Jan Kempter: «Werber:innen lösen Probleme mit der Kraft von Ideen»

Seine kreativen Kampagnen haben zahlreiche Preise gewonnen. Nun ist Jan Kempter, Creative Director bei der Agentur Wirz, nominiert für den Titel «Werber des Jahres» 2024. Im Interview mit m&k Werbewoche.ch spricht der Bündner über seine Inspirationen, Herausforderungen und die Zukunft der Werbebranche.

(Bild: m&k Werbewoche.ch/Beat Hürlimann)

m&k Werbewoche.ch: Jan Kempter, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung! Was denken Sie, warum sind Sie unter den drei Nominierten?

Jan Kempter: Vielen Dank! Ich war zu gleichen Teilen baff und ziemlich stolz, als ich davon erfahren habe. Zu den Gründen: Ich hatte das Glück, dass ich in letzter Zeit mit Arbeiten im Rampenlicht stehen konnte, die nicht nur viele Kreativpreise gewonnen haben, sondern auch wirtschaftlich etwas bewegen konnten. Und vielleicht ist die Nominierung auch ein Stück weit eine Würdigung für die letzten Jahre, in denen ich – immer zusammen im Team mit grossartigen Menschen – konstant gute Arbeiten abgeliefert habe.

 

Ihre kreative Vision hat beeindruckende Ergebnisse erzielt, nicht nur mit dem «Migros-Bier», sondern auch mit anderen Kampagnen. Welches Projekt aus dem Jahr 2023 hat Sie persönlich am meisten inspiriert oder herausgefordert?

Ein Highlight war sicherlich unser Filmprojekt für Schweiz Tourismus mit Roger Federer und Trevor Noah. Mit zwei Superstars am HB Zürich zu drehen, war sehr aufregend, aber auch wahnsinnig stressig. Die zusätzlichen grauen Haare haben sich aber gelohnt, wenn man sieht, wie gut der fertige Film dann international ankam. Eine weitere Herausforderung war die Migros-Weihnachtskampagne. Der Weihnachtswichtel Finn hat uns einen grossen Teil des Jahres auf Trab gehalten. Daneben konnten wir einige spannende Projekten für Graubünden Ferien und die Naturmetropole Graubünden umsetzen. Es war ein umtriebiges Jahr.

Als Creative Director bei Wirz bedienen Sie eine breite Palette von Kund:innen. Welche Rolle spielt Vielfalt und Abwechslung in Ihrer Arbeit, und wie schaffen Sie es, Ihre kreative Energie oft gleichzeitig auf verschiedene Projekte zu lenken?

Auch wenn man es vielleicht nicht denkt – und ich manchmal auch über den Workload fluche – verschiedene Projekte gleichzeitig zu haben, fördert die Kreativität. Indem man sich geistig immer wieder neuen Aufgaben stellen muss, kann sich weder Routine noch Monotonie einstellen und man bleibt frischer. Dies wirkt sich dann auch auf die Ideen aus.

 

Sie sind mittlerweile über ein Jahr rauchfrei. Welchen nächsten persönlichen Meilenstein setzen Sie sich?

In einem Monat sind es übrigens bereits zwei rauchfreie Jahre. Als nächstes möchte ich das Drehbuch für einen Spielfilm schreiben. Oder es zumindest versuchen.

 

Als 13-Jähriger haben Sie an die verführerische Wirkung des Axe-Deos geglaubt, inspiriert durch die damalige Werbung. Wie verführerisch soll beziehungsweise darf Werbung heute noch sein?

Die angesprochene Werbung war – nach heutigen Massstäben – ziemlich sexistisch, aber sie hat eine Sache sehr gut gemacht: Nämlich einen Insight auf überraschende, humorvolle und darum für mich damals überzeugende Art erzählt. Wenn man das hinkriegt, dann funktioniert Werbung heute immer noch genauso gut. Wenn Sie «verführerisch» im Sinne vom Schüren von unrealistischen Erwartungen meinen; das sollte man besser lassen. Dafür sind die heutigen 13-Jährigen viel zu kritisch gegenüber Werbung und Werbebotschaften geworden. Zum Glück.

 

Wie bringen Sie wichtige Themen wie Nachhaltigkeit und Inklusion in Ihre Werbung?

Das sind in der Tat wichtige Themen, bei denen man allerdings auch einiges falsch machen kann. Wie man es richtig macht, lässt sich nicht so pauschal beantworten. Aber der beste Weg ist in jedem Fall ein offener und auch selbstkritischer Austausch mit allen Beteiligten: Kunde, Agentur und Produktionspartner. Übrigens haben wir genau für solche Fragen das Wirz Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit lanciert.

 

Wie erklären Sie einem Kind, was Sie als Werber tun?

Stell dir vor, du hast einen eigenen Laden, in dem du Glacé verkaufst. Meine Aufgabe als Werber ist es, dafür zu sorgen, dass die ganze Welt erfährt, wie toll dein Glacé-Laden ist und alle unbedingt ein Glacé bei dir probieren wollen. Das mache ich zum Beispiel mit interessanten Geschichten, schönen Bildli oder einer ausgeklügelten Social-Media-Strategie. Was eine Social-Media-Strategie ist, erzähle ich dir beim nächsten Mal. Und jetzt ab ins Bett mit dir.

 

Ihre Arbeiten werden international anerkannt, insbesondere durch Auszeichnungen wie einen bronzenen Cannes-Löwen für «Das Migros-Bier». Wie fühlt es sich an, Ihr Werk auf solch einer globalen Bühne zu präsentieren, und wie denken Sie, beeinflusst dies Ihre zukünftige Arbeit?

Die Anerkennung im Ausland ist eine schöne Bestätigung, die uns alle sehr stolz macht! Die Bierpreise haben uns vor allem auch deshalb gefreut, weil wir nicht sicher waren, ob die Kampagne von einer internationalen Jury verstanden wird, da die Migros mit ihrer Genossenschaftsstrukturen, Abstimmungen und fehlendem Alkohol doch etwas komplex zu verstehen ist. Aber die Bedenken waren glücklicherweise unbegründet. Meine zukünftige Arbeit beeinflussen die Awards insofern, als dass ich etwas unter Druck gerate, bald wieder eine so erfolgreiche Arbeit nachzulegen. Man darf sich in unserer Branche leider nicht zu lange auf seinen Lorbeeren ausruhen.

 

Die Werbebranche wandelt sich ständig, insbesondere mit dem Aufkommen von Technologien wie künstlicher Intelligenz. Wie planen Sie, Ihre kreative Vision und menschliche Perspektive in einer zunehmend von Technologie geprägten Umgebung zu bewahren?

Ich versuche, eine gesunde Balance zu halten: Ich freue mich über die neuen Technologien mit all ihren Möglichkeiten und experimentiere, behalte aber eine gewisse Skepsis. Künstliche Intelligenz ist wohl nicht das Allheilmittel für sämtliche Probleme, für das sie gelegentlich angepriesen wird. Und die menschliche Perspektive bleibt meiner Meinung nach zwingend erforderlich. In der Werbung ist es unser Ziel, Menschen auf die eine oder andere Art zu berühren. Ich glaube, bis das eine Maschine besser macht als ein emphatisch denkender Mensch, dauert es noch einige Zeit. Allerdings ist die technische Entwicklung im Moment so schwindelerregend rasant, dass ich vielleicht schon morgen eines Besseren belehrt werde. Es bleibt auf jeden Fall spannend.

 

In Ihrer Karriere haben Sie sicherlich einige Höhen und Tiefen erlebt. Was war Ihr persönlicher Schlüsselmoment, der Sie zu dem gemacht hat, wer Sie heute sind?

Schlüsselmoment wäre übertrieben, aber mein erster Besuch einer ADC-Gala als Juniortexter hat zumindest etwas bei mir ausgelöst. Ich habe damals die prämierten Arbeiten gesehen und in jugendlicher Arroganz gedacht: «Das kann ich auch! Und besser!» Es vergingen dann noch ein paar Jährchen, bis ich mal für eine Arbeit auf der Bühne stehen durfte. Aber mein Ehrgeiz war geweckt.

 

Welche Rolle spielt Humor Ihrer Meinung nach in der Werbung und im Arbeitsumfeld?

Humor in der Werbung ist ein wunderbares Mittel, um positive Emotionen hervorzurufen und sich so beim Betrachter ins Gedächtnis zu brennen. Das heisst aber nicht, dass Werbung zwingend humorvoll sein muss. Im Arbeitsumfeld ist es hingegen wichtig, dass oft und viel gelacht wird. Wo kein Spass ist, entstehen auch keine guten Ideen.

 

Blicken Sie in die Zukunft der Werbung, welche Veränderungen erwarten Sie und wie bereitet sich Ihre Agentur darauf vor?

Ich bin kein besonders gutes Orakel, aber ich versuch’s mal. Über künstliche Intelligenz haben wir bereits gesprochen. Die wird uns weiterhin auf Trab halten und einiges durcheinanderwirbeln. Hierfür haben wir in der Agentur eine Taskforce, die laufend prüft, welche Tools wir in unsere Arbeitsprozesse einbauen können und sollen. Inhaltlich werden sicher die ganzen ESG-Themen noch relevanter werden. Um dem gewappnet zu sein, haben wir bei Wirz das bereits erwähnte Nachhaltigkeitszentrum gegründet. Und dann denke ich, dass in Zukunft die Zielgruppen noch fragmentierter und damit noch schwieriger zu erreichen sein werden. Die beste Vorbereitung hierfür ist, herausragende Kommunikation zu schaffen, die man gar nicht verpassen kann.

 

Als «Werber des Jahres» würden Sie die Branche nach aussen repräsentieren. Wie möchten Sie dazu beitragen, ein positives Bild zu vermitteln – und was wäre ihr Kernanliegen?

Ich denke, ich würde dafür einstehen, dass wir mehr erreichen können als «nur» lustige Werbekampagnen zu erstellen. Wir lösen Probleme mit der Kraft von Ideen. Das soll Unternehmen den Wert von Ideen näherbringen und dazu aufrufen, dass wir uns ruhig mit etwas mehr Selbstbewusstsein hinstellen sollten. Denn wenn wir unseren Job gut machen, können wir sehr, sehr viel bewegen.

 

Wenn Sie ein Werbegesicht für ein Produkt sein könnten, welches Produkt wäre das?

Ich hege gewisse Zweifel, ob ich als Werbegesicht eine absatzsteigernde Wirkung hätte, aber vielleicht für irgendeinen stylischen, isländischen Outdoor-Brand. Wieso? Weil es dann hoffentlich ein Fotoshooting in der isländischen Wildnis geben würde und ich endlich wieder nach Island gehen könnte. Eine skandinavische Marke wäre im Zweifel aber auch ok, falls hier ein:e interessierte:r Outdoor-Brand-Manager:in mitlesen sollte.

 

Zum Schluss: Ihr Ratschlag an Ihr jüngeres Ich?

Ich würde meinem jüngeren Ich sagen: «Mach weiter wie bisher, denn Du bist auf dem besten Weg zu einer Nominierung zum Werber des Jahres.» Im Ernst, ein Ratschlag, den ich an mich selber hätte, wäre der Aufruf zu etwas mehr Gelassenheit: «Am Ende kommt immer alles gut. Also meistens.»


Über Jan Kempter

Jan Kempter, Creative Director bei Wirz und 2024 erstmals nominiert für die Wahl zum «Werber des Jahres», führte die erfolgreiche Kampagne «Das Migros-Bier» an, die 2023 den ADC Grand Prix gewann sowie Gold bei den Eurobest-Awards und einen bronzenen Cannes Lions erhielt. Zudem wurde die Kampagne beim Edi.23 mit Gold ausgezeichnet. Weiteres Highlight war die Story «The Ride of a Lifetime» mit Trevor Noah und Roger Federer für Schweiz Tourismus, die beim Edi.23 Gold gewann und weltweit für Schlagzeilen sorgte.

Kempter wurde für einen Bündner passend im Sternzeichen Steinbock geboren, hat 2023 ein Zertifikat für Rauchfreiheit erlangt und behauptet von sich, die besten Spaghetti Carbonara der Welt zu kochen. Seine Karriere in der Werbung begann eher zufällig durch einen Texterwettbewerb für Zahnpasta. Schon als 13-Jähriger war er von der verführerischen Wirkung des Deos Axe überzeugt, dank der damaligen Werbung. Werber ist für ihn der beste Beruf der Welt, obwohl der Gedanke, aus dem Wahnsinn auszusteigen, stets präsent ist.

Jan mag keine 30-sekündigen YouTube-Prerolls und erkennt das Potenzial einer Idee, wenn ihn beim Aufschreiben ein Gefühl der Euphorie durchströmt. Personalisierte Werbung hält er für überschätzt und wenn er eine von ihm kreierte Werbung auf der Strasse sieht, fragt er sich, warum die Leute keine Fotos davon machen und auf Instagram mit dem Hashtag WOW posten.


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