Blüten und Perlen: Schweiss, Blut und Kreativität

Sarah Pally, Linguistin und Partnerin bei der Agentur Partner & Partner, nimmt in ihrer Kolumne «Blüten und Perlen» die (Werbe-)Sprache unter die Lupe. Dieses Mal sinniert sie über die Leiden und Ängste der Kreativen.

Kreation ist ein gärender Prozess und mitunter qualvoll, schmerzhaft, existenziell. Und wie bei der Geburt ist man danach erschöpft, diffus glücklich, diffus stolz und aber vor allem erstmal froh, dass es vorbei ist. Und auch ein bisschen verblendet: Ist es nicht das hübscheste, gescheiteste Baby (wahrscheinlich nicht)? Oder aber völlig verängstigt: Ist das nicht das Schrecklichste, Nutzloseste, was mir je eingefallen ist (wahrscheinlich leider nicht)?

Gerne würde man es darum noch ein bisschen beschützen. Das Werk, die Idee, den Text, den Spot, das Konzept, das Logo – dieses Ergebnis dieser innerlich tobenden Mikro-Apokalypse. Was, wenn es nicht richtig verstanden wird? Wenn es niemanden berührt, niemanden interessiert? Wenn es still verpufft – oder zur Unzeit, wie ein zu früh gezündeter Knaller?

Wenigstens stören

Kritik ist wie Wetter: mal überraschend, mal weniger, mal sonnig, mal eisig – selten ausgewogen, dafür oft unpassend. Das gehört dazu. Denn gute Kreation will nicht jedem gefallen – sie will etwas sagen, zeigen, stören oder einfach hängen bleiben. Darum ist die schlimmste der schrecklichen Kritiken: Dass das zur Diskussion stehende Werk rein gar nichts von alledem tut.

Je schwieriger der Prozess war, desto mehr berührt Kritik. Dabei ist der Leidensweg leider kein Garant für Qualität. Hingeschmissenes kann genauso gut oder schlecht sein wie lange Durchdachtes. Das ist unfair, aber wahr.

Und doch tut man es immer wieder. Weil es keine vergleichbare Befriedigung gibt, wie wenn etwas plötzlich Form annimmt – aus all dem Nebel im Kopf, aus all den losen Enden, aus dem, was vorher nur eine flüchtige Ahnung war.

Angst vor dem Wetter

Problematisch wird es dann, wenn man der Kritik wegen nichts mehr wagt – gewissermassen aus Angst vor dem Wetter. Wenn man lieber ewig skizziert, statt etwas fertig zu machen. Wenn alles im Entwurf steckenbleibt. Und nein, auch ein fertiges Werk ist natürlich nie richtig «fertig» und schon gar nicht perfekt.

Im Nachhinein ist man ja immer klüger – und mit ein bisschen Abstand erkennt man meist: So hübsch/klug/einmalig war das Baby tatsächlich nicht. Aber eigentlich schon ganz okay. Und manchmal passiert sogar das Unerwartete und man findet: Wow, das war sogar richtig gut. Aber meist ist es halt doch nur ersteres, und das ist schon verdammt viel.

Denn letztlich ist gute Kreation nicht das Ergebnis von Perfektion, sondern von Mut. Der Mut, etwas zu zeigen, das man selbst noch nicht ganz versteht. Der Mut, sich dem Urteil zu stellen – und dem eigenen Blick. Dem härtesten von allen.


Seit 2025 analysiert Sarah Pally in ihrer Kolumne «Blüten und Perlen» Begriffe mit Branchenbezug und kommentiert sie mit persönlicher Note, aus einer linguistischen Perspektive – sowie auch mit präzisem Blick auf die Entwicklungen in der Branche. Pally ist Teilhaberin der Agentur Partner & Partner in Winterthur. Sie ist seit 15 Jahren mit den Themen Contentmarketing, Text/Konzept und Storytelling im Kommunikations- und Marketingbereich unterwegs.

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