wachsen, wir wollen keinen Stillstand. Deshalb suchen wir immer die neue Sophie, die neue Caroline, den neuen Stefan oder Leo.» Mit der Shining Nice AG besteht seit 2024 ein neuer Rechtskörper für freie Filme wie Serien, Spiel- und Dokumentarfilme.
NACHGEFRAGT
«Mit Shining Nice steht jetzt eine eigenständige Produktion für freie Filme.»
Seit 2020 produziert Shining auch längere Formate im Bereich des freien Films, der Serien, Spiel- und Dokumentarfilme. Nun ist daraus die Firma Shining Nice erwachsen, die von Sophie Toth gegründet wurde und geführt wird. Wir haben mit ihr und Stefan Bircher darüber gesprochen.
m&k: Wie entstand der Wunsch, 2020 die Palette der Formate zu erweitern?
Sophie Toth: Da möchte ich gern etwas ausholen. Als Filmproduktion sind Werbeaufträge besonders spannend, wenn wir sehr früh mit ins Boot geholt werden und unser Fachwissen bereits in der Ideenfindung und in der Ausschreibung der Scripts einbringen können. Unser Know-how und die langjährige Erfahrung tragen dadurch sehr viel zur Qualität der Filme bei und ergänzen die Kreativteams seitens der Agenturen und der Kunden. Manche Agenturen holen uns bereits für das Pitchen bei den Kunden rein. Als Storyteller haben wir schnell grosse Freude an längeren Formaten wie den Webserien für Swisscom und das Open Air Gampel gefunden. Dabei hat die Idee für die fiktionale Serie «Tschugger» angefangen zu gären. David Constantin (Bax) hatte vor seiner Karriere in der Werbung auf eigene Faust und mit Freunden die Webserie «Tschutter» geschaffen. Wir wollten uns daran anlehnen, aber was Neues machen. So haben wir SRF für «Tschugger» gepitcht. Da wir ihnen die Tonalität, den Drive und den Style der Serie nicht genügend mit Worten erklären konnten, haben wir auf eigene Kosten einen zehnminütigen Pilotfilm gedreht, bestehend aus ein paar Szenen der ersten Staffel. Und von da hat alles seinen Lauf genommen. Der Erfolg der Serie hat nach weiteren Staffeln gefragt und so sind David und ich total von der Serienproduktion absorbiert worden. Für Werbung blieb keine Zeit mehr, aber unser Werbeverständnis und die Kontakte halfen, um seriebegleitende Kommunikationsmassnahmen umzusetzen.
Würden Sie die Eigenheiten, Entwicklungen und Markt-Trends dieser verwandten und doch eigenständigen Formate für uns herausschälen?
Toth: Product Placements im Film haben eine lange Tradition. Die gelungene Verpackung einer Markenidentität in einen inhaltlich passenden und emotional tragenden Kontext verleiht einem Brand Visibilität und im besten Fall wird der Imagetransfer beiderseits ideal genutzt. Die möglichst natürliche, authentische Integration der Produkte oder Markennamen ist das Ziel. Je populärer und erfolgreicher ein Film oder eine Serie ist, desto grösser natürlich die Reichweite. So entstand beispielsweise die beim ADC mit Gold ausgezeichnete Serie «Samsung X Tschugger ‹FlipCodeMystery›».
Stefan Bircher: Wir glauben, dass durch den Markteintritt von privaten Streamingdiensten ein Paradigmenwechsel im Gang ist. Auf Effizienz und Zielgruppenverständnis geschulte Filmschaffende aus dem Auftragsfilmmarkt werden im fiktionalen Markt von öffentlich-rechtlichen wie auch privaten Streamingdienstanbietern wohlwollend aufgenommen. Es ist eine Zunahme von ursprünglich auf Auftragsfilmproduktionen spezialisierten Filmproduktionen im Fiktionsmarkt spürbar.
Wie würden Sie die Lernkurve beschreiben?
Bircher: Wir haben gelernt, dass die Disziplinen Auftragsfilm und freier Film während den Drehs sehr ähnlich funktionieren, sich aber in den Finanzierungsprozessen, in der Pre- und Postproduction sowie in den Zahlungsmodalitäten durch die unterschiedlichen Dimensionen stark unterscheiden. Wir haben unterdessen aus Shining zwei Rechtskörper geformt, die durch die Dachmarkenstrategie Shining miteinander verbunden sind.
Highlights aus der Shining-Schmiede
«Es ist sehr schwierig, einzelne Cases auszuwählen, ohne anderen Unrecht zu tun – ein Versuch:
Zu Beginn waren Cases wie «Zimtstern – Leaves», «BfU – Slow Down. Take it easy.» und «SBB – unterwegs zuhause» prägend für uns. Genauso entscheidend für die Geschichte von Shining waren danach die ersten etwas längeren Formate wie die gebrandeten Webserien «Swisscom – Rocco» oder «Gampel – Mitschdri». Der Einstieg in die Fiktion mit «Tschugger» hat wiederum zu ersten hybriden Formaten wie «Samsung – FlipCodeMystery » geführt. Über die Jahre durften und dürfen wir sehr viel für Schweizer Fleisch, Postfinance, SBB und Coop arbeiten. Und kürzlich haben wir einen Cannes-Löwen für den Werbespot «Greenpeace – Breath» erhalten.
Jede Zusammenarbeit hinterlässt ihren Fussabdruck. Das macht unseren Beruf ja genau so spannend.»
Revision der Berufslehre Mediamatiker
Shining arbeitet in einer Arbeitsgruppe der Swissfilm Association (SFA) mit ICT-Berufsbildung an der Revision der Berufslehre Mediamatiker. Ziel der Revision dieser Berufslehre ist es, die Weichen für talentierte Content Producers so zu stellen, dass sie vom Markt stärker nachgefragt werden und mehr Mediamatiker-Lehrstellen ausgeschrieben werden. Auf der tertiären Bildungsstufe B erarbeitet die Gruppe über eine Trägerschaft mit dem SWA, der LSA und dem ADC eine höhere Fachprüfung mit eidgenössisch anerkanntem Abschluss. Unter dem Arbeitstitel «CCP» («Creative Content Producer») erhielt die Arbeitsgruppe unlängst grünes Licht und weitere Subventionen vom SBFI (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation) für die Umsetzung der Berufsentwicklung.
Dieser Artikel erschien zuerst in der m&k Printausgabe 8-9/2024.