RAWR: «Wir wollen, dass Emotionen im Zentrum stehen»
Die Agentur Webrepublic expandiert weiter – und gründet eine neue Brand: Mit «RAWR by Webrepublic» nimmt dieser Tage ein Marketing-Partner für digitale Strategie und Innovation in der Sport- und Unterhaltungsbranche die Arbeit auf. FIFA und das Filmfestival in Locarno sind bereits als Kunden an Bord, doch die Initiatoren denken schon weiter: Werbewoche.ch hat mit Tom Hanan und Robert Dorlin ein exklusives Interview geführt.
Johannes Hapig: Tom Hanan, Sie werden am heutigen Montag im Rahmen des Schweizer Markenkongresses die Gründung einer neuen Webrepublic-Brand «RAWR by Webrepublic» bekanntgeben, ein Marketing-Partner für digitale Strategie und Innovation in der Sport- und Unterhaltungsbranche. Wie ist diese Unternehmung entstanden?
Tom Hanan: Sie erinnern sich vielleicht noch daran, dass ich Sie im Herbst 2018 durch die neuen Räume von Webrepublic hier an der Bederstrasse geführt habe. Damals habe ich Ihnen erzählt, wie wir kurz zuvor für die FIFA das digitale Marketing rund um die Fussball-WM in Moskau orchestrieren durften. Mit einem fantastischen Team, das rund um die Uhr gearbeitet hat, haben wir in sechs Wochen weltweit knapp 60 Kampagnen in acht Sprachen mit über 10 Milliarden Impressionen ausgespielt. Daten- und innovationsgetrieben: Das ist die DNA von Webrepublic, das ist unsere Kernkompetenz, seit wir das Unternehmen 2009 gegründet haben. Und gerade im Bereich Sport und Unterhaltung lässt sich in der digitalen Kommunikation noch unglaublich viel Potenzial aktivieren. Vor allem, wenn man ganzheitlich denkt und agiert.
Was genau meinen Sie damit?
Wir begreifen nicht den Veranstalter als Kunden auf der einen und den Sponsor als Financier auf der anderen Seite. Sondern wir fassen das zusammen und überlegen uns: Wie können wir Inhalte so generieren und ausspielen, sodass Veranstalter, Sponsoren und die Target Audience – die Fans – damit happy sind, bewegt und aktiviert werden? Wie kanalisieren wir die starken Emotionen, die bei Live-Events entstehen, und verweben sie mit einer für alle Beteiligten perfekten Experience, unabhängig von Ort und Zeit? Das 20-köpfige Team hinter RAWR kombiniert Strategieberatung und kreative Konzepte mit Performance-Driven Marketing und Data Intelligence und bringt das Sponsoringgeschäft ins digitale Zeitalter. Und unsere Kunden dadurch näher zu ihren Fans.
Und weil Sie das FIFA-Mandat auch für die WM in Katar gewonnen haben, macht es Sinn, Ihr Sport- und Eventangebot zu formalisieren?
Zunächst macht es meinem mittlerweile rund 250 Personen starken Team und mir als Founder und CEO von Webrepublic immer noch Freude, zu wachsen, in neue Bereiche zu investieren, Dinge auszuprobieren. Ich glaube, Stagnation ist sehr gefährlich. Dann sind da das Mandat für die diesjährige WM in Katar, eSports-Turniere sowie den Frauen-Weltcup. Aber wir haben auch schon das Filmfestival in Locarno als Kunden gewinnen können, die wir beim Aufbau einer digitalen Infrastruktur unterstützen, die sich weit über Kinosäle und jährliche Branchentreffen hinaus entwickeln kann. Es ist einfach Zeit, mit der neuen Marke RAWR all diesen Projekten ein eigenes Zuhause zu geben. Denn die Welt des digitalen Sponsorings steckt noch in den Kinderschuhen.
Und mit Robert Dorlin haben Sie als Managing Director von RAWR einen echten Sport-Fan – und erst noch einen ehemaligen Webrepublic-Kunden – für die neue Unternehmung gewonnen. Wie hat sich dieser Kontakt entwickelt, Robert Dorlin?
Robert Dorlin: Als ich noch bei EF (Education First, ein Anbieter für Bildungs- und Reisedienstleistungen, Anm. d. Red.) gearbeitet habe, waren wir auf der Suche nach einer «Rockstar-Agentur», die uns im digitalen Bereich unterstützt. Tom und ich haben uns dann immer besser kennengelernt, uns ausgetauscht – und gemerkt: Wir wollen die selben Dinge und verfolgen – wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive – dieselben Ziele. Und ich liebe Live-Events, also haben wir auch darüber dauernd gesprochen. So kam eins zum anderen.
Sie sind nicht nur für den operativen Aufbau von RAWR verantwortlich, Sie hatten auch die Idee für den Markennahmen.
Das war Anfang Januar dieses Jahres, ja. Ich war gerade ein paar Tage offiziell bei Webrepublic beschäftigt, für ein Projekt, das damals eben noch keinen Namen hatte (lacht). Wir wussten nur, wo wir damit hinwollen und was wir dafür tun müssen. Und dann sah ich das Skirennen in Adelboden am 8. Januar – eines der ersten Events mit gelockerten Pandemie-Restriktionen, 16‘000 Menschen live vor Ort, ein Gefühl der kollektiven Liberalisierung. Marco Odermatt kommt ins Ziel, mit zittrigen Beinen, streckt seine Skier in die Höhe – und die Menge brüllt, tobt, jubelt, schüttet ihre ganze Energie aus. Ein Raunen und Dröhnen geht durch die Schnee-Arena. Da wusste ich: RAWR (angelehnt an das Englische «Roar» für «Brüllen, Dröhnen, Rauschen», Anm. d. Red.) wäre ein perfekter Name für unsere Unternehmung. Denn was da in Adelboden passiert ist, darum geht es uns.
Ganz simpel: bei Sportereignissen, Konzerten, oder Filmfestivals geht es um Erlebnis und Emotion. Sie wollen den Veranstaltern und den Sponsoren helfen, beides in eine digitale Kommunikation zu übersetzen, die Zuschauer:innen und Fans wirklich erreicht – und dabei clever «gebrandet» ist. So kann man Ihr Business-Modell beschreiben, oder?
Hanan: Vereinfacht dargestellt ist das richtig. Aber ich möchte gerne noch etwas ergänzen: Die Art, wie heute Events – sowohl Sportereignisse als auch kulturelle Veranstaltungen – konsumiert werden, ist fundamental anders als noch vor einigen Jahren.
Dorlin: Mein Sohn ist beispielsweise der grösste Liverpool-Fan, den man sich vorstellen kann, und schaut trotzdem kein ganzes Spiel am Stück. Veränderte Sehgewohnheiten, Daten und die digitale Transformation treiben eine Revolution in Sport und Unterhaltung voran. Und wir helfen unseren Partnern, sich genau darauf vorzubereiten und diese zu nutzen.
Hanan: Genau, die Fragmentierung hat extrem zugenommen. Eine WM findet heute auch bei YouTube statt, bei Instagram, in TikTok-Clips, die nur wenige Sekunden lang sind. Wie können wir sicherstellen, dass Marken, die sich in diesem fragmentierten Umfeld zeigen wollen, gesehen werden? Wir glauben, dass es eine längerfristige Kooperation zwischen Veranstaltern, Sponsoren und Agentur braucht; den Aufbau eines Marken-Narrativs über alle denkbaren Kanäle hinweg. Und damit verbunden immer wieder die Frage: Welchen KPIs folgen wir?
KPIs sind im Sponsoring wichtiger geworden, als sie es noch vor ein paar Jahren waren.
Hanan: Wenn ich es jetzt ein bisschen salopp sagen darf – ich hoffe, da ist nachher kein Sponsoring-Executive sauer auf mich (lacht) – war das früher ja schon manchmal so, dass man Sponsoring als Logo-Präsenz und VIP-Hospitality verstanden hat, und das war’s dann. Aber heute müssen Sponsoring-Verantwortliche bei ihren Unternehmen ganz genau Rechenschaft abliefern, wen sie mit welchen Massnahmen erreicht haben. Sponsoring ist eine messbare Marketing-Funktion geworden, und mit denselben Erwartungen an diejenigen, die es machen, verknüpft.
Sorgt die WM in Katar bei den Sponsoren für Vorbehalte? Immerhin gibt es die Gefahr kontroverser Berichterstattung rund um Lebens- und Arbeitsbedingungen in dem Land, die dann auch auf beteiligte Marken überschwappen könnte.
Unsere Aufgabe ist es, wie gesagt, Emotionen und Stimmungen zu messen und digitale Kommunikation daran anzupassen. Natürlich reagieren wir auf aktuelle Entwicklungen, auf Feedback, auf mediale Kritik, um unsere Partner optimal zu begleiten. Aber wir können und wollen nicht für Auftraggeber und Sponsoren die Entscheidung treffen, in welchem Umfeld sie sich engagieren und in welchem nicht. Das wäre eine drastische Ausweitung unserer Kompetenzen, dafür müssten wir erst einmal eine PR-Agentur gründen (lacht).
…ich sehe eine neue Geschäftsidee und Nervosität bei den Marktbegleitern in der Schweizer PR…
Nein, nein, das ist für uns aktuell wirklich kein Thema. Wir konzentrieren uns auf etwas, das Menschen verbindet: die Freude am Sport und an dem, wofür er steht.
Dorlin: Wir sitzen ja hier unter Freunden zusammen (lacht), daher darf ich vielleicht ein bisschen Pathos riskieren? Ich würde sagen: Sportler:innen sind die Held:innen der Gegenwart. Schauen Sie sich Rafael Nadel an, wie er trotz Schmerzen auf dem Tennisplatz Stunde um Stunde weiterkämpft. Wie ein Stadion förmlich explodiert, als die Schweizer Nationalmannschaft den Weltmeister Frankreich bei der Fussball-EM besiegt. Wo sonst gibt es so etwas heute noch? Webrepublic hat in den vergangenen Jahren gezeigt: Niemand versteht Digital Marketing und -Distribution so gut wie wir. Und das werden wir jetzt nutzen, um den Kreis zum Kern des Marketings hin zu schliessen. Zum Storytelling. Sport gemahnt uns an die ältesten Ideen von Heldentum und Tragödie, von Leidenschaft und Leiden. Man könnte wahrscheinlich sagen, ein Fussballspiel heute ist die moderne Form der Tragödie. Es zeigt die Überwindung von Hindernissen, den existenziellen Kampf um sportliche Überlegenheit, und dann in der letzten Minute – das befreiende Tor. Menschen liegen sich weinend in den Armen – und genau dann senden wir die Botschaften aus, die unseren Partnern wichtig sind.
Welches Team werden Sie – Tom, Sie sind Schweizer, Sie Robert ein gebürtiger Engländer und Expat in der Schweiz – bei der kommenden WM unterstützen? Und wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Mannschaften ein?
Hanan: Die Schweiz, ganz klar. Das Team ist immer für Überraschungen gut – und ich bin sowieso ein loyaler Fan, auch in der Niederlage (lacht).
Dorlin: Ich wünschte, es wäre so einfach für mich! Mein Herz schlägt sowohl für die Schweiz als auch für England – aber meine Frau ist Schwedin, das bedeutet, sie drückt den «Tre Kronor» die Daumen. Und unsere Kinder kommen, was die Loyalität zu Länderteams angeht, eher nach ihr. Das wird also auf jeden Fall wieder spannend bei uns zuhause.
RAWR ist der Marketingpartner für digitale Strategie und Innovation in der Sport- und Unterhaltungsbranche und will für Brands, Veranstalter und Vereine das volle Potenzial des Sponsorings aktivieren. RAWR kombiniert Technologie mit Innovation, Performance mit Passion und generiert messbaren Mehrwert in der gesamten Bandbreite der digitalen Geschäftsentwicklung.
Als CEO verantwortet Tom Hanan die strategische Ausrichtung von Webrepublic. Bevor er die Agentur gründete, hat er als erster Mitarbeiter von Google Schweiz das Geschäft für Google in der Schweiz und in Österreich aufgebaut. Davor hat er drei Jahre lang Yahoo! Schweiz geleitet.
Robert Dorlin ist Managing Partner von RAWR by Webrepublic. Zuvor war er elf Jahre lang als Global Head of Digital bei EF Education First tätig, wo er seine Expertise im Digital Marketing einbrachte.